ÖVP-Obmann Michael Spindelegger hat eine Volksbefragung zum Thema Studiengebühren zuletzt beim Ministerrat vor den versammelten Medienvertretern ausgeschlossen. Doch nicht alle in seiner Partei stehen hinter ihm.
Wien/Thea/J.n./Beba/Chs. Schon bei der Wehrpflicht musste er sich dem niederösterreichischen Landeschef Erwin Pröll beugen; bei der Gesamtschule macht ihm derzeit der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter das Leben schwer – und jetzt droht ÖVP-Obmann Michael Spindelegger auch noch in Sachen Studiengebühr Widerstand aus der eigenen Partei: Im Gespräch mit der „Presse“ sprach sich der Wiener ÖVP-Landeschef Manfred Juraczka am Donnerstag für eine Volksbefragung zum Thema Studiengebühren aus. Man solle, sagt Juraczka, „das Volk darüber entscheiden lassen, ob man Studiengebühren einführen soll oder nicht“.
Das Pikante daran: Spindelegger verlautete nur zwei Tage zuvor das genaue Gegenteil. Eine Befragung zu den Studiengebühren stehe „nicht zur Debatte“, verkündete er beim Ministerrat vor den versammelten Medienvertretern.
Juraczka ist unterdessen nicht der Einzige, der seinem Parteiobmann in den Rücken fällt. In der ÖVP mehren sich die Stimmen derer, die trotz der Festlegung Spindeleggers einer Abstimmung nicht abgeneigt wären: „Die Volksbefragung ist für das Thema Bildung geeignet“, sagt etwa ÖVP-Wissenschaftssprecherin Katharina Cortolezis-Schlager. Und: „Studiengebühren gehören da selbstverständlich auch dazu.“ Auch die Salzburger ÖVP ist nicht abgeneigt: „Warum nicht“, fragt Klubobfrau Gerlinde Rogatsch. Sie bevorzuge eine Entscheidung im Parlament. Sollte eine solche nicht zustande kommen, könne man aber das Volk befragen. „Die Lunte brennt, die Unis bräuchten dringend Geld. Deshalb brauchen sie eine rasche Entscheidung“, so Rogatsch.
Abtausch mit SPÖ möglich
Auch innerhalb des schwarzen Regierungsteams sind nicht alle auf Linie: Karlheinz Töchterle, der zwar kein Parteimitglied ist, aber für die ÖVP das Wissenschaftsressort leitet, zeigt sich nicht von vornherein abgeneigt. „Grundsätzlich ist die ÖVP und bin auch ich für die Instrumente der direkten Demokratie und deren Stärkung“, sagt Töchterle. Er schränkt jedoch ein: „Ich bin mir nicht sicher, ob sich Studienbeiträge für eine allgemeine Befragung eignen.“ Er habe einen konkreten Gesetzesvorschlag vorgelegt.
Die Haltung der ÖVP-Funktionäre ist wenig verwunderlich. Ganz neu ist der Vorschlag, zur Studiengebühr das Volk zu befragen, nämlich nicht. Als SPÖ-Geschäftsführerin Laura Rudas Mitte August in der „Presse“ laut über eine mögliche Befragung zu einer Gesamtschule für alle Zehn- bis 14-Jährigen nachdachte, signalisierte die Volkspartei bereits leise Zustimmung. Die Bedingung damals: Auch Uni-Zugang und Studiengebühren müssten in den Fragenkatalog. Es scheint, als wollten sich – anders als Spindelegger – nicht alle von dieser Idee verabschieden.
Umzusetzen wäre eine Befragung zu Bildungsthemen relativ rasch. Rein rechtlich wäre es möglich, das Bildungsthema gemeinsam mit der Wehrpflicht bereits Anfang 2013 abzufragen. Es spräche einiges für diese Lösung: Nach langer Blockade kommt in den Bildungssektor derzeit generell Bewegung. Bei den Verhandlungen zu einer Beschränkung des Uni-Zugangs befindet sich die Koalition bereits auf der Zielgeraden.
Pühringer will AHS bewahren
Geeint scheint die ÖVP unterdessen übrigens in einer anderen Frage. Mit seinem Vorstoß zu einer Gesamtschul-Modellregion dürfte Tirols Landeshauptmann Günther Platter mittlerweile ziemlich allein dastehen. Nach dem klaren Bekenntnis Spindeleggers zum Gymnasium im ORF-Sommergespräch stärken ihm die anderen Landeschefs den Rücken. „Das Gymnasium ist im Aufwind. Wir werden eine begehrte Schulform sicherlich nicht abschaffen“, sagt Oberösterreichs Landeschef Josef Pühringer. Auch in Niederösterreich spricht man sich für den Verbleib der AHS aus. Die Salzburger und die Vorarlberger ÖVP wollen Platters Schulversuch jetzt „genau beobachten“. Nachziehen will man nicht. Noch nicht, zumindest.
Auf einen Blick
Studiengebühren werden derzeit von acht der 21 Unis autonom eingehoben. Das bevorzugte Modell des Wissenschaftsministers: Die Unis sollten (anders als derzeit) auf rechtlich sicherer Basis autonom Gebühren bis zu 500 Euro pro Semester einheben. Die Bundes-SPÖ ist dagegen. In den Ländern ist man offener. Der steirische Landeschef Franz Voves sprach sich für sozial gestaffelte Gebühren aus.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.09.2012)