So kann die Zentralmatura doch noch gelingen

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Der Erfolg der neuen Reifeprüfung steht und fällt mit der Qualität der Unterrichts, die in Zukunft erreicht werden kann, sind sich Experten einig. Sie erklären, wofür man das gewonnene Jahr nützen sollte.

Die Freude zog sich nahezu durch alle Lager, als Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) in der vergangenen Woche überraschend den Start der umstrittenen Zentralmatura um ein Jahr nach hinten verschob. Während das für die Entwicklung zuständige Institut BIFIE der Meinung ist, die Verschiebung sei nicht nötig, kritisierten andere die schlechte Vorbereitung. Was aber muss nun in diesem „gewonnenen“ Jahr passieren, damit die neue Matura doch noch gelingen kann? Die „Presse“ hat sich unter Bildungsexperten umgehört.

1. Strikter Zeit- und Strategieplan

Eine „Verschleppung“ des Projekts Zentralmatura wäre nach Ansicht der Wiener Bildungspsychologin Christiane Spiel das „Unglücklichste“, was die Verschiebung mit sich bringen könnte. Damit das Ziel nicht aus den Augen verloren wird, empfiehlt sie einen „ganz klaren Zeit- und Strategieplan“. Man müsse Ziele und konkrete Deadlines für die weitere Vorgangsweise transparent festlegen, sodass für alle Beteiligten völlig klar ist, wie es nun weitergeht.

2. Kein Machtkampf mehr

Die Ernsthaftigkeit, mit der man an die Umsetzung der neuen Reifeprüfung herangeht, kann nach Ansicht von Bildungsexpertin Christa Koenne durch die Verschiebung auf allen Seiten massiv erhöht werden. „Manche Lehrer haben sich sehr viel Zeit gelassen mit der Vorbereitung. Offenbar haben sie gehofft, dass eine Verschiebung kommt.“ Nun sei aber allen klar, dass sie mitarbeiten müssen. „Die Diskussion um die Zentralmatura ist jetzt kein Machtkampf mehr.“ Diese Stimmung müsse man nützen, um sich fortan ausschließlich auf die Inhalte zu konzentrieren.

3. Inhalt und Unterrichtsgestaltung

Die wohl zentralste und zugleich größte Herausforderung ist die Ausrichtung des Unterrichts auf die Anforderungen der neuen Matura. Diese Meinung teilt auch Mathematik-Didaktiker Werner Peschek von der Uni Klagenfurt, der selbst an der Entwicklung der neuen Matura beteiligt ist. Er hat zuletzt mit seiner Befürchtung, dass diese zu einem Niveauverlust führen könnte, für Furore gesorgt. Seiner Meinung nach liegt das Problem im methodischen Vorgehen: Man orientiere sich zu sehr am Istzustand der Unterrichtsgestaltung und viel zu wenig daran, wo man die Schüler künftig hinbringen kann. Mit dieser Ansicht ist er nicht allein: Auch Koenne sieht den zentralen Angelpunkt für das Gelingen der Matura in der Unterrichtsgestaltung. „Wir wissen, dass sich die Schule nur sehr schwer auf Veränderungen einstellt.“ Deshalb sei es nun wichtig, sich mit der Bildungsphilosophie zu befassen, die hinter der Matura steht: weg vom starren Faktenwissen, hin zur Kompetenzorientierung.

4. Lehrermehrarbeit und Unterstützungssysteme sind nötig

Dass sich dieser Paradigmenwechsel nicht von selbst vollzieht, ist klar. Eine dementsprechende Ausbildung und das zur Verfügungstellen von besseren Unterstützungssystemen für Lehrer sind von großer Bedeutung, darin sind sich die Experten einig. Essenziell dabei sei, dass sich die Lehrer als aktive Akteure in diesem Prozess begreifen, sagt etwa Christiane Spiel. Sie müssten ein Gefühl für die neue Art des Unterrichtens bekommen und auch den Übergang zwischen Wissensvermittlung und Prüfung dementsprechend gestalten. Das könnte im Fach Mathematik etwa dadurch gelingen, dass Lehrer allein oder in Lehrergemeinschaften auf dem Schulstandort selbst Beispiele ausarbeiten, die den neuen Kriterien entsprechen, schlägt Koenne vor. So könnten sie sich aktiv in die Entwicklung einbringen und ein Gefühl für die neuen Anforderungen entwickeln. Aber man sollte die Lehrer auch nicht allein lassen: Peschek empfiehlt, sogenannte „Unterstützerteams“ quer durch ganz Österreich zu schicken, die den Lehrern zur Seite stehen. „Es muss in Österreich inzwischen mindestens 30 bis 50 Personen geben, die diese Aufgabe sehr gut übernehmen könnten.“ Aber: Die Lehrer müssten auch bereit sein, Mehrarbeit in Kauf zu nehmen.

5. Information und Kommunikation ausbauen

Die Informationspolitik rund um die Zentralmatura ist in der Vergangenheit nicht optimal gelaufen. Jetzt muss die Kommunikation mit den Betroffenen dringend intensiviert werden, sagt etwa Peschek, Denn: „Wenn die nicht mitziehen, wird die Matura nicht gut funktionieren.“ Koenne sieht hingegen die Betroffenen gefordert, sich nicht zu verschließen. Vor allem die Lehrer müssten sich auch selbst um Informationen bemühen: „Information ist immer eine Bring- und eine Holschuld.“ Georg Hans Neuweg von der Uni Linz, Experte für Leistungsbeurteilung, plädiert für eine breite Informationskampagne, die offenlegt, „wie wenig vergleichbar und deshalb unfair“ insbesondere die Maturanoten derzeit seien. Nur so könne man ein breites Commitment in der Bevölkerung für die neue Art der Leistungsbeurteilung erreichen.

6. Unterrichtsqualität erhöhen

Ein Fehler, den man aber keinesfalls machen dürfe, wäre ein vorschnelles Absenken der Anforderungen, falls erste Tests zeigen, dass die Schüler ihnen nicht gewachsen sind, sagt Neuweg – und schlägt damit in die gleiche Kerbe wie Peschek: Man müsse, so die Experten, vielmehr einen breiten Dialog über die Angemessenheit des Niveaus und über Möglichkeiten der Steigerung der Unterrichtsqualität führen.

Auf einen Blick

Die Verschiebung der zentralen Reifeprüfung ist seit einer Woche fix. Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) beugte sich damit dem Druck von Schülern, Lehrern und Eltern. Diese kritisierten schon lange die angeblich unzureichende Vorbereitung. Die Zentralmatura wird nun ein Jahr später starten. An den Gymnasien findet die erste zentrale Reifeprüfung demnach nicht im Schuljahr 2013/14, sondern erst 2014/15 statt. An den berufsbildenden höheren Schulen (BHS) wird der Start von 2014/15 auf 2015/16 verschoben. Freiwillig können die Schulen aber dennoch beim frühesten Starttermin teilnehmen. Entschieden muss das am Schulstandort werden; spätestens am Ende der siebten Klasse. Es braucht dafür die Zustimmung der Eltern-, Schüler- und Lehrervertreter. Zwei Drittel pro Schulpartner müssen dafür stimmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.06.2012)

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