Medizinische Fakultät in Linz: Ärztemangel hausgemacht?

Auch mehr Studienplätze in Linz werden an den strukturellen Ursachen des spürbarer werdenden Ärztemangels nichts ändern.

Unter gewaltigem politischem und medialem Druck aus Oberösterreich soll es demnächst in Linz eine vierte, mit öffentlichen Mitteln finanzierte universitäre Medizin geben. Die Begründung: Es gebe für Ausbildungsstellen in oberösterreichischen Spitälern immer weniger Bewerbungen, sodass man annehmen müsse, die Zahl der Absolventen aus den drei medizinischen Universitäten sei zu niedrig.

Übergangen wird dabei die Tatsache, dass die Zahl der Medizinabsolventen sich seit über zehn Jahren auf gleich hohem Niveau befindet, sodass ein in Oberösterreich und möglicherweise in anderen Bundesländern sich abzeichnender Ärztemangel wohl andere Gründe haben muss:

Erstens: An Wiener Spitälern ist die Zahl an Bewerbungen für eine Ausbildungsstelle so groß, dass eine eineinhalb- bis zweijährige Wartezeit besteht. Eine ähnliche Ärztekonzentration in urbanen Regionen zeigt sich im niedergelassenen Bereich (Ordinationen), während es immer schwerer wird, rurale Regionen für Ärzte attraktiv zu halten. Mehr Studienplätze an einer neuen medizinischen Fakultät in Linz würden da nichts ändern. Zweitens: Immer mehr Absolventen eines Medizinstudiums zieht es für die nachfolgende Ausbildung (Turnus) zum Allgemeinarzt oder Facharzt ins Ausland, wo die Bedingungen bei Weitem attraktiver sind als in Österreich: bessere, vor allem kürzere Ausbildung und bessere Bezahlung.

Turnusärzte als Billigarbeitskräfte

Hierzulande gelten Turnusärzte systemimmanent als Billigarbeitskräfte. Hinzu kommt eine extrem lange Ausbildungsdauer; denn in Spitälern (mit Ausnahme der Universitätskliniken) herrscht die Unart, die sechsjährige Ausbildung zum Facharzt erst zu gestatten, wenn der Betreffende vorher die dreijährige Ausbildung zum Allgemeinarzt absolviert hat, sodass Ärzte erst Mitte 30 ihre Berufsberechtigung erlangen. Auch an diesem Trend zur Abwanderung werden mehr Studienplätze in Linz nichts ändern.

Sehr hohe Ärztedichte

Die (auf ausdrücklichen Wunsch des Landes Oberösterreich) durchgeführte und vor einem Jahr veröffentlichte Studie der „Gesundheit Österreich“ zum Ärztebedarf bis 2030 zeigt klar auf, worauf es ankommt, um dem Bedarf an versorgungswirksamen Ärzten für die nächsten 20 Jahre gerecht zu werden. Fraglich ist, ob es ein Mehrbedarf sein wird; immerhin hat Österreich schon jetzt – nach Griechenland – die höchste Ärztedichte in Europa. Einige Empfehlungen aus dieser Studie:

• Arbeitsgerechte Verwendung und Bezahlung der Auszubildenden, deutliche Verkürzung der Ausbildungsdauer;

• Vernetzung der verschiedenen Berufsgruppen in den Spitälern im Sinne einer integrierten Versorgung, mehr Tages- und Wochenkliniken, kürzere Verweildauer der Patienten im Akutbereich;

• Berücksichtigung des zunehmenden ärztlichen Frauenanteils im Sinne flexibler Arbeitszeitmodelle, Gruppenpraxen und durchgehender Kinderbetreuung;

• Erleichterung der Niederlassung und der Bildung von Gruppenpraxen im ländlichen Raum, verbunden mit der Sicherstellung eines adäquaten Einkommens und der Förderung von Lehrpraxen.

Ziel muss sein, Abwanderungen, Berufsniederlegungen und vorzeitige Pensionierungen im Arztberuf zu vermeiden. Dazu muss auch Oberösterreich beitragen. Aber ein vierter medizinischer Uni-Standort wird zum Erreichen dieses Ziels nichts beitragen.

Wolfgang Schütz, Rektor der Medizinischen Universität Wien.
Markus Hengstschläger, Leiter des Zentrums für Pathobiochemie und Genetik der Medizinischen Universität Wien.


E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.03.2013)

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