Ich glaube, daher studiere ich – oder?

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Wie ist das, wenn man Islamwissenschaft, Katholische Theologie oder Judaistik studiert? „UniLive“ hat drei Studenten gefragt.

„Natürlich liest man den Koran“

Wenn ich erzähle, wohin mich Uni-Exkursionen führen, sind viele Leute erstaunt: Ich war etwa im Nordirak und in Saudiarabien. Da fragen schon viele, warum man dort hinfährt – gerade als Frau. Aber einen Einblick in diese Länder zu bekommen ist fundamental, wenn man Islamwissenschaften studiert.

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Ich stehe kurz vor dem Masterabschluss an der Uni Wien. Da bin ich eine von sehr wenigen: In meinem Jahrgang sind wir ungefähr zwei Handvoll Studierende, ganz bunt durchgemischt: Es gibt Frauen mit und Frauen ohne Kopftuch, Muslime, Atheisten, Christen.

Ich bin Christin, ich hatte aber schon sehr früh Kontakt zur islamischen Welt: Die ersten Lebensjahre habe ich in Marokko verbracht, wo mein Vater gearbeitet hat. Auch das Interesse hat sich rasch entwickelt. Meine Maturafachbereichsarbeit habe ich über die Stellung der Frau im Islam geschrieben. Ich finde es sehr wichtig, sich mit dem Islam auseinanderzusetzen, man weiß ja relativ wenig darüber. Gleichzeitig ist die islamische Welt politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich relevant – sowohl in Europa als auch im internationalen Kontext.

Natürlich liest man im Rahmen des Studiums auch den Koran. Ich habe ihn auf Deutsch gelesen und Passagen auch auf Arabisch. Aber Glaube spielt keine Rolle. Das Studium ist ein rein wissenschaftliches. Der islamistische Terror? Er hat natürlich etwas mit dem Islam zu tun. Aber es gibt eben nicht den einen Islam. Eine kleine Minderheit nimmt da für sich in Anspruch, die wahre Religion gefunden zu haben.

Ich habe mich auf das islamische Recht spezialisiert, ich studiere auch Jus. In diese Richtung könnte es auch beruflich gehen: Mich reizen der öffentliche Bereich oder internationale Organisationen.

Carola Schwarzlmüller (25) studiert das Masterstudium Islamwissenschaften (Uni Wien). (beba)

„Glauben durchs Studium gefunden“

Eigentlich ist es ein Zufall, dass ich katholische Theologie studiere. Mit meinem alten Studium, Chemie, bin ich nicht zurechtgekommen. Daher wollte ich ein neues Lehramtsfach wählen, um mein anderes Fach Mathematik nicht aufgeben zu müssen. Am liebsten würde ich später beide Fächer unterrichten. Theoretisch könnte ich aber auch Religion allein lehren.

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Auf Theologie bin ich gestoßen, weil ich ein Studium mit einer klaren Struktur gesucht habe. Die Vorlesungen haben mir letztendlich so gut gefallen, dass ich mich inskribiert habe. Vor vier Jahren habe ich begonnen und stehe jetzt kurz vor meinem Diplom. Es ist also ziemlich gut gegangen.

Was mir besonders gefällt, ist, dass Theologie kein Fachstudium ist, bei dem man nur Inhalte lernt. Es betrifft jeden. Das Studium wirkt sich auf die Stimmung aus, auf das Handeln und die eigenen Perspektiven. Es ist kein reines Studieren, sondern man muss wirklich dahinterstehen.

Ob man für das Theologiestudium gläubig sein muss? Viele, die nicht Lehramt studieren, sind nach dem Studium in der Seelsorge tätig. Ohne gläubig zu sein, würde man das nur schwer schaffen.

Meinen Glauben habe ich während des Studiums gefunden. Durch wissenschaftliche Bearbeitung, Philosophie und Bibelexegese habe ich erfahren: Was kann die Bibel aussagen? Was meint Ethik? Das hat mich am meisten geprägt.

Wenn ich erzähle, dass ich Theologie auf Lehramt studiere, wird es neutral oder positiv aufgefasst. Auch von kirchenkritischen Leuten habe ich noch nie etwas Negatives gehört. Bei Mathematik sieht das anders aus. „Wie kann man das nur machen?“, höre ich dann immer.

Dominik Hörmandinger (25) studiert Theologie und Mathematik/ Lehramt an der Uni Wien. (maka)

„Lernen keine religiösen Regeln“

„Ah, du studierst Jus?“, höre ich immer wieder, wenn ich von meinem Studium erzähle. Nein, nicht Jus – Judaistik. Mein Fach ist den meisten nicht wirklich geläufig.

Ich bin zwar selbst Jüdin, aber ich habe mich nicht eingeschrieben, um mehr über meine Religion zu erfahren – aber schon, um mehr über die Geschichte meines Volkes zu lernen. Denn auch, wenn man sein Leben lang Jüdin ist, weiß man ganz vieles nicht. Ja, man kennt die Feiertage, man weiß über Israel Bescheid. Aber wie hat sich das Judentum entwickelt, wie war es im Mittelalter, wie hat jüdisches Leben in Wien ausgesehen? Das habe ich großteils erst im Studium gelernt.

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Ein Missverständnis gibt es: Judaistik ist kein Religionsunterricht, sondern ein historisches und kulturwissenschaftliches Studium. Jemand, der sich mit Gott, Religion und Gebeten befassen will, wird nicht viel darüber erfahren. Wir beschäftigen uns zwar mit der Thora, aber nicht damit, warum man diese oder jene Regel einhalten soll. Wir lernen nicht dauernd über Feiertage, Abraham oder Moses. Es geht um die Geschichte der Juden, so würde ich es definieren. Und die Judaistik vermittelt hier sicher nicht die religiöse Version. Wenn es um Israel geht, ist nicht vom gelobten Land die Rede, sondern geht es um die historischen Tatsachen.

Ich selbst bin nicht sehr religiös – und für mich widersprechen sich Religion und Wissenschaft nicht. Generell sind die jüdischen Studierenden an der Judaistik eher in der Minderheit.

Beruflich will ich in den Kulturbereich gehen. Ich arbeite schon derzeit als Guide im Jüdischen Museum. Ich finde, dass das Judentum öffentlich gemacht werden muss. Denn die Leute wissen viel zu wenig darüber.

Jenny Mitbreit (20) studiert im vierten Semester Judaistik an der Uni Wien. (beba)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2015)

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