Zukunft der Juristenausbildung strittig

(c) Clemens Fabry
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Univertreter halten wenig von einer Juristenausbildung an der FH. An den Unis drohen Zugangsbeschränkungen für Jus.

WIEN. Ein Gespenst geht um, und es heißt Fachhochschule (FH) für Juristen. So könnte man die Grundstimmung beschreiben, die beim letztwöchigen Rechtspanorama am Juridicum herrschte, als über die Zukunft der Juristenausbildung diskutiert wurde.

Hausherr Paul Oberhammer kann diesem Gespenst wenig abgewinnen. Er spricht von einem Plan des Wissenschaftsministeriums, wonach Personen an den FH einenPlatz finden sollen, die zuvor an einer juristischen Fakultät abgelehnt wurden. „Was sollen denn diese Tausendschaften von Leuten, die bei uns abgewiesen werden, an den Fachhochschulen machen?“, fragte Dekan Oberhammer. Rechtspfleger benötige man nur 30 bis 40 neue pro Jahr, und für diese gebe es schon die Rechtspflegerschule des Bundes. Und auch bei Mediatoren gebe es bereits ein Überangebot.

Bleibe die Möglichkeit, dass die FH Ausbildungen anbieten, die zwar vielsagende Titel wie „Wirtschaftsrecht“ tragen, aber nur einen Teilbereich des Rechts unterrichten. „Wir müssen aber Generalisten ausbilden, die einen breiten Zugang zum Recht haben“, appellierte Oberhammer. Denn der Arbeitsmarkt ändere sich ständig und damit auch das, was gerade gefragt sei. Zudem sei eine FH etwas anderes als eine Universität. „Eine Universität ist keine Schule, in der Leute nebenbei forschen, sondern das Gegenteil.“ Deswegen hätten die Vortragenden andere Zugänge.

„Ich möchte mich dagegen verwahren, dass die FH-Studiengänge als billige Handlanger bezeichnet werden und dass es hier nur um How-to-do-Wissen geht“, wandte Michael Heritsch, Geschäftsführer der FH Wien der Wirtschaftskammer Wien, ein. „Diese angesagten Katastrophen“, etwa, dass FH-Absolventen sich am Arbeitsmarkt nicht werden durchsetzen können, habe man doch schon vor 22 Jahren gehört, als die FH geschaffen wurden. „Wenn solche Dinge fallen, dann nehme ich sie wirklich nicht ernst“, sagte Heritsch.

Und eine Ausbildung namens „Wirtschaftsrecht“ könne er sich ohnedies nicht an der FH vorstellen, wandte der Direktor ein. Es gebe jedoch sehr wohl Bereiche, in denen man ein juristisches Studium an einer FH andenken könnte, etwa im Bereich Steuerrecht. Und wer einmal in der Compliance-Abteilung eines internationalen Konzerns arbeite möchte, brauche vielleicht auch nicht in allen Rechtsbereichen ein vertieftes Wissen. Für die FH spreche zudem die Studiendauer: „An der FH dauert der Master vier Semester, und solange dauert er auch wirklich.“ Zudem gebe es an der FH im Gegensatz zu Unis nur eine geringe Drop-out-Rate.

Vor Zugangsbeschränkungen?

Wieso sucht man überhaupt Alternativen für Leute, die eigentlich Jus studieren wollten? Der Grund liegt darin, dass es künftig auch bei den Rechtswissenschaften Zugangsbeschränkungen geben könnte. Die WU, an der es seit zehn Jahren ein Wirtschaftsrechtsstudium gibt, würde gern selbst regeln, wer wann bei ihr studieren darf. An der WU gibt es inzwischen mehr Studienanfänger in Jus als in Wirtschaftswissenschaften. Kommen Zugangsregeln an der WU, will sich die juristische Fakultät der Uni Wien solidarisch verhalten und ebenfalls Zugangsbeschränkungen einführen. In einem Dominoeffekt würden wohl alle Jusfakultäten des Landes nachziehen, will doch niemand als Auffanglager für woanders abgelehnte Studierende dienen.

„Was ist der wesentliche Effekt von Aufnahmeverfahren? Dass Studenten es ernst meinen“, sagte Michael Holoubek, Leiter des Departments für Öffentliches Recht und Steuerrecht an der WU. Bereits dass jemand ein Motivationsschreiben verfassen müsse, bringe etwas, weil der Anwärter sich dann mehr mit dem Studium auseinandergesetzt hat. Zudem würden Scheinstudenten wegfallen, die nur wegen Sprachkursen oder billigeren Karten fürs Schwimmbad inskribieren.

Bezüglich des Studiums Wirtschaftsrecht zog Holoubek zufrieden Bilanz. „Unsere Absolventen sind angekommen.“ Habe es in den 1980er-Jahren geheißen, dass die Wirtschaftswissenschaftler den Juristen den Rang ablaufen würden, gebe es nun mehr Juristen als damals, aber kaum Arbeitslosigkeit unter ihnen. Das Studium an der WU sorgte auch nicht dafür, dass woanders weniger Leute Jus studieren.

„Niemand hat was gegen eine weitere juristische Fakultät, wir würden schon noch ein oder zwei vertragen“, meinte Holoubek. Aber eine Ausbildung zum „Schmalspurjuristen“ habe keinen Sinn, meinte er mit Blick auf die FH.

Sprachliche Fähigkeiten fehlen

Doch woran fehlt es Juristen, wenn sie mit dem Studium fertig sind? Elisabeth Lovrek, Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs, berichtete von den Erfahrungen der Justiz bei der Aufnahme von Richteramtsanwärtern. So müsse man die sprachlichen Fähigkeiten verbessern: „Viele können keinen geraden Satz sagen“, meinte Lovrek. Weiters würden Studenten auf der Uni zu oft mit praxisfernen Sonderfällen konfrontiert werde. Und zu wenig mit Rechtsfällen, wie sie später im echten Leben passieren.

Michael Lunzer, Präsident der Notariatskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland, betonte, dass eine gute juristische Ausbildung allein nicht der Schlüssel zum Erfolg sei. „Ich werde nur dann ein wertvoller Berater sein können, wenn ich einen Menschen in seiner Lebenssituation erfassen kann. Wenn ich beitragen kann, seine Probleme zu lösen“, sagte Lunzer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2016)

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