Deutschland, Österreich, Schweiz: Kampf um Lehrer

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Die Hälfte der Lehrer steht vor der Pensionierung. Die drei deutschsprachigen Staaten buhlen um junge Pädagogen. Knapp 120.000 Lehrer unterrichten zurzeit in Österreich 1,2 Millionen Schüler.

Ihr Image ist traditionell nicht das beste. Aber das ist nur einer von mehreren Gründen, warum es immer weniger Lehrer gibt: Die Hälfte von ihnen geht in den kommenden zehn bis 15 Jahren in Pension – und nicht annähernd so viele werden nachrücken. Denn die Lehrer-Einstiegsgehälter sind niedrig, die Konkurrenz durch die Wirtschaft ist groß – und immer größer wird auch die Konkurrenz durch die deutschsprachigen Nachbarländer.

Diese werben heimische Lehrer, speziell für Mathematik, Chemie oder Physik, gern ab. Der Druck auf die Regierung, ein neues Lehrerdienstrecht – mit flacherer Gehaltskurve – sowie bessere Unterrichtsbedingungen zu schaffen, wächst. Junglehrer sollen stärker an ihre Heimat gebunden werden.

Doch so wie Österreich droht auch Deutschland und der Schweiz bald ein eklatanter Lehrermangel. Für Deutschland zeigt der neue „Bildungsbericht“, dass die Hälfte der knapp 800.000 (Vollzeit-)Lehrer des Landes aktuell 50 Jahre oder älter ist. Auch hier wird sich bald die Hälfte in die Pension verabschieden, aber zu wenige werden nachrücken, wie Mira Futász, Pressereferentin der Fachgewerkschaft „Verband Bildung und Erziehung“ (VBE), erzählt. „Wir bräuchten attraktivere Arbeitsbedingungen“, glaubt sie.

Nicht anders ist die Lage in der Schweiz. Laut Jacques Babel vom Bundesamt für Statistik sind es allein in der Primarstufe in der Schweiz aktuell 3600 Lehrer, die pro Jahr neu angestellt werden müssen. Im Jahr 2015 werden es sogar prognostizierte 5000 sein, die nachrücken müssten, um den Bedarf zu decken.

Auch auf der Sekundarstufe I (nach der Primarstufe) werden infolge der Pensionierungswelle tausende Lehrer abtreten, die Nachfolge ist noch nicht gesichert. Die Pädagogischen Hochschulen würden wohl nur die Hälfte des eigentlichen Bedarfs „produzieren“, meint Anton Strittmatter von der Pädagogischen Arbeitsstelle des Dachverbands Schweizer Lehrerinnen und Lehrer (LCH).

Jeder wird genommen

Zurzeit gibt es noch die notwendigen insgesamt 100.000 Lehrer in der Schweiz, doch für Strittmatter ist die Situation schon jetzt nicht ideal. Während Schulen und Schulgemeinden früher aus mehreren Bewerbern auswählen konnten, müssten sie heute in der Regel diejenigen nehmen, die sich vorstellen – für eine Auswahl sei die Zahl der neuen Lehrer zu gering. Immer mehr Lehrer würden entgegen ihrer Qualifikation eingesetzt, zum Beispiel auch in der Sekundarstufe I, obwohl sie für die Primarstufe ausgebildet sind.

Für österreichische Absolventen der Lehramtsstudien und Pädagogischen Hochschulen ergeben sich daraus interessante Jobperspektiven. Denn gerade im Grenzgebiet bemühen sich Deutschland (insbesondere Bayern) und die Schweiz (vor allem die Ostschweiz) um Lehrer aus Österreich. „Natürlich versuchen wir ganz stark, Leute von auswärts zu bekommen.“

Mehr Geld in der Schweiz

Für Österreicher ist ein Job in der Schweiz vor allem interessant, weil die (Einstiegs-)Gehälter dort in der Regel höher sind. Allerdings liegt die Pflichtstundenzahl an Volksschulen bei 28 bis 33 Stunden statt wie in Österreich bei rund 20 bis 22 Stunden.

Auch die Sicherheit der Anstellung sei in der Schweiz geringer, so Strittmatter. Statt der Aussicht auf den Beamtenstatus gebe es von den Kantonen „normale zivile Verträge mit halbjähriger Kündigungsfrist“. Trotzdem zieht es scharenweise Westösterreicher in die Schweiz.

Wie die Schweizer Kantone kämpfen aber auch die deutschen Bundesländer nicht nur untereinander um Junglehrer, sondern schauen sich auch in Österreich um. Walter Riegler, Österreichs Pflichtschullehrergewerkschaftschef, weiß um das Dilemma. Er unterstreicht die „Zürcher Erklärung zum Lehrermangel“, die Österreichs Lehrergewerkschafter, der deutsche VBE und der LCH Ende Mai vorgelegt haben. Darin fordern die Gewerkschafter der drei deutschsprachigen Länder, dass nicht immer mehr Lehrer (etwa Quereinsteiger) eingestellt werden sollen, die nicht ausreichend (pädagogisch) qualifiziert sind. Stattdessen müsse „die Attraktivität des Lehrerberufs nachhaltig erhöht werden“. Also ein Plus bei Ausbildung, Bezahlung und Arbeitsbedingungen.

Allerdings: Ist ein Lehrer einmal im österreichischen System, verdient er – verglichen mit anderen OECD-Ländern – zum Teil deutlich besser, je länger er im Beruf ist. Nur bei den Einstiegsgehältern liegen heimische Pädagogen unter dem Schnitt. Beim Betreuungsverhältnis geht es ihnen hingegen besser: An Volksschulen kommen hierzulande im Schnitt 14 Schüler auf einen Lehrer, OECD-weit sind es 17.

Kritiker bemängeln aber, dass in Österreich überdurchschnittlich viele Lehrer in der Verwaltung tätig sind. Knapp 120.000 Lehrer unterrichten zurzeit in Österreich 1,2 Millionen Schüler.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.06.2010)

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