Bildung: Länder als Gefahr für das Schulsystem?

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Der internationale Vergleich zeigt: Eine Verländerung der Schulverwaltung treibe Österreich "in eine irrationale Richtung". Der Einfluss der Landeschefs schade der Effizienz, besagt ein Gutachten des Ministeriums.

Der Widerstand gegen die Pläne der Landeshauptleute, sich die Kompetenzen im Schulbereich zu sichern, wächst stetig – die Kritik wird immer härter: Das Vorhaben der Länder führe dazu, dass „eine bildungspolitische Gesamtverantwortung in Österreich nicht mehr besteht“, sagt nun der Wiener Verfassungsjurist Heinz Mayer.

Es sei davon auszugehen, dass die vor allem von schwarzen Landeschefs geforderte Verländerung „die Effizienz des Bildungssystems nachteilig beeinflusst“, schreibt er in einem der „Presse“ vorliegenden Gutachten für Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ). Diese wünscht sich mehr Kompetenzen für den Bund, ÖVP-Bundeschef Josef Pröll ist aber auf Länderlinie eingeschwenkt.

Das Gutachten bestätigt genau jene Befürchtungen, die die ÖVP-Landeschefs zu zerstreuen versuchen: Die Länder könnten neun verschiedene Schulsysteme errichten – ein Wechsel zwischen einzelnen Regionen wäre so kaum noch möglich, schreibt Mayer. Dass der Bund, dem die Länder nur die „Grundsatzgesetzgebung“ zugestehen wollen, noch lenkend eingreifen könnte, glaubt Mayer nicht. Es sei nicht zu verhindern, dass Länder unterschiedliche Schulformen und Bildungsinhalte verwirklichen. Fazit: Der Bund wäre nur noch für die (intransparente) Finanzierung einer „von ihm kaum gestaltbaren Bildungspolitik zuständig“.

Landeslehrer, Bundeslehrer

Landeslehrer (Pflichtschullehrer) sind die rund 77.000 Pädagogen an den Volks-, Haupt-, und Sonderschulen sowie an den Polytechnischen und den Berufsschulen. Ihr Dienstgeber ist das Land, bezahlt werden sie allerdings großteils vom Bund. Bundeslehrer sind die rund 21.000 Pädagogen an den AHS und ihre rund 22.000 Kollegen an den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen wie HTL oder HAK. Ihr Dienstgeber ist der Bund, der sie auch bezahlt. Mehr dazu...

Effiziente Reformen in Europa

Auch ein Blick ins Ausland, so Mayer, zeige: „Effiziente Schulreformen in Europa haben in den vergangenen Jahrzehnten andere Wege beschritten.“ Das bestätigt auch Lorenz Lassnigg, Bildungsforscher am Institut für Höhere Studien (IHS). Die „ineffizienten Strukturen“ in Österreich seien ein internationales Unikum und beweisen, dass „die Debatte über die Verländerung unser Land in eine irrationale Richtung treibt“, so Lassnigg. Er hat für die „Presse“ ausgewählte Bildungssysteme verglichen.

•Schweiz: Die Schweiz lebt vor, was sich Österreichs Länder wünschen. Die Schulkompetenzen sind fast zur Gänze bei den Kantonen angesiedelt, die in einem „politischen Wettbewerb“ um die beste Lösung stehen. Entscheidender Unterschied: Die Kantone sind (anders als die Länder) selbst für die Finanzierung der Schulen verantwortlich. Dieser „Wettbewerbsföderalismus“ führt dazu, dass sich die Kantone aktiv um die „für die Effizienz nötige Deckung von Finanzierung und Leistung“ bemühen, so Lassnigg. Doch auch in der Schweiz geht der Trend – seit die Bevölkerung das 2006 in einer Abstimmung gefordert hat – in Richtung Vereinheitlichung. „In Zeiten internationaler Mobilität stoßen kleinräumige Bildungssysteme an ihre Grenzen“, so Lassnigg.
•Niederlande/Skandinavien: In nordischen Ländern und den Niederlanden herrscht ein hoher Grad an lokaler Autonomie. Viele Kompetenzen liegen bei den Schulen. In den Niederlanden wird das System zentral finanziert, die Mittel werden direkt an die Schulen, die sich oft zu Bildungszentren zusammenschließen, vergeben. Sie müssen sich einer Leistungsevaluierung stellen, die die Einheitlichkeit des Systems wahrt. Der Nachteil: ein hohes Ausmaß an Bürokratie. In Skandinavien spielen regionale Einheiten wie Länder auch keine Rolle. Die Verwaltung obliegt vor allem den, so Lassnigg, „weniger politisierten“ Kommunen.
•Australien: Hier ist das Schulsystem föderal organisiert. Allerdings mit schlanker Verwaltung: Im Staat Victoria (vergleichbar mit Gesamtösterreich) etwa hat die konservative Regierung in radikalen Reformen alle Subsysteme abgeschafft. Neben der zentralen Ebene gibt es nur die Schulen. Es werden mit jedem Standort dreijährige Zielvereinbarungen geschlossen, die Einhaltung wird extern geprüft.
•Deutschland: Am ehesten mit den Wünschen der Länder vergleichen lässt sich das deutsche Modell. Hier fand vor vier Jahren eine „Verländerung“ statt, mit der sich der Bund die Zustimmung zur Föderalismusreform erkaufte. Ein Kooperationsverbot verhindert direkte Eingriffe des Bundes. Mit fatalen Folgen: Deutschland beklagt heute ein föderales Durcheinander. Mittlerweile hat sich eine politische Bewegung formiert, die die Kompetenzen zurück zum Bund holen will.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.11.2010)

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