Individueller Bachelor: Studium zum Selberbasteln

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Kaum jemand kennt es, kaum jemand macht es: Sich selbst ein Studium zusammenzustellen ist eine Menge Arbeit. Kann aber auch erfolgreich sein.

Graz. Noch nie etwas vom Studium interdisziplinäre Biologiegeschichte und Biowissenschaftsgenese gehört? Kein Grund, sich zu schämen. Denn dieses Fach gibt es nur einmal. Oder präziser: Es gibt in ganz Österreich nur einen einzigen Studenten, der es belegt hat. Florian Meixner. Während es für die meisten schon herausfordernd genug ist, sich im bestehenden Angebot zurechtzufinden, hat sich der 22-Jährige kurzerhand sein eigenes Studium zusammengezimmert.

Wobei es auch in seinem Fall der Tatsache geschuldet war, dass die existierenden Studien nicht so recht passen wollten. Zunächst inskribierte er Biologie und Geschichte. „Ich bin aber recht rasch draufgekommen, dass ich nicht Naturwissenschaftler genug bin, um das Biologiestudium durchzuziehen.“ Geschichte allein erschien ihm nicht sinnvoll, beides parallel wiederum ineffizient. Also etwas eigenes: Wissenschaftsgeschichte.

Florian Meixner gehört zu einer raren Spezies. Nur 0,25 Prozent – exakt 80 der rund 31.500 Studierenden an der Uni Graz, an der Meixner studiert – sind für ein echtes individuelles Studium eingeschrieben (siehe Faktenbox). An anderen Unis ist der Anteil sogar noch niedriger. Individuelle Studien, ehemals Studium irregulare genannt, muten vor allem in Zeiten von Bologna skurril an. Tatsächlich gibt es sie an den heimischen Unis seit 1966: Studierende können aus dem kompletten Lehrangebot aller heimischen Universitäten schöpfen, um sich ihr Fach nach eigenen Vorstellungen zusammenzustellen. Freilich nicht völlig frei: Es braucht das Okay durch die Studienprogrammleitung. Und dafür nicht nur einen klingenden Namen. Das Fach muss wissenschaftlich sinnvoll sein, der Aufwand vergleichbar mit dem eines regulären Studiums. Es braucht ein Qualifikationsprofil und natürlich einen detaillierten Studienplan. Und es sollte keinen anderen, einfacheren Weg geben, um zum Ziel zu gelangen: über Wahlfächer etwa.

Bürokratie und Studienrecht

Florian Meixner durchforstete dafür fast ein Semester lang nebenbei bestehende Studienpläne und Vorlesungsverzeichnisse, er klärte bürokratische Fragen und vertiefte sich in studienrechtliche Details. Was macht einen Studienabschnitt zum Studienabschnitt? Was ist eine Eingangsphase? Und: Brauche ich all das eigentlich? „Ein ziemlicher Aufwand“, sagt er. „Aber andererseits ist man als Studienanfänger sowieso mit einer solchen Fülle an neuen Informationen konfrontiert – da war das auch schon wurscht.“ Sein Fach besteht nun aus zwei Blöcken – Geschichte und Biologie –, aufgefüllt mit Lehrveranstaltungen etwa aus Philosophie oder den Erdwissenschaften, die irgendwie mit Wissenschaftstheorie und -geschichte zu tun haben. Auch ein Job hat sich bereits ergeben: an der Uni.

Seinen Master, der nun ansteht, will Meixner übrigens nicht mehr individuell gestalten: Er will den regulären Geschichtemaster anschließen. So das klappt. Denn der größte Nachteil am individuellen Studium ist: Nachdem man der Einzige ist, wissen auch die zuständigen Stellen oft nicht sofort, wie sie mit einem umgehen müssen, was erlaubt und was nicht möglich ist. (beba)

AUF EINEN BLICK

Individuelle Studien können aus dem gesamten Lehrangebot österreichischer Unis zusammengestellt werden. Manche davon etablieren sich und sind dann nur noch formell individuell, wie die Internationale Entwicklung an der Uni Wien: Studierende reichten dafür lange Zeit einen vorgefertigten Studienplan ein, bis das Fach (zumindest einige Jahre lang) zum regulären Bachelor wurde. Auch das Studium der Landschaftsökologie an der Wiener Boku ist so entstanden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2014)

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