Neue Mittelschule oft nur unzulänglich umgesetzt

(c) Clemens Fabry
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Etwa 22 Prozent aller Neuen Mittelschulen setzen keine AHS- oder BHS-Lehrer ein, und die Lage könnte sich aufgrund des Lehrermangels noch verschärfen. Die Neue Mittelschule soll bald flächendeckend kommen.

Wien. Die Neue Mittelschule soll bald flächendeckend kommen. Auf diese Linie ist nach der SPÖ auch die ÖVP eingeschwenkt. Doch jetzt melden sich Kritiker zu Wort: Schon an den bestehenden 320 Standorten werde die NMS nur unzulänglich umgesetzt. Die aufgewerteten früheren Hauptschulen würden die Kriterien des Unterrichtsministeriums zum Teil nur schlecht oder gar nicht erfüllen.

Zu den Voraussetzungen für NMS zählt, dass sechs Schulstunden pro Klasse von AHS- oder BHS-Lehrern gehalten werden, sonst gibt es – eigentlich – kein Extrageld vom Bund. Doch bereits jetzt gebe es einen Mangel an solchen Bundeslehrern für NMS, heißt es bei Lehrergewerkschaften und Landesschulräten. Angesichts einer Pensionierungswelle bis 2020 werde die Lücke noch größer werden.

„Es war schon jetzt nicht leicht, AHS- und BHS-Lehrer an die NMS zu holen“, sagt dazu Oberösterreichs Landesschulratspräsident, Fritz Enzenhofer. „Immerhin haben die AHS und BHS selbst Lehrermangel.“ Wenige hundert AHS- und BHS-Lehrer erfüllen derzeit an den 48 oberösterreichischen NMS die insgesamt 1274 Werteinheiten (Stunden), die der Bund extra zahlt. Enzenhofer will dabei „sauber“ bleiben und die Kriterien exakt erfüllen. Er kann sich aber vorstellen, dass andere Länder, in denen AHS- und BHS-Lehrer fehlen, rechtlich zulässige „Tricks“ anwenden. So könne man Hauptschullehrer zuerst an einer AHS anstellen, sie dann aber an einer NMS einsetzen, die „Partnerschule“ der betreffenden AHS ist. Selbst mit solchen Tricks werde man es aber „nicht schaffen, das aktuelle NMS-Modell österreichweit umzusetzen, weil Lehrer fehlen“, glaubt Enzenhofer.

Außer Oberösterreich droht vor allem Tirol oder Vorarlberg bald ein Lehrermangel. Denn angesichts einer Pensionierungswelle im gesamten deutschsprachigen Raum werben deutsche und Schweizer Schulen im Grenzgebiet schon jetzt intensiv um österreichische Lehrer.

Auch der Bund weiß: Gerade im „NMS-Vorzeigeland“ Vorarlberg, das bereits fast alle Hauptschulen zu Mittelschulen gemacht hat, fehlen AHS- und BHS-Lehrer; viele NMS setzen dort weiterhin „nur“ Pflichtschullehrer ein. „Leider geht es nicht anders“, sagt dazu im „Presse“-Gespräch Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ). Die NMS-Förderung des Bundes gebe es in solchen Fällen trotzdem.

Schmied: „Übergangsperiode“

Österreichweit sind es laut Ministerium aktuell 22Prozent aller NMS, in denen trotz anderer Vorgaben „nur“ Hauptschullehrer unterrichten. Schmied spricht hier von einer „Übergangsperiode von wenigen Jahren, in der nur Pflichtschullehrer im Einsatz sind“. Bald käme aber die Lösung: ein völlig neuer Lehrertyp, der „Sekundarstufe-I-Lehrer“ für alle Zehn- bis 14-Jährigen. Darauf arbeite sie, Schmied, mit Wissenschaftsministerin Beatrix Karl (ÖVP) hin. Dann werde es keine „Lehrerkonkurrenz“ mehr zwischen NMS, AHS und BHS geben, so die Stoßrichtung.

„Standesdünkel“ unter den akademisch gebildeten Lehrern nennt auch der schwarze Pflichtschullehrer-Gewerkschafter Walter Riegler als möglichen Grund, warum AHS- oder BHS-Lehrer nicht an NMS unterrichten wollen. Außerdem gebe es aktuell „enorme Schwierigkeiten“, sogenannte Partnerschulen für NMS zu finden, die AHS- und BHS-Lehrer „verleihen“.

Von den Lehrern, die an Neue Mittelschulen gehen, seien viele vom Konzept nicht überzeugt, berichtet der schwarze AHS-Lehrergewerkschafter Eckehard Quin aus der Lehrerszene. Die Erfahrungen im Alltag würden oft „deutlich von der ministeriellen Propaganda in Hochglanzfoldern abweichen“.

Seit 2008 gibt es NMS in Österreich. Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Josef Pröll (ÖVP) betonten am Dienstag, dass man das System ausbauen wolle.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2011)

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