Einmal mehr schreiten die Höchstrichter bei den Studiengebühren ein. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet: Die Universitäten eigenständig die Beiträge einheben zu lassen war verfassungswidrig.
Wien. Wieder einmal sind die Studiengebühren bei den Höchstrichtern gelandet – und wieder einmal zeigt sich, dass die Regierung hier offenbar gepfuscht hat. Denn die Unis – ohne eine explizite gesetzliche Grundlage – eigenständig Gebühren kassieren zu lassen, wie das zuletzt ein Semester lang der Fall war, ist illegal. Das besagt das jüngste Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), das gestern, Freitag, verkündet wurde. Und auch wenn die Entscheidungen über das konkrete Vorgehen der einzelnen Unis noch ausstehen, machte der Verfassungsgerichtshof bereits gestern deutlich: Die Rektoren sollten sich schon einmal darauf einstellen, den Studenten ihr Geld zurückzuzahlen.
1 Die Gebühren waren öfter Thema beim VfGH – warum diesmal?
Es geht um das vergangene Wintersemester: In Ermangelung einer gesetzlichen Regelung für die Studiengebühren hoben acht der 21 Unis damals eigenständig die auch zuvor üblichen 363,36 Euro pro Semester von langsamen und Nicht-EU-Studenten ein. Grund für das Agieren im rechtsfreien Raum war, dass sich ÖVP und SPÖ – nachdem der VfGH das vorige Gesetz aufgehoben hatte – partout nicht auf ein neues einigen konnten. Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) rief die Unis zudem – gestützt auf ein Gutachten des Wiener Jus-Dekans Heinz Mayer – mehrfach dazu auf.
2 Wie hat der Verfassungsgerichtshof argumentiert?
Grundsätzlich stellte der VfGH in seiner Entscheidung klar: Der Staat habe für die Finanzierung öffentlicher Unis eine „besondere Verantwortung“. Das wiederum bedeute, es brauche eine gesetzliche Regelung für die Einhebung von Studiengebühren. Die Kompetenz dafür einfach so, also ohne ein zugrunde liegendes Gesetz, der Autonomie der Unis zu übergeben, wie im besagten Semester geschehen, sei „ausgeschlossen“, hieß es vonseiten des VfGH.
3 Worum geht es bei dieser Entscheidung konkret?
Zunächst geht es in dem aktuellen Entscheid lediglich um die rückwirkende Sanierung, mit der die Regierung das autonome Einheben der Gebühren nachträglich ins Gesetz hob. Dieses Vorgehen sei illegal, weil gleichheitswidrig, so der Verfassungsgerichtshof. Es habe nämlich dazu geführt, dass es für jene acht Unis, die Gebühren vorgeschrieben hatten, eine gesetzliche Regelung gab – für die anderen 13 allerdings nicht. Sprich: An manchen Universitäten mussten Gebühren bezahlt werden, an anderen nicht. Die einzelnen Verordnungen, mit denen die Universitäten die Gebühreneinhebung legitimierten – Beschwerden einzelner Studierender dagegen haben den Stein beim Verfassungsgerichtshof erst ins Rollen gebracht –, sind jedoch noch nicht fertig geprüft. Sie werden im Herbst behandelt.
4 Was ist für die ausstehenden Entscheidungen zu erwarten?
Im Licht der aktuellen grundsätzlichen Argumentation des Verfassungsgerichtshofs (siehe Punkt 2) ist absehbar, dass die Höchstrichter auch die jeweiligen Verordnungen der einzelnen Universitäten kippen werden. Zudem hieß es bereits gestern: „Angesichts der Aussagen in der heutigen Entscheidung können die Universitäten (...) Vorkehrungen für die Rückzahlung (bzw. Anrechnung) von Studiengebühren an die Studierenden treffen.“
5 Bekommen nun alle Studenten ihr Geld zurück?
Ihre jeweils 363,36 Euro an Gebühren für das vergangene Wintersemester müssten von Rechts wegen nur jene Studenten zurückbekommen, die selbst juristisch gegen die Einhebung vorgegangen sind. Die Universitäten (die das Geld für diesen Fall ohnehin zurückgestellt haben), werden aber kulant sein: Sie haben schon während des Verfahrens angekündigt, allen betroffenen Studenten (laut Ministerium sind das rund 33.000) die Gebühr zurückzuzahlen, sollte die Einhebung rechtswidrig gewesen sein.
6 Reißt das ein neues Loch in die Uni-Budgets?
Nein. Töchterle kündigte an, den Unis das Geld – laut ersten Berechnungen des Ministeriums handle es sich um rund zwölf Millionen Euro – zu ersetzen. Rund sechs Millionen Euro dürften dabei auf die Uni Wien entfallen, an der Wirtschafts-Uni geht es etwa um 1,5 Millionen. Die Mittel sollen aus den Rücklagen des Ministeriums kommen. Was den Unis aber niemand ersetzt: die Kosten, die durch den (doppelten) administrativen Aufwand entstehen. Und auch wenn das nichts mit der aktuellen VfGH-Entscheidung zu tun hat: Durch das lange Taktieren der Koalition nach der ersten Aufhebung der Gebühren sind den Unis bereits im Sommersemester davor die Gebühren durch die Finger gegangen.
7 Was bedeutet der Entscheid für die Zukunft der Gebühren?
Auf die aktuellen Studiengebühren hat die Entscheidung keine Auswirkung. Seit vergangenem Semester gilt nämlich ein neues Gesetz, das auf die ursprüngliche Regelung zurückgreift: Langsam Studierende zahlen wieder 363,36 Euro, Nicht-EU-Bürger inzwischen das Doppelte. Im Grunde dürfte übrigens nichts dagegen sprechen, dass die Unis autonom Gebühren einheben – sofern es dafür eine gesetzliche Basis gibt.
Auf einen Blick
Acht Universitäten hoben im Wintersemester 2012/13 eigenständig Studiengebühren ein: die Unis Wien, Graz, Linz und Innsbruck sowie die Wirtschafts-Uni, die TU Graz, die Wiener Vetmed und das Mozarteum in Salzburg. Sie verlangten die auch zuvor (und nun wieder) üblichen 363,36 Euro pro Semester von langsamen Studenten und von Studenten aus Nicht-EU-Staaten.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2013)