Ein neuer Campus für die Wiener Medizin

(c) Clemens Fabry
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Seit Jahren hat sich die Med-Uni Wien darum bemüht, nun ist für den Campus in der Mariannengasse der Startschuss gefallen. Er soll „Ärzteausbildung auf Top-Niveau“ ermöglichen – und wird „eine der größten Baustellen“ Wiens.

Wien. Hätte das Wetter keinen Strich durch die Rechnung gemacht, hätte man den Startschuss ja gerne auf dem Dach des ehemaligen Wien-Energie-Geländes in der Mariannengasse verkündet. Nun musste man also mit einem Vogelperspektivenvideo des Areals im neunten Wiener Gemeindebezirk vorlieb nehmen, mit pompöser Musik unterlegt: Hier soll der neue Campus der Medizin-Uni entstehen. Und zwar jetzt wirklich.

Bemüht hat sich die Med-Uni darum seit Jahren. Jetzt sind die 339,4 Millionen Euro aus dem Budget des Uni-Ressorts freigegeben, wie Wissenschaftsminister Harald Mahrer (ÖVP), Bundesimmobiliengesellschafts-Chef Hans-Peter Weiss und Med-Uni-Rektor Markus Müller am Dienstag verkündeten. Und sie sparten alle nicht mit Superlativen.

Der neue Campus wenige Schritte neben dem AKH und der Basis der Medizin-Uni soll „Ärzteausbildung auf Top-Niveau und Spitzenmedizin auf Weltklasseniveau“ ermöglichen und sei „ein echter Meilenstein, um der medizinische Spitzencampus in Europa zu werden“, meinte Mahrer. „Für die Medizin-Uni wird eine neue Ära starten“, sagte Weiss, dessen BIG die Gebäude auf dem Gelände baut, das die Medizinuniversität bereits erworben hatte. Dem großen Ziel der Med-Uni, die Patienten möglichst rasch vom Nutzen der Grundlagenforschung profitieren zu lassen, rücke man mit dem neuen Campus in der Mariannengasse nun „einen gewaltigen Schritt näher“, sagte Müller. Auf rund 35.000 Quadratmetern sollen in dem neuen Gebäude einige der Institute gebündelt werden, die abseits des AKH – das sozusagen der erste, große Campus bleibt – verstreut sind: Unter anderem Physiologie und Pharmakologie, Anatomie und Zellbiologie sowie Krebsforschung, die sich derzeit in teils veralteten Gebäuden in der Währinger Straße, Borschkegasse oder Schwarzspanierstraße befinden.

744 Forscher sollen übersiedeln

Insgesamt 744 Forscher sollen in die Mariannengasse übersiedeln. Damit werden wesentliche Teile der vorklinischen Fächer des Medizinstudiums dort zusammengefasst. 283,9 Millionen Euro gehen in Forschungs- und Lehrinfrastruktur sowie das Gebäude, 55,5 Millionen in Ausstattung.

Entstehen sollen im neuen Campus Hörsäle, Seminarräume und eine zentrale Forschungsinfrastruktur, die alle beteiligten Zentren nutzen können. Außerdem wird es ein sogenanntes Skills Lab für die Studenten geben. „Wir werden dort eine Lernumgebung haben, die einer modernen Uni entspricht“, sagte Müller. Simulation von echten Situationen werden dabei eine große Rolle spielen: etwa mit „Pauli“, einer kleinen Plastikpuppe, die mit rotem Strickhäubchen vor einem Monitor liegt und anhand derer die Versorgung von Frühchen trainiert werden kann. Müller spricht auch etwa von 3D-Brillen in der Anatomie, die die medizinischen Atlanten ablösen werden. „Das wird die Ausbildung schneller und interessanter machen.“

Bis das Areal zwischen Spitalgasse, Mariannengasse, Höfergasse und Rummelhardtgasse zu „einer der größten Baustellen in Wien“ wird, wie es von der BIG heißt, dauert es noch ein wenig: Im Oktober wird europaweit der Architekturwettbewerb ausgeschrieben. Im Spätsommer 2018 soll das Siegerprojekt klar sein; besonderen Wert legt man auf flexible Raumstrukturen und nachhaltiges Bauen. Nach der Detailplanung soll der tatsächliche Bau in etwas mehr als drei Jahren, also Ende 2020, starten. Mit Wintersemester 2025 soll der neue Campus in der Mariannengasse dann in Betrieb gehen. Wissenschaftsminister Mahrer spricht ambitioniert gar von 2024. Das sei die idealtypische Vorstellung. „Sicher schaffen wir es 2025.“

Mediziner als Exportschlager

Mehr Medizinstudienplätze wird es trotz des neuen Campus allerdings nicht geben. Die jährlich 660 Anfänger an der Med-Uni seien mehr als alle Studenten der Harvard Medical School insgesamt, sagte Rektor Müller. „Wir bilden genügend Ärzte aus. Das Problem ist der Abfluss.“ 30 bis 40 Prozent der Absolventen würden nicht in Österreich bleiben wollen. Das liege an der fehlenden Attraktivität der Arbeitsplätze. Daran müsse man arbeiten: „Der österreichische Medizinstudent ist leider ein Exportschlager.“

Auf einen Blick

Im Oktober startet der Architekturwettbewerb für den neuen Medizin-Uni-Campus in der Mariannengasse im neunten Wiener Gemeindebezirk. Mit dem Bau soll Ende 2020 begonnen werden. Im Wintersemester 2025 soll der Betrieb starten. Wesentliche Teile der vorklinischen Fächer im Medizinstudium, die derzeit in veralteten Gebäuden rundherum beheimatet sind, sollen dorthin umgesiedelt werden. Auf rund 35.000 Quadratmetern sollen Arbeitsplätze für 750 Forscher entstehen, zudem Labors, Hörsäle und Seminarräume für Studenten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2017)

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