In der Lehrerausbildung soll auf die steigende Zahl von Migranten reagiert werden. Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) und ÖVP-Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz nähern sich einander an.
Wien. Die Zahl der Schüler mit nicht deutscher Muttersprache hat sich seit dem Jahr 1995 verdoppelt, das zeigt der am Montag präsentierte „Nationale Bildungsbericht“. Der Anteil der „einsprachig deutschsprachigen“ Kinder an den Volksschulen ist von 88 auf 76 Prozent gesunken. Geht es nach Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ), soll sich das künftig auch in Ausbildung der heimischen Lehrer niederschlagen.
Sie will nicht nur Deutschlehrer fit für den Umgang mit Migranten machen – auch alle anderen Fachlehrer wie etwa Mathematik-, Geografie- und Turnlehrer sollen wissen, wie sie mit etwaigen Deutschdefiziten von Kindern mit Migrationshintergrund umgehen müssen. In der neuen Lehrerausbildung sollen künftig alle angehenden Pädagogen daher in einem eigenen Pflichtfach lernen, wie sie Migrantenkindern Deutsch als Zweitsprache vermitteln können.
Generell sollen interkulturelle Kompetenzen eine größere Rolle in der Ausbildung von Lehrern spielen. Damit würde umgesetzt, was Experten schon lange fordern. Diese Veränderungen sollen auch vor dem Kindergarten nicht haltmachen: „Wir müssen auch im frühpädagogischen Bereich die Sensibilisierung für die Bildungssprache Deutsch stärken“, sagte die Ministerin, die ja auch für die Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik zuständig ist, zur „Presse“.
Gegen „Ausländerwahlkampf“
Mit ihren Vorschlägen zur Sprachförderung dürfte Schmied nicht zuletzt versuchen, ÖVP-Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz etwas Paroli zu bieten. Er war es, der in der vergangenen Woche mit seinen Forderungen – Stichwort Vorschuljahr – die Debatte dominierte. Nun scheinen die beiden um Einigkeit bemüht.
„Von der Haltung her sind Staatssekretär Kurz und ich schon jetzt eng beisammen“, so die Ministerin. Wenn es um das Ziel – den Bildungserfolg von Migranten – gehe, solle „kein Blatt zwischen uns passen. Und schon gar keines, das vielleicht ein Briefpapier der FPÖ ist.“ Die Schule dürfe nicht in einen drohenden „Ausländerwahlkampf“ verwickelt werden.
Kurz will aufs Gas steigen: Die Sprachförderung solle kein Wahlkampfthema werde. Nachdem Schmied vergangene Woche beim Vorschuljahr einlenkte, bewegt sich jetzt Kurz einen Schritt auf sie zu. Für den ländlichen Raum könne er sich „differenzierte Modelle“ vorstellen – also auch andere als die von ihm favorisierte Vorschule.
Polen öfter im Gymnasium
Übrigens: Eine andere Muttersprache als Deutsch bedeutet nicht automatisch schlechtere Leistung. So gehen Schüler, die Polnisch, Tschechisch, Slowakisch und Ungarisch sprechen, öfter ins Gymnasium als deutschsprachige. Umgekehrt ist es bei türkischsprachigen Schülern. Laut Integrationsforscherin Barbara Herzog-Punzenberger hängt das unter anderem mit sozialer Schicht, Bildungsstand der Eltern und dem Prestige der Sprache zusammen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2013)