Mitterlehner: Der neue Minister, ein Taktiker

Reinhold Mitterlehner
Reinhold Mitterlehner (c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Reinhold Mitterlehner ist inzwischen seit gut 100 Tagen für die Unis zuständig. Taktisch geht er sein Amt geschickt an. An Konkretem fehlt es aber noch. Und womöglich an Zeit.

Eines hat Reinhold Mitterlehner in seinen inzwischen gut 100 Tagen als Wissenschaftsminister jedenfalls bewiesen - so das überhaupt noch nötig war: Er ist ein Vollblutpolitiker, routiniert und geschickt, was das politische Geschäft angeht. Dass er damit sogar die naturgemäß kritische Wissenschaftscommunity betört, ist indes überraschend. Erst recht angesichts des unglücklichen Starts seines Doppelressorts.
Zur Erinnerung: Zehntausend Studierende marschieren demonstrierend durch Wien, die Rektoren lassen ihre Unis schwarz beflaggen, Forscher warnen vor wirtschaftsgetriebener „Erfüllungswissenschaft", Aufregung an (fast) allen Fronten. Dass heute kaum jemand von den Gefahren der Fusion spricht, dürfte nicht allein am Gewöhnungseffekt liegen, der nach drei Monaten fast zwangsläufig eintritt.

Symbolik mit Symbolik begegnen: Diese Devise setzte Mitterlehner mit gewohnter Effizienz um. Da ist der Name des Ressorts, in dem die Wissenschaft der Wirtschaft vorangestellt ist. Das blaue „W" des aufgelösten Ministeriums, das im neuen Schriftzug erhalten bleibt. Und noch mehr: Wenn er als Uni-Minister auftritt, lädt er nicht in sein Büro am Stubenring, sondern in das ehemalige Wissenschaftsressort.

Community vorgeschickt

Mit einer öffentlich vorgetragenen Forderung nach einem Budgetplus von 1,6 Milliarden Euro für die Hochschulen stilisierte er sich vom ungeliebten (und selbst nicht hellauf begeisterten) Minister auch in der Sache zum Verbündeten der Universitäten - obwohl er die geforderte Summe noch im selben Atemzug auf „notfalls" eine Milliarde Euro reduzierte.

Ein paar (durchaus sinnvolle) Forderungen als Draufgabe - mehr Geld für die Uni-Gebäude, fixes Budget für den Wissenschaftsfonds FWF, Reform des ÖH-Gesetzes -, und schon wurden die schwarzen Flaggen wieder weggepackt. Kritische Worte sind seitdem keine zu hören, abgesehen von den Fachhochschulen, die ihre Forderungen in besagtem Katalog nicht ausreichend wiedergefunden hatten.

Und jetzt lässt Mitterlehner die Community für sich arbeiten. Zumindest von einem öffentlich ausgetragenen Kampf für mehr Geld ist vonseiten des Uni-Ressorts keine Spur. Nicht Mitterlehner macht Druck auf das Finanzministerium - das überlässt er den Wissenschaftlern selbst. Es ist die frühere Chefin des Europäischen Forschungsrats, Helga Nowotny, die das Schweigen Michael Spindeleggers zum Hochschulbudget kritisiert. Mit einer Petition unterstützen Wissenschaftler Mitterlehners Budgetforderung gegenüber dem Finanzministerium.
Dass sich der Minister öffentlich in Zurückhaltung übt, könnte indes einen tieferen Grund haben. Immerhin wird in der Community gemunkelt, dass er den angeschlagenen Spindelegger vielleicht schon bald als Parteichef - oder als Finanzminister - beerben könnte. Und dass er sich angesichts dieses Szenarios keine Probleme schaffen will, die er dann selbst auslöffeln muss. Bislang sind die Budgetverhandlungen dem Vernehmen nach jedenfalls nicht sonderlich gut gelaufen. Das Uni-Ressort spricht von „konstruktiven" Gesprächen.

Zähes Ringen steht bevor

Konkrete Politik - auch diese hatte Mitterlehner angekündigt, um das anfängliche Misstrauen auszuräumen - steht noch aus. Zwei bereits paktierte, aber umso umstrittenere Vorhaben winkte er durch: die Medizinfakultät Linz und das Promotionsrecht für die Donau-Universität. Dass er den Zankapfel Studiengebühren bewusst beiseitelässt, ist klug - immerhin ist sein Vorgänger Karlheinz Töchterle daran mehrmals fulminant gescheitert. Über Studienplatzfinanzierung und neue Zugangsbeschränkungen wird noch gar nicht verhandelt; angesichts der traditionellen Aussitztaktik der SPÖ steht ein zähes Ringen bevor.

Und es stellt sich die Frage nach der verfügbaren Zeit. Auch wenn Mitterlehner zu Beginn, halb im Scherz, von „Darstellungsproblemen in der Wirtschaft" sprach - mittelfristig könnte die Doppelbelastung vor allem für die Wissenschaft zum Problem werden.

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