Forschung: Das Flaggschiff in Maria Gugging

(c) EPA (Herbert Pfarrhofer)
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Mit IST Austria verfügt Österreich über eine Graduiertenuniversität für Spitzenforscher. Aber es war ein langer und steiniger Weg bis zur Eröffnung.

Kann ein Land wie Österreich mit den großen Technologieländern überhaupt mithalten? „Die Antwort ist ein klares Ja“, sagt Haim Harari, „Österreich ist ein Land mit einer ausgezeichneten kulturellen und wissenschaftlichen Tradition. Es gibt keinen Grund, dass Österreich in Musik, aber nicht in Wissenschaft erfolgreich ist.“ Harari muss es wissen, hat er doch viele Jahre das israelische Weizmann-Institut geleitet.Ehrgeizige Vision, ein in Politik und Forschungsszene umstrittenes Projekt, schließlich das aus den Kalamitäten gerettete Vorzeigemodell: Das Institute of Science and Technology (kurz: IST Austria)– hat all diese Stadien durchgemacht. Und könnte, wie Haim Harari eben ausgeführt hat, eine große Zukunft vor sich haben,

Der höchste Repräsentant des Gesamtstaates, jener des Bundeslandes, jener der Wissenschaftspolitik: Sie alle werden heute, Dienstag, über die Streitigkeiten der vergangenen Jahre erhaben sein, Bundespräsident Heinz Fischer, Landeshauptmann Erwin Pröll und Minister Johannes Hahn werden einträchtig über einen Impuls – wahrscheinlich den stärksten seit 1945 – für Österreichs Forschung sprechen. Nach einer Diskussions- und Planungsphase von sieben Jahren wird IST Austria in Klosterneuburg/Maria Gugging (NÖ) festlich eröffnet.

2002 dachte der Experimentalphysiker Anton Zeilinger laut über eine „Flaggschifforganisation“ für Österreichs Forschung nach. Zeilinger, der schon damals wegen seiner Forschungen zur Quantenteleportation als „Mr. Beam“ bekannt war, schwebte eine University of Excellence nach Vorbild amerikanischer Eliteuniversitäten vor. Freilich war (und ist) das Wort Elite hierzulande verpönt, und auch „Excellence“ erschien vielen als zu abgehoben. Eine wissenschaftliche Elite sollte zwar in der künftigen Institution werken, nur so benennen durfte sich das Vorhaben nicht. Die Namensuche ist Teil der Vorgeschichte von IST Austria.

Wissenschaftsministerin Elisabeth Gehrer (ÖVP) nahm sich des Projekts an und machte sich für eine Kostenaufteilung stark: Für den Großteil des laufenden Betriebs sollte ihr Ministerium aufkommen, für das Areal und die Gebäude jenes Bundesland, das den Zuschlag erhalten sollte. Und private Unternehmen sollten – wie später auch Drittmittel – eine weitere Finanzierungsquelle sein.

Damit war auch schon der Wettbewerb um den Standort eröffnet. Wien, Niederösterreich, Steiermark und Oberösterreich bewarben sich, Niederösterreich machte mit Maria Gugging das Rennen. Viele Kritiker (und Politiker) vermuteten deshalb, weil eben der Landeshauptmann derselben politischen Partei wie die Ministerin angehörte.

Die Entscheidung für Maria Gugging im Februar 2006 war auch der große krisenhafte Knackpunkt. Wien – und damit auch die Bundes-SPÖ – war verärgert, Zeilinger und einige Wissenschaftler zogen sich zurück. Nun rettete die Industriellenvereinigung, die als Partner ins Boot geholt worden war, das Projekt. Sie engagierte eben Haim Harari und somit war – mit Olaf Kübler (ETH Zürich) und Hubert Markl (Max-Planck-Gesellschaft) – die wissenschaftliche Kompetenz gerettet. Später stieß auch Zeilinger wieder dazu. Es gab zwar Zeitverzögerungen, aber nun lief die Gründung nach Plan.

Budget für zehn Jahre gesichert

Es war also ein steiniger Weg, bei dem ein Internationales Komitee und ein Kuratorium (mit Böhler-Uddeholm-Chef Claus Raidl an der Spitze) die wichtigen Vorarbeiten leistete und in mehreren Etappen die heutige Struktur festlegten. Der Fokus liegt im naturwissenschaftlich-technischen Bereich. Die Forschungsgebiete werden nach den Topwissenschaftlern, die engagiert werden, ausgerichtet. Die Finanzierung für das kommende Jahrzehnt ist gesichert, 420 Millionen Euro sind allein an öffentlichen Mitteln vertraglich zugesagt. IST Austria ist als reine Forschungsinstitution konzipiert, es wird kein Grundstudium angeboten, sehr wohl aber werden – wie bei einer Graduiertenuniversität – Doktorate vergeben. Die Wissenschaftler können analog zum angloamerikanischen Modell ihre Laufbahn gestalten.

2016, zum Ende der ersten Ausbaustufe, sollen 40 bis 50 Forschergruppen mit insgesamt 400 bis 500 Wissenschaftlern tätig sein. Der im Dezember bestellte IST-Präsident, der Computerwissenschaftler Thomas Henzinger, zeigt sich zuversichtlich: „So etwas wie IST Austria wird Österreichs Wissenschaftslandschaft unheimlich stärken.“

1August 2002: Der Wissenschaftler Anton Zeilinger fordert die Gründung eines wissenschaftlichen Spitzeninstituts. 2003 und 2004 erarbeitet er Konzepte.

2Jänner 2005: Eine Machbarkeitsstudie spricht sich für das Zeilinger-Projekt aus. Wissenschaftsministerin Elisabeth Gehrer setzt eine Arbeitsgruppe ein.

3Juni 2005: Nach dem Endbericht der Arbeitsgruppe soll das Institute of Science and Technology im Oktober 2006 den Betrieb aufnehmen. Ministerin Gehrer eröffnet den Standortwettbewerb.

4Februar 2006: Der Ministerrat entscheidet sich für den Standort Maria Gugging. Das Projektteam um Anton Zeilinger zieht sich aus Protest zurück.

5März 2006: Bund und Land unterzeichnen für den IST-Austria-Betrieb einen Staatsvertrag nach Paragraf 15a. Im Bild: Ministerin Elisabeth Gehrer, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Landeshauptmann Erwin Pröll (v.l.) am 14. März bei der Vertragsunterzeichnung.

6August 2007:Ausschreibung des Posten des Präsidenten von IST Austria.

7Juni 2008: Der deutsche Gehirnforscher Tobias Bonhoeffer wird für den Präsidentenposten bestellt – er sagt aber nach einem Monat ab.

8Dezember 2008: Der aus Österreich stammende Computerwissenschaftler Thomas Henzinger wird zum Präsidenten bestellt.

9Juni 2009: Eröffnungsfest: Der Publikumstag fand bereits am Pfingstmontag statt. Am 2. Juni steht die offizielle Eröffnungsfeier auf dem Programm, am 3. und 4. Juni sind wissenschaftliche Vorträge angesetzt (ganztägig). ewi

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2009)

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