Bildungsforscher: Zentralmatura bringt mehr Schummeln

Bildungsforscher Zentralmatura bringt mehr
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Die Zentralmatura bringe keine fairere Beurteilung, aber mehr Schummeln und mehr soziale Ungerechtigkeit, kritisiert Bildungsforscher Hopmann. Dass sie dennoch eingeführt wird, sei typisch für Österreich.

Mehr Qualität, Vergleichbarkeit und Fairness soll die Zentralmatura laut Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) ab 2013/14 an den AHS bzw. 2014/15 an den berufsbildenden höheren Schulen (BHS) bringen. Laut Bildungswissenschafter Stefan Hopmann von der Universität Wien kann die Zentralmatura solche Versprechen aber gar nicht einhalten. "Es ist eine Pseudoobjektivierung, die den Leistungsstarken nichts macht, aber nach allen Erfahrungen in den mittleren und unteren Gruppen einen ziemlichen Flurschaden anrichtet", warnt er.

Er sei kein prinzipieller Gegner von Tests im Abschlussjahr, betont Hopmann. "Wenn man das Geld hat, kann man das gerne machen." Es sei jedoch ein Irrglaube, man könne mit einer Zentralmatura die Qualität oder die Vergleichbarkeit der Leistungen verbessern. Das Gegenteil sei der Fall und als "Campell's Law" bekannt: Bei zentralen Fragestellungen sei die Wahrscheinlichkeit, dass geschummelt wird, höher. Gleichzeitig habe die Forschung gezeigt, dass das Spontanurteil von Lehrern immer noch treffsicherer sei "als irgendwelche zentral verordneten Tests", so der Bildungsforscher.

Keine Gerechtigkeit

Auch in punkto Fairness bringe eine Zentralmatura nichts: "Noten sind unfair, zentrale Test sind aber auch unfair. Die sind nur unterschiedlich unfair", betonte Hopmann. Gute Schüler würden auch bei der Zentralmatura gute Leistungen liefern. Schüler aus dem mittleren und unteren Leistungsspektrum hätten indes nicht die Bandbreite an Wissen, um jede Frage zu beantworten - außer ihr Unterricht habe zufällig die abgefragten Bereiche behandelt. Mittelfristig bewirken zentrale Tests laut Hopmann sogar das Gegenteil von Gerechtigkeit, denn in Ländern mit solchen Systemen gebe es immer einen rasch expandierenden "Shadow-Education-Sektor", also Nachhilfe, die sich allerdings nur Schüler aus sozial bessergestellten Familien leisten können.

Kompetenzorientierter Unterricht könne daran nichts ändern, denn "Unterricht ist nun mal sehr unterschiedlich". Zentrale Tests würden daher nur "den mehr oder weniger zufälligen Match oder Mismatch von Unterricht" messen, so Hopmann. "Das taugt nicht, um eine individuelle Diagnose zu machen, wie gut Schüler Mathematik können." Das "Gerechtigkeitsproblem" bei der Notengebung könne nur gelöst werden, indem die Schulen an der Qualitätssicherung des Unterrichts und an der Beurteilungspraxis vor Ort arbeiten.

Typisch für Österreich

Dass Österreich dennoch auf die Zentralmatura setzt, findet Hopmann typisch für das Land: "Ich kann nachweisen, dass die Notenvergabe sehr unterschiedlich ist, um es höflich zu formulieren. Daraus folgt aber nicht, dass ein zentralisiertes System gerechter wäre. Da wird immer geglaubt, weil das eine System bestimmte Fehler hat, hätte das Alternativsystem diese Fehler nicht. Aber das ist ein falscher Kehrschluss."

(APA)

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