Schulreform: Androsch verliert Unterstützer

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Der Ex-SPÖ-Vizekanzler Hannes Androsch präsentiert die Punkte des von ihm initiierten Bildungsvolksbegehrens: indirekte Forderung nach Gesamtschule, kein Wort über Uni-Zugang. Die Reaktionen sind verhalten.

Wien. Nach stundenlangen Vernetzungstreffen, umfassenden Grundsatzdebatten und einigen verworfenen Konzepten war es am Donnerstag so weit: Ex-SPÖ-Vizekanzler Hannes Androsch präsentierte unter großem Medienandrang den (vorläufigen) Text seines Bildungsvolksbegehrens. Unter dem Motto „Österreich darf nicht sitzen bleiben“ hat Androsch – der sich von Mitinitiator Bernd Schilcher als „Österreichs Bildungs-Terminator“ betiteln lassen musste – gemeinsam mit Experten und Vertretern des Systems einen Forderungskatalog zur Reform des Bildungswesens zusammengestellt.

Im Zentrum stehen dabei die (allerdings nicht explizit erwähnte) Gesamtschule, die Ganztagsschule sowie die Forderung nach mehr Geld für den Hochschulsektor. Einigen konnte man sich schließlich auf zwölf Punkte:
•Autonome Schulen. Das Unterrichtsministerium solle nur die Bildungsziele vorgeben und für Qualitätssicherung zuständig sein. Die Bezirks- und Landesschulräte will Androsch ganz abschaffen. Dafür erhalten die Schuldirektoren mehr „Gestaltungsflexibilität“.
•Kindergartenreform. Alle Kindergärtner sollen künftig die gleiche universitäre Ausbildung erhalten wie Lehrer. Kindergärten sollen von der Landes- in die Bundeszuständigkeit kommen.
•Ganztägige Betreuung. Bereits im Kindergarten sollen Ganztagsangebote ausgebaut werden, um berufstätige Eltern zu entlasten.
•Talente fördern. Das Bildungssystem solle besser auf Schwächen und Stärken des Einzelnen eingehen. Der Unterricht müsse vielfältiger werden: weg von der 50-Minuten-Einheit hin zu selbstständigem, kreativem Lernen.
•Kein Sitzenbleiben. Durch modularen Unterricht und Kurssysteme solle „Sitzenbleiben“ der Vergangenheit angehören. Das Wiederholen von Klassen sei „kein Zeichen einer guten Schule“, so Schilcher. Auch die Nachhilfe – für die Eltern jährlich 140 Millionen Euro bezahlen – soll überflüssig werden.
•Ganztagsschule. Die achtstündige verschränkte Ganztagsschule (in der sich Unterricht, Sport und Spielen abwechseln) solle die Regel werden.
•Gemeinsame Schule. „Wir fordern ein sozial faires Bildungssystem, in dem die Trennung der Kinder erstmals am Ende der Schulpflicht erfolgt“, heißt es im Positionspapier. Den Begriff der „gemeinsamen Schule der Zehn- bis 14–Jährigen“ (oder gar jenen der Gesamtschule) hat Androsch umschifft: „Wir wollten keine Reizwörter einbauen.“
•Aufwertung der Lehrer. Lehrer sollen moderne Arbeitsplätze und Unterstützung durch Psychologen und Sozialarbeiter erhalten. Von Verwaltungstätigkeiten müsse man sie ganz befreien. Androsch fordert ein „einheitliches Dienst- und Besoldungsrecht des Bundes“ sowie eine verbesserte Aus- und Weiterbildung für Lehrer.
•Finanzplan für die Unis. Ebenfalls in den Forderungskatalog geschafft hat es die Erhöhung der Hochschulbudgets auf zwei Prozent des BIPs bis 2020. Zudem fordern die Initiatoren Studienplatzfinanzierung.
•Mehr Absolventen. Die Zahl der Uni-Absolventen solle bis 2020 auf 40 Prozent eines Jahrganges erhöht werden. Derzeit liegt Österreich bei 22 Prozent, der OECD-Schnitt liegt bei 36 Prozent.
•Lebenslanges Lernen. Die staatlichen Mittel für die Erwachsenenbildung sollen angehoben werden.
•„Weltoffenheit“. Die Initiatoren plädieren für ein Schulsystem, das „kulturelle Vielfalt als Bereicherung ansieht“ und auch Migranten faire Bildungschancen eröffne.

Die Reaktionen auf den Zwölf-Punkte-Katalog waren eher verhalten. Kritisiert wurde nicht der Inhalt, sondern das Fehlen wichtiger Forderungen. Der grüne Bildungssprecher Harald Walser will Androsch nicht unterstützen, falls die Forderung nach einer Gesamtschule weiter verwässert werde, sagt er zur „Presse“. Auch die ÖH, die den Vorstoß grundsätzlich begrüßt, will wegen zu „schwammiger Formulierungen“ nicht für Androsch mobilisieren. FPÖ und BZÖ reagieren ebenfalls abwartend.

Probleme mit der Finanzierung?

Uni-Ministerin Beatrix Karl will anders als Claudia Schmied (SPÖ) nicht unterschreiben: Die wichtigen Themen Studiengebühren und Zugangsregeln seien nicht enthalten. Zudem sehe sie die Regierung „eher als Adressatin denn als Absenderin“ eines Volksbegehrens.

Auch die Finanzierung dürfte schwierig werden: Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl hat bereits am Mittwoch abgewinkt: Er sei ein „Umsetzer“, Androsch nur „das schlechte Gewissen von außen“. Auch die Industriellenvereinigung dürfte nicht mitzahlen. Androsch rechnet mit Kosten von 2,5 Millionen Euro. Seine Firmen würden einen Beitrag leisten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2011)

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