Pensionswelle bei Lehrern: "Es wird Engpässe geben"

(c) Michaela Bruckberger
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Für Unterrichtsministerin Schmied ist die Neue Mittelschule ein"Zwischenschritt" zur gemeinsamen Schule aller Zehn- bis 14-Jährigen. Der ÖVP bescheinigt sie fehlende Innovationskraft.

„Die Presse“: In den kommenden Jahren steht bei den Lehrern eine Pensionswelle an. Droht ein neuer Lehrermangel?

Claudia Schmied: Wir haben einen großen Lehrerbedarf, das stimmt. Und das ist auch positiv. Ab den Jahren 2012/13 gehen viele in Pension, da brauchen wir verstärkt Junglehrer. Wir haben bereits in den letzten Jahren mehr als 7000 Posten neu geschaffen, durch kleinere Klassen, Kleingruppenunterricht und Tagesbetreuung.


Einen Lehrernotstand können Sie also nicht ausschließen?


Schmied: Einen Notstand kann ich ausschließen. Es wird aber punktuell, etwa im naturwissenschaftlichen Bereich, sehr wohl Engpässe geben. Es wird sehr anspruchsvoll, gute Lösungen mit den Landesschulräten zu finden.


Gute Lösungen sind auch bei der Neuen Mittelschule (NMS) gefragt. Die ÖVP hat die Zustimmung zur Ausweitung verweigert. Ist Ihre Reform damit auf dem Abstellgleis?


Schmied: Nein. Ich kann mich derzeit auf meiner Dialogtour selbst davon überzeugen, dass die NMS ein großes Erfolgsprojekt ist. Wenn die ÖVP beim Nein bleibt, ist das schade für alle Standorte, die derzeit keine NMS werden können.

ÖVP-Bildungssprecher Werner Amon bezeichnet Ihre Vorhaben als „absurd“. Warum schaffen Sie es nicht, den Koalitionspartner vom „Erfolgsprojekt“ zu überzeugen?


Schmied: Das frage ich mich langsam auch. Ich erlebe die Kraft der Innovation jener Menschen, die am Projekt mitarbeiten. Es ist mir unverständlich, wie Amon das Wort „absurd“ verwenden kann. Es ist schade, dass sich die innovativen Kräfte innerhalb der ÖVP noch nicht durchsetzen.

Was sagen Sie jenen Direktoren, deren Schulen nun doch keine NMS werden können?

Schmied: Diesen werde ich bekannt machen, wer das Projekt in seiner Entwicklung stoppt. Für mich ist klar: Die NMS ist ein Zwischenschritt zur gemeinsamen Schule aller Zehn- bis 14-Jährigen.

Die Lehramtsstudenten stellen der Lehrerausbildung in einer Umfrage ein schlechtes Zeugnis aus. Viele beklagen die fehlende Praxisnähe und dass sie nicht auf das multikulturelle Umfeld vorbereitet werden, das sie in den Klassen erwartet. Was soll sich da ändern?

Schmied: Integration ist eine zentrale Aufgabe. Wir müssen früh ansetzen, etwa beim verpflichtenden Kindergartenjahr. Der Aspekt muss sich aber auch in der Aus- und Weiterbildung der Lehrer widerspiegeln. Und ich will auch mehr Menschen mit Migrationshintergrund für den Lehrberuf gewinnen. Damit auch die Elternarbeit besser gelingt.

Man soll das System also besser an die Migranten anpassen?

Schmied: Nicht nur. Wer in Österreich lebt, für den gelten die österreichischen Gesetze. Es ist aber wichtig, dass wir das Potenzial der Migranten künftig besser nutzen. Und dazu gehört auch die aufnehmende Gesellschaft gestärkt. Wir müssen am Selbstvertrauen, an der Ich-Stärke und dem Selbstbewusstsein arbeiten.

Sie meinen, die Österreicher hätten ein zu geringes Selbstvertrauen?

Schmied: Ich rede nicht pauschal von „den Österreichern“. Aber jemand, der von sich selbst überzeugt ist, kann mit dem Fremden besser kooperieren. Das zeigt auch die Umfrage. Ich plane daher, Lehrern, die in Schulen mit vielen Migranten arbeiten, künftig Praktika etwa an einer österreichischen Schule in Istanbul anzubieten.
Viele Studenten wissen laut Umfrage nicht, was die Schulreform für sie bedeutet. Warum kommen Ihre Konzepte nicht an?
Schmied: Das zeigt mir, dass viel Gesprächsbedarf besteht und wir im Dialog breiter werden müssen.

Von angekündigten Fortschritten bei den Gesprächen über ein neues Lehrerdienstrecht hört man nichts mehr. Hat Sie der Mut verlassen?


Schmied: Nein. Wir sind in Vorbereitung. Das Thema ist ein gemeinsames Entwicklungsprojekt, mit Ergebnissen brauchen Sie da so schnell nicht zu rechnen.

Die ÖVP hat bei der Bestellung des Wissenschaftsministers keine Eile. Lähmt das die Bildungspolitik?

Schmied: Schön langsam geht mir der Partner ab, das sage ich schon ganz klar.

Ihr Wunschpartner?

Schmied: Jemand, mit dem ich arbeiten kann und den ich mag. Die emotionale Wertschätzung ist in unserem Beruf wichtig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2010)

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