Wenn Lehrer über Migranten lachen

Wenn Lehrer ueber Migranten
Wenn Lehrer ueber Migranten(c) Clemens Fabry
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Ein AHS-Lehrer veröffentlicht auf Facebook einen Ausländerwitz. Die Empörung ist groß. Eine Studie zeigt, dass der Schulalltag bei steigendem Migrantenanteil immer öfter zur Herausforderung wird.

Wien. „Wie bringt man mehr Leute mit sogenanntem Migrationshintergrund an höhere Schulen? Man muss ihnen Schulwartsposten geben. Dann können sie an jedem Abend völlig zu Recht behaupten, dass sie die Schule abgeschlossen haben.“

Es ist ein etwas geschmackloser Witz, den Martin F. im Zuge der PISA-Debatte auf der Online-Plattform Facebook veröffentlicht hat. Für ihn hatte er ungeahnte Folgen. Denn: Martin F. ist Religions- und Lateinlehrer an zwei Wiener Schulen. Seine Schüler fanden seinen Kommentar auf Facebook. Und waren wenig begeistert. Nicht nur an F.s Schulen, dem BRG Schopenhauerstraße und dem Akademischen Gymnasium, sorgte die Äußerung für Unmut. Sie brachten ihm zudem eine Vorladung beim Stadtschulrat ein.

Auch am BRG Schopenhauerstraße wurde eine Versammlung einberufen. Martin F. entschuldigte sich bei den Schülern, viele davon haben Migrationshintergrund. Es sei ein „lustiges Wortspiel“ gewesen und nicht mehr, meint der Lehrer. Für Direktor Peter Brugger war dieses „Wortspiel“ aber „denkbar ungünstig gewählt“. Die Schule bemühe sich sehr „Integration zu leben“, betont Brugger. Man dürfe die Äußerung von Martin F. nicht als „dummen Scherz“ verharmlosen, sagt Reinhart Sellner, Lehrer und Personalvertreter an der Schule. Martin F. selbst wollte zu den Vorwürfen auf Anfrage der „Presse“ nicht Stellung nehmen.

Auch der Direktor des Akademischen Gymnasiums, Klemens Kerbler, wollte den Vorfall nicht kommentieren. Nur so viel: Es liege jetzt im Ermessen des Landesschulinspektors, Konsequenzen zu ziehen, hieß es aus der Direktion. Und auch am Schopenhauer Gymnasium haben sich die Wogen bereits wieder geglättet, so Direktor Brugger. Martin F. teilt (abermals) via Facebook mit, dass sein Scherz, der seine Befürchtung ausdrückte, dass Alibimaßnahmen nach PISA nicht mehr als schöne Worthülsen sein würden, gründlich missverstanden worden sei.

Ob ein Missverständnis oder nicht – das Thema sorgt gerade heute, da die Integration zu einer der großen Herausforderungen im Schulwesen geworden ist, für Aufregung. Was oft vergessen wird: Lehrer, die in Klassen mit sehr hohen Migrantenanteil unterrichten, sehen sich mit gänzlich neuen Herausforderungen konfrontiert. Sie sind plötzlich nicht nur Wissensvermittler, sondern auch Vermittler zwischen Kulturen.

Oder sollte es zumindest sein. Auch Sprachbarrieren machen zu schaffen. Laut einer Studie zum Thema „Migration und Schulrealität“ sind Lehrer auf diese Herausforderungen schlecht vorbereitet. Die unter mehr als 300 Volksschullehrern durchgeführte Studie zeigt, dass „für professionelles Unterrichten in Klassen mit Migrationskindern innerhalb der ersten vier Prüfungsjahre zu wenig fundiertes Wissen vorhanden ist“, sagt Studienautorin Elisabeth Furch von der PH Wien, zur „Presse“.

„Nur geringer Wissensstand“

Dabei halten es 86 Prozent der Befragten selbst für notwendig, den Unterricht an die Bedürfnisse von Migranten anzupassen. Die Mehrheit glaubt auch, über die im Schulunterrichtsgesetz vorgesehenen Integrations- und Fördermaßnahmen gut Bescheid zu wissen. Dem widerspricht die Studie: Das Gros der Befragten hat einen „geringen tatsächlichen Wissensstand“.

Für die Autorin sind zwei Dinge wesentlich: Zum einen fordert sie, dass sich Lehrer gegenüber Migranten öffnen. „Als Lehrperson muss man das Know-How der Kinder, das Beherrschen einer Zweitsprache, schätzen.“ Es gehe nicht darum, die Sprachen selbst zu lernen, aber es solle Interesse am „Interkulturellen Lernen“ bestehen. Zudem fordert Furch den Ausbau der Fortbildungsangebote. „Jeder Manager wird für sein Berufsfeld fit gemacht, bei Lehrern hat man das verabsäumt.“ Schulungen im Bereich Integration sollten kostenlos sowie während der Schulzeit stattfinden.

An der PH Wien wird derzeit über die Einrichtung eines Kompetenzzentrums für Mehrsprachigkeit und Migration diskutiert. Eine finanzielle Unterstützung von Seiten des Ministeriums gibt es dafür nicht, kritisiert Furch. „Ein kompetenter Umgang mit dem Thema Migration in der Schule ist bisher verabsäumt worden.“

Erste Schritte gibt es bereits: Seit dem Jahr 2008 besteht eigene eine Abteilung für „Migration, interkulturelle Bildung und Sprachenpolitik“ im Ministerium. Zudem gibt es Initiativen, durch die versucht wird, Migranten für den Lehrerjob zu gewinnen.

Martin F. wartet jedenfalls auf seinen Termin beim Stadtschulrat. Morgen, Dienstag, soll es zur Aussprache kommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2010)

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