Bessere Betreuung: „Vielen ist es zu mühsam“

Sonja Puntscher Riekmann bei Anne Will 2015 07 15 Berlin Deutschland Sonja Puntscher Riekmann P
Sonja Puntscher Riekmann bei Anne Will 2015 07 15 Berlin Deutschland Sonja Puntscher Riekmann Pimago/Jürgen Heinrich
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Für Forum-Alpbach-Vizepräsidentin Sonja Puntscher Riekmann gibt es an den Universitäten Nachholbedarf, was die Unterstützung von benachteiligten Studierenden angeht.

Die Presse: Das diesjährige Generalthema des Forums Alpbach ist Ungleichheit. Was hat die Politik hier bei den Unis versäumt – was die Universitäten selbst?

Sonja Puntscher Riekmann: Die Politik hat seit den 1970er-Jahren zu wenig dafür getan, ein ordentliches Stipendiensystem aufzubauen. Damit jene, die sich aus familiären Gründen kein Studium leisten können, Zugang haben und ihr Studium auch absolvieren können.

Immer wieder wird ein Teilzeitstudium gefordert bzw. ein studienrechtlicher Status Teilzeitstudent. Wäre das eine Lösung?

Ein Studium so zu gestalten, dass junge Leute daneben arbeiten können, hat Grenzen. Ideal wäre ein Stipendienwesen, das es ihnen ermöglicht, für eine gewisse Zeit zu studieren, ohne arbeiten zu müssen. Dort, wo es funktioniert, diszipliniert das die Studierenden auch, weil sie ja eine gewisse Anzahl von Prüfungen schaffen müssen.

Haben die Universitäten selbst in punkto Chancen genug getan?

Es ist ja nicht so, dass die Unis per se diskriminierende Schritte setzen. Abgesehen von den Beschränkungen, die es nun gibt, wird aufgenommen, wer kommt. Es stellt sich aber die Frage, was die Unis tun, damit auch jemand, für den das vom Elternhaus her nicht der klassische Weg wäre, sagt: Ich will ein Studium absolvieren, damit mein Leben einen erfolgversprechenderen Lauf nimmt. Aber vor allem, dass wir ihnen auch nach dem Eintritt helfen, erfolgreich durch das Studium zu gehen.

Fehlt es hier vonseiten der Unis bisweilen an Engagement?

Wenn es darum geht, hier Hilfestellung zu geben – zum Beispiel durch komplementäre Kurse, die fehlendes Wissen kompensieren –, haben die Universitäten Nachholbedarf. Angesichts der beschränkten Mittel brauchte das aber eine zusätzliche politische Anstrengung. Wir geben viel Geld für viele Dinge aus – man kann mir nicht sagen, dass das nicht finanzierbar ist.

Ein bisschen hat man manchmal den Eindruck, dass es an der Einstellung der Unis scheitert – à la: Wer es nicht allein schafft, der hat hier nichts verloren.

Ich will meinen Kollegen nicht diesen Dünkel unterstellen. Vielen ist es vielleicht zu mühsam, hier etwas zu tun, vor allem in Studienfächern mit großen Studierendenzahlen. Wir brauchen eine andere Bereitschaft, aber auch bessere Möglichkeiten zur Betreuung. Wir müssen die Studierenden viel mehr dort abholen, wo sie sind, anstatt ein abstraktes Programm zu implementieren – egal, wo sie stehen.

Wie viel Verantwortung hat denn die Schule und das Schulsystem?

Die kann man nicht oft genug betonen. Aber auch die Unis sollten stärker an die Öffentlichkeit treten und sagen: Was sind unsere Anforderungen, warum sind sie so, was müsste an den Schulen geändert werden, damit nahtlos ein Studium angeschlossen werden kann.

Und das selektive Schulsystem?

Wenn ein Schulsystem so wie unseres recht früh eine Differenzierung vornimmt, darf man sich nicht wundern, dass nur eine gewisse Gruppe dazu befähigt ist, ein Studium zu beginnen. Das ist die logische Konsequenz.

Es gibt immer mehr Zugangsbeschränkungen. Wie sich diese auf sozial Benachteiligte auswirken, ist umstritten. Was stimmt denn?

Ich würde eher jenen Studien vertrauen, die Hürden aufzeigen. Ideologisch ist die Debatte deshalb, weil wir in Österreich mit Sätzen operieren wie: Es muss nicht jeder studieren. Natürlich muss nicht jeder studieren – aber jeder sollte können, wenn er oder sie will. Vor allem: Wir vergeuden Talente, indem wir Hürden früh und zu hoch ansetzen.

Bunter zu werden liegt insofern im Eigeninteresse der Unis – und ist nicht bloß eine lästige Pflicht.

Ja. Ich merke immer wieder, dass Studierende am Anfang mit manchen Dingen nicht zurande kommen. Aber wenn man sie entsprechend betreut, sieht man plötzlich, wie ein Knopf aufgeht. Natürlich kann man sie nicht durch das Studium tragen. Aber man kann mehr Chancen einräumen als den Eingang zu erleichtern.

Und die Eingangshürden sollte man dann komplett abschaffen?

Die kann man setzen – aber ich würde das nicht am ersten Tag tun, sondern nach einem oder zwei Semestern schauen, was jemand kann oder nicht. Insofern befürworte ich die Studieneingangsphase. In der will ich einen Funken in den Studierenden zünden. Sie sollten nicht ein Fach studieren, weil sie einen Titel wollen – sondern weil es das ist, was sie im Leben tun wollen.

ZUR PERSON

Sonja Puntscher Riekmann (60) ist Politikwissenschaftlerin und ehemalige Grünen-Politikerin. Von 2003 bis 2011 war sie Vizerektorin der Uni Salzburg. Als Vizepräsidentin des Europäischen Forums Alpbach verantwortet sie die Hochschulgespräche am 26. und 27. 8.

(Un-)Gleichheit ist Thema des Forums. Bei den Hochschulgesprächen werden u.a Initiativen vorgestellt, die Stolpersteine am Weg zur Uni beseitigen sollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2015)

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