Johann Kastner: „Was kann es? Wofür ist es gut?“

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Vorlesungen, Prüfungen . . . war da nicht noch etwas? Aber ja: forschen. Professor Johann Kastner über studentische Neugiernasen, Teamwork und Ethik.

Warum interessieren Sie sich für Forschung? Was ist so faszinierend daran?

Johann Kastner: Es gibt immer etwas Neues. Man hat immer wieder mit anderen Dingen zu tun und mit neuen Herausforderungen. Es gibt wenig Routine. Und weil sich moderne Forschung im Team abspielt, mit vielen Kooperationspartnern, lernt man auch immer wieder neue Leute kennen. Man arbeitet gemeinsam an einem Ziel: an einem neuen Produkt, an einer neuen Idee oder an einem neuen Verfahren.

Welcher Bereich ist am spannendsten?

Erfeulicherweise das, was ich mache: Röntgencomputertomografie für industrielle Anwendungen. Nun gibt es immer bessere Geräte und damit Möglichkeiten, Werkstoffe etwa für Flugzeuge oder Implantate für die Medizin zu optimieren. Wir können 3-D-Bilder von den Materialien machen, und so gezielt Änderungen vornehmen, etwa das Material für Flugzeuge leichter zu machen oder Implantate haltbarer.

Forschen Studenten gern? Gibt es anfangs Berührungsängste?

Das ist selten. Die meisten Studenten sind sehr interessiert an Weiterentwicklungen. Welche Bereiche es gibt und welche Anwendungen, wie man zu neuen Produkten kommt oder Geschäftsfeldern. Generell liegt die Faszination sicher darin, dass die eigenen Beiträge der Studenten für das große Ganze wichtig sind, auch wenn sie anfangs noch klein sind. Man kann endlich einmal wirklich etwas mitgestalten, das freut viele.

Gibt es unter Studenten den typischen Forscher, ein echtes Forschernaturell?

Das gibt es. Neugierige, offene Personen, die nicht nur fachlich interessiert sind, sondern auch kooperativ und teamfähig. Und sie sind hartnäckig. Geben nicht gleich auf, wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, neue Ideen wichtig werden oder alte wegfallen.

Was macht einen guten Forscher eigentlich aus?

Ein fachlich extrem guter Forscher, der glaubt, er kann eh alles am besten, ist kein guter. Man muss seine Arbeit immer kritisch reflektieren und mit anderen diskutieren können und wollen, denn Forschung ist immer work in progress, eine Entwicklung. Die muss man zulassen und fördern und nicht eitel sein. Man muss offen sein für Neues, nicht nur in Hinblick auf Forschungsergebnisse, sondern auch auf Kooperationen, Teams, Menschen und Ideen.

Was macht gute Forschung aus? Wie gelingt sie?

Es braucht fähige Menschen, gute Ausstattung, gute Kooperationspartner aus Wissenschaft und Wirtschaft, um sich gegenseitig optimal ergänzen zu können. Denn mit den passenden Partnern bündeln sich die richtigen Kompetenzen. Natürlich muss auch die Chemie stimmen, man muss die gleiche Sprache sprechen. Gute Forschung schafft neues Wissen und neue Anwendungsfelder über den aktuellen Stand hinaus.

Wissen wir denn nicht längst genug?

Nein, das tun wir nicht. Wenn wir heute aufhören würden, an Hochschulen zu forschen, hätten wir in zehn Jahren einen miserablen Lebensstandard. Eine Stagnation der Forschung wäre ein sofortiger Rückschritt, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Wir wissen noch viel zu wenig, denn alles wird immer komplizierter, teurer und aufwendiger, und das ist einerseits anstrengend. Aber das macht andererseits auch die Hürden für die Konkurrenz, vor allem aus China, sehr hoch.

Können wir mit dem neuen Wissen überhaupt adäquat umgehen?

Generall ja. Bereiche wie Gentechnik, Kerntechnik und künstliche Intelligenz sind natürlich sehr heikel. Hier bin ich mir nicht immer sicher, ob wir ethisch handeln. Wir müssen schon aufpassen, dass es nicht falsch läuft.

Lernen Studenten auch Ethik in der Forschung?

Sie lernen, kritisch zu sein, die Arbeit und sich selbst immer wieder zu hinterfragen und andere Meinungen als Input zu sehen und nicht als Angriff. Idealerweise bringt es einen dazu, grundsätzlich nicht einfach alles so hinzunehmen, sondern selbst darüber nachzudenken, zu hinterfragen: Was kann es? Wofür ist es gut? Welche Probeme könnte es mit sich bringen?

Was würde passieren, wenn Studenten keine Möglichkeiten zur Forschung mehr hätten?

Oje! Österreich braucht Menschen, die neue Herausforderungen lieben. Kreative, innovative Menschen. Studenten sollen möglichst früh Zugang zur Forschung haben, damit sie sehen, wie viele Bereiche und Facetten es gibt. Ich spreche ja immer vom technischen Bereich, weil ich von dort komme. Aber für unsere Gesellschaft sind alle Sparten wichtig, auch wenn sie sich nicht unmittelbar in der Wirtschaft niederschlagen. Es geht um Kooperationen mit anderen Hochschulen, auch in anderen Ländern, um Forschergeist, von dem wir noch viel mehr brauchen können. Und es braucht Geld dazu.

Welche Möglichkeiten gibt es?

Da sind natürlich die Forschungsförderungsgesellschaften, die Länderförderungen und auch einiges an EU-Geld. Zudem gibt es natürlich Kooperationen mit Unternehmen.

Gibt es da keine Interessenkonflikte?

Wenn Unternehmen bestimmen, was gemacht wird, und die Hochschule oder das Institut wie ein Auftragnehmer agiert, dann geht das natürlich nicht. Aber mehrere Kooperationspartner aus der Wirtschaft, gemeinsam mit öffentlichen Geldern, das ergibt eine gute Mischung. Und diese verlangt auch nach publizierten Ergebnissen, sodass es auch eine Kontrolle darüber gibt, was mit dem Geld genau gemacht wurde und welche Ergebnisse vorliegen.

Was sollte verbessert werden, damit sie noch besser werden kann?

Wir von den FH wünschen uns natürlich eine Grundförderung für alle Hochschulen. Und mehr Kooperationen zwischen den Hochschulen untereinander, Uni und Uni, FH und FH, Uni und FH. Hier kann das Wissenschaftsministerium durchaus merh Anreize setzen, etwa bei der gemeinsamen Gerätenutzung. Nicht jeder braucht ein Elektronenmikroskop für sich allein.

Zur Person

Johann Kastner ist Autor und Leiter der FH OÖ Forschungs- & Entwicklungs-GmbH. Ein Studium ohne Forschung wäre für ihn undenkbar. Nirgendwo sonst lerne man Offenheit und kritisches Denken besser als in einem Prozess, in dem man im Team Neues anstrebt.

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