Die Bibliothek: Endstation für hunderttausende Arbeiten

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

An der Uni Wien lagern 77.200 Arbeiten, an der WU werden pro Jahr 15.000 entlehnt, an der TU Graz gibt es sogar noch handgeschriebene.

Wien. Es gibt eine Frage, die dürfte Studierende schon immer beschäftigt haben: Welche Jobchancen habe ich nach meinem Studium? Nicht anders ist es zu erklären, dass die älteste Diplomarbeit, die in der Universitätsbibliothek der Uni Wien lagert, ausgerechnet den Titel „Zur beruflichen Situation österreichischer Hochschulabsolventen“ trägt.

Seither – also seit 1975 – haben sich Studierende aber auch viele andere Forschungsfragen gestellt. So lagern heute exakt 77.237 Diplom- und 1970 Masterarbeiten in der größten Uni-Bibliothek des Landes. Und: Es werden jährlich mehr. Der Bestand wächst pro Jahr um 5400 Diplom- und 1200 Masterarbeiten. Sie bleiben dort übrigens für immer.In diesem großen Fundus können nachkommende Studentengenerationen stöbern. Recherchiert wird aber ohnehin häufig in ähnlichen Themenbereichen: Werbung und Journalismus sind an der Uni Wien die Topthemen. So tragen die meistentlehnten Diplomarbeiten seit 1999 Titel wie „Geschlecht und Werbung“ (1994), „Ethik und investigativer Journalismus“ (2001) sowie „Qualitätskriterien im Online-Journalismus“ (2002).

Dass das Entlehnen von Diplomarbeiten immer noch eine häufig genutzte Recherchequelle ist, zeigt die Statistik der Wirtschaftsuni Wien (WU). Rund 37.380 Diplomarbeiten lagern dort, die Zahl der Entlehnungen ist mit rund 15.000 pro Jahr ziemlich hoch. An der Technischen Uni Graz lagern 18.728 Arbeiten. In den vergangenen vier Jahren wurden im Durchschnitt 2000 pro Jahr mit nach Hause genommen. An der TU dominieren dabei freilich andere Themen als an der Uni Wien. Die beiden meistentlehnten Arbeiten stammen aus der Architektur. Das Entlehnverhalten kann also präzise Auskunft über besonders begehrte Studienrichtungen geben.

Das Verfassen einer Diplomarbeit wurde übrigens erst Mitte der 1970er Jahre verpflichtend. Davor gab es etwa sogenannte Staatsprüfungsarbeiten. An der TU Graz sind noch zwei handgeschriebene Staatsprüfungsprotokolle aus dem Jahr 1900 vorhanden.

Die technische Entwicklung hat auch vor den Diplomarbeiten nicht haltgemacht. Von rund 30.000 Titeln, die an der Uni Graz lagern, sind etwa 3500 auch online abrufbar. An der TU Wien werden bereits deutlich mehr Diplomarbeiten heruntergeladen als entlehnt. 12.000 Downloads stehen 2500 traditionellen Entlehnungen gegenüber.

Einen lückenhaften Bestand an Hochschulschriften hat die Nationalbibliothek. Durch die zahlreichen Gesetzesänderungen wurde teils gesammelt und teils nicht. Die Folge: Die Nationalbibliothek stellte fest, dass sie manche Arbeiten gar nicht besitzt – so die Dissertation von Kurt Waldheim mit dem Titel „Die Reichsidee bei Konstantin Frantz“ (1944). Das ließ die Nationalbibliothek nicht auf sich sitzen: Sie fertigte eine Kopie des Originals aus der Uni-Bibliothek an. (j. n.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.