„Ein Mercedes ist echt unbequem“

Halil fährt neben dem Studium Taxi. Seitdem flucht er viel.

Böse Zungen würden sagen, Halil übt schon einmal für die Zeit nach dem Studium. Ruft man 40100, steht vielleicht er vor der Tür. Der angehende Politikwissenschaftler finanziert sein Studium als Taxifahrer. Seit sieben Jahren fährt der 27-Jährige fast jeden Tag mit dem gelben Taxischild am Auto durch Wien. „Mindestens 40Stunden pro Woche“, sagt er. Wie man bei dem Arbeitspensum noch studieren kann? „Das geht nur mit Taxifahren“, sagt er. In keinem anderen Job sei man so flexibel.

Das Auto, „leider ein sechs Jahre alter Mazda“, steht immer vor seiner Tür. In der Früh steht Halil auf, arbeitet ein paar Stunden. Dann geht er auf die Uni. Nach Seminaren und Vorlesungen steigt er wieder ins Taxi und fährt oft bis neun Uhr abends weiter. Auch Freitag- und Samstagnacht sind Pflicht. „Das bringt am meisten Geld“, sagt Halil. Vor allem das Trinkgeld zählt. An die hundert Euro pro Woche sind das – manchmal wesentlich mehr. „Mein Rekord liegt bei 44,60Euro – für eine einzige Fahrt“, sagt Halil.

Dafür muss er auch einiges aushalten. Arbeiten, wenn die anderen feiern. Schnapsleichen nach Hause chauffieren. Erbrochenes im Taxi. Oder mehrere Burschen, die einen anderen vom Club Couture bis ins Auto verfolgen – und im Eifer des Gefechts die Hintertür des Wagens komplett verbeulen.

„Ich fluche viel mehr“

„Ich fluche viel mehr, seit ich in der Nacht arbeite“, sagt Halil grinsend. Aber die Nächte seien nicht das Anstrengendste. Das seien die Wartezeiten. An guten Tagen sind das einige Minuten, an schlechten Tagen können das auch zwei Stunden am Stück sein. Hart sei das vor allem im Sommer, in der Hitze. „Bei langen Stehzeiten könnte sich das Lernen schon auszahlen“, meint Halil. „Aber ich hab da einfach keine Konzentration.“ Nach einem Tag im Taxi sei er dann auch „fertig“. Vor allem über das Sitzen jammert Halil. Mit 27 hat er schon Bandscheibenprobleme. „Obwohl ich mit meinem Mazda Glück habe“, sagt er. „Wahnsinn, wie unbequem ein Mercedes ist.“

Zwischendurch hat er sich einmal als Kellner verdingt. „Aber das war nichts für mich.“ Da fährt er lieber Taxi. Und auch wenn sich Halil nach dem Studium in einer anderen Branche sieht: „Der Job ist eine Alternative für immer.“ Sein Kollege Manfred, ebenfalls Student, nickt zustimmend. „Mit einem Taxischein kann man in Wien nicht verhungern.“
www.taxischule.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2011)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Uni Live

„Das Risiko hält sich in Grenzen“

Mit Medikamententests hat Stefan schon gutes Geld verdient.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.