Plagiatsverfahren: Für Frau Doktor Schavan wird es eng

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Die Uni Düsseldorf eröffnet ein Plagiatsverfahren gegen die Bildungsministerin. Doch Annette Schavan wehrt sich, und wird zu einer Belastung für Merkels Wahlkampf.

Berlin. Wie mahlen die Mühlen der Wissenschaft in Düsseldorf? Unerbittlich oder nur unbeirrbar? Auf jeden Fall langsam: Schon im vorigen April tauchte der Vorwurf auf, Annette Schavan habe bei ihrer Dissertation abgeschrieben. Aber erst jetzt wird es ernst für die Ministerin für Bildung und Forschung: Der Fakultätsrat beschloss ein Hauptverfahren zur Aberkennung des Doktortitels. 14 Mitglieder waren dafür, bei nur einer Enthaltung. Für die Uni Düsseldorf hat sich der Verdacht gegen die CDU-Politikerin erhärtet.

Eine schwere Bürde. Zumal für jemanden, der sich täglich für die Wissenschaft, ihre Ethik und Standards einsetzen muss. Am Mittwoch hielt die Honorarprofessorin ein Seminar an der FU Berlin, dann folgte ein Abendessen mit Wissenschaftsrat und Kanzlerin. Was sagt sie den Studenten, den Professoren, ihrer engen Vertrauen Merkel? „Ich bin überzeugt, dass die unberechtigten Plagiatsvorwürfe ausgeräumt werden“, heißt es in einer Aussendung. Schavan will kämpfen, bei einer Aberkennung auch vor Gericht.

Das kann den Wahlkampf schwer belasten. In der Union bleibt es auffallend still. Nach den Erfahrungen mit Guttenberg will sich niemand weit hinauslehnen. Bevor der Ex-Verteidigungsminister über seine Plagiatsaffäre stolperte, hatten ihn viele wortreich verteidigt. Bis ausgerechnet Schavan gestand: „Ich schäme mich, nicht nur heimlich“ – und den Politstar zum Abschuss freigab. Die CSU hat ihr das nicht verziehen: Nun muss sie sich selbst an ihren strengen Standards messen lassen, heißt es in Bayern hämisch.

Doch auch die Opposition reagiert verhalten. Wohl ist niemandem bei der Causa, die über 30 Jahre zurückliegt. Die 57-Jährige gilt heute als kompetente Bildungspolitikerin. Sie wirkt, anders als Guttenberg, bescheiden und gewissenhaft. Während der fränkische Freiherr, von politischem Ehrgeiz getrieben, den Doktortitel nebenbei machen wollte und dabei frech den kürzesten Weg ging, war die junge Pädagogikstudentin durchaus mit Eifer am Werk. Schavan hatte viel vor: das Thema „Person und Gewissen“ von vier Disziplinen her zu beleuchten.

Nur schlampig oder mit Vorsatz?

Für einen echten Überblick hätte sie Kilometer an Originaltexten lesen müssen. Aber die Dissertantin hielt sich an Sekundärliteratur. Diese Zusammenfassungen paraphrasierte sie zuweilen absatzweise, einmal eine ganze Seite lang, tauschte dabei nur wenige Wörter aus und verwies nur spärlich auf die Urheber der Gedanken.

So etwas gilt, nach heutigen wie damaligen Begriffen, als Plagiat, mag auch das Fazit eigenständig sein. Für eine Aberkennung muss aber ein zumindest „bedingter Vorsatz“ dazukommen: dass jemand bewusst in Kauf nimmt, gegen Zitierregeln zu verstoßen. Weil ein Motiv schwer nachzuweisen ist, halten sich Gutachter an die Fehlermenge. An 60 Stellen auf 350 Seiten soll Schavan gegen Standards verstoßen haben. Weniger dreist als andere, aber auch nicht gerade wenig. Der Fakultätsrat will frühestens am 5.Februar entscheiden und sich nicht von Person oder Amt beirren lassen. Das wird nicht leicht. Auch die Universität steht unter schwerem Druck. Die akademische Zunft streitet. Die Untersuchung, kritisieren manche, sei falsch gelaufen: Der Erstprüfer ist auch Vorsitzender des Promotionsausschusses, der dem Rat ein Hauptverfahren empfahl. Zudem verstehe er als Judaistikprofessor nichts von der Materie.

Ein Gutachten entlastete die Uni: Sie habe korrekt gehandelt; um Plagiate zu erkennen, müsse man nicht vom Fach sein. Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen fordert dennoch externe Prüfer. Dass Einrichtungen, die Milliarden vom Staat kassieren, für die Ministerin in die Bresche springen, könnte sich als Bärendienst erweisen – gerade dann, wenn Schavan doch noch entlastet wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2013)

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