Rektorenchef: "Peinlich, dass jeder studieren darf"

Hans Suenkel
Hans Suenkel(c) Presse (Clemens Fabry)
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Hans Sünkel kritisiert im Gespräch mit der "Presse" die "planlose" Hochschulpolitik: Sinkt das Budget weiter, drohen Kündigungen. Von den Fachhochschulen fordert Sünkel Solidarität.

„Die Presse": Die Studierenden fordern angesichts der Sparmaßnahmen im Uni-Sektor, dass die Rektoren in den Protest gegen das Ministerium einstimmen. Wann gibt es die erste Rektorendemo?

Hans Sünkel: Die Rektoren sitzen mit den Studenten in einem Boot. Wir wollen das Beste für die Unis und sehen uns mit einer sehr einfältigen Politik konfrontiert. Während andere Ländern, etwa Deutschland und Frankreich, in die Zukunft investieren, wird in Österreich in allen Ressorts mit dem Rasenmäher drübergefahren. Den Unis drohen Budgetverluste bis zu zehn Prozent. Ich hätte mir erwartet, dass nicht überall der Rotstift angesetzt wird, sondern dass es in jenen Bereichen, in denen die Zukunft des Landes liegt, nicht weniger, sondern mehr Geld gibt. Da ist der Regierung offensichtlich der Mut abhandengekommen.

Wissenschaftsministerin Beatrix Karl (ÖVP) sagt, die Unis sollten effizienter wirtschaften. Wo gibt es Einsparungspotenzial?

Sünkel: Da kann ich den Ball nur zurückspielen. Einsparungspotenzial sollte man zunächst in Wien suchen. Hier gibt es durchaus Handlungsspielräume. Etwa wenn ich daran denke, dass man es sich in manchen Bereichen noch immer leisten kann, die Leute mit 51 Jahren in Pension zu schicken. Die Unis haben in den vergangenen Jahren Effizienzsteigerungen durchgeführt, von denen man in anderen Bereichen nur träumen kann.

Dennoch werden sie sparen müssen. Wo also?

Sünkel: Wenn es dazu kommt, müssten wir uns absprechen, wer überhaupt noch welche Studien anbieten kann. Schnelle Entlastungen sind nur über Personaleinsparungen möglich - und durch einen Stopp von Bauvorhaben. Zudem müssten wir die Bundesimmobiliengesellschaft drängen, den Uni-Sektor als Non-Profit-Sektor zu gestalten - und nicht mit unseren Mieten dem Finanzminister wieder unser Geld zuzuschieben.

Eine Sparmaßnahme wären Kooperationen, wie Sie sie im naturwissenschaftlichen Bereich zwischen TU Graz und Uni Graz betreiben. Sind andere Rektoren wenig innovativ?

Sünkel: Wir zeigen in Graz vor, wie es geht. Ein ähnliches Modell wäre für Wien denkbar. Ich bin für Kooperationen; Zwangsehen lehne ich ab.

Die Ministerin könnte sich auch vorstellen, bestimmte Studien überhaupt nur noch an einer einzelnen Uni anzubieten.

Sünkel: Da kann ich die Gegenfrage stellen: Reicht es nicht aus, wenn das Philharmonische Orchester statt zehn Geigen nur eine hat? Nein. Eine gewisse Vielfalt muss zulässig sein, sonst leidet das Gesamtsystem.

Sie haben gefordert, man solle in anderen Hochschulbereichen sparen, etwa an den FH und den Pädagogischen Hochschulen (PH). Das klingt nicht sehr solidarisch . . .

Sünkel: Solidarität sollten die FH zeigen. Die Unis haben beschränkte Kapazitäten und einen offenen Zugang, während die FH den Zugang beschränken dürfen und die Studienplatzfinanzierung gewährleistet ist. Da ist es legitim, Einschränkungen nicht nur bei Unis einzufordern. Ich gehe noch weiter: Da die Unis die höchsten Bildungseinrichtungen des Landes sind, sollte eigentlich an FH und PH der Zugang freigegeben und jener an den Unis beschränkt werden.

Die Unis wurden auch gerügt, zu wenig private Mittel einzuwerben.

Sünkel: Da kann ich nur lachen. Im internationalen Vergleich stehen wir hervorragend da. An der TU Graz haben wir die Drittmittel in sieben Jahren von 20 auf 51 Millionen Euro gesteigert. Das ist im Verhältnis zu den 100 Millionen Euro, die vom Bund kommen, schon herzeigbar. Was fehlt, sind Einnahmen durch Studiengebühren.

Mit 363 Euro Studiengebühr pro Student und Semester kann man kein Budget sanieren.

Sünkel: Dieser Betrag kann das Leben der Unis verbessern, es geht um rund 150 Millionen Euro im Jahr. Das Thema ist ein Trauerspiel. Die Politik hat aus wahltaktischen Gründen die Gebühren für Inländer de facto abgeschafft und für Leute aus dem EU-Ausland halbiert. Wir schieben diesen Ländern auf Kosten der Unis Geld in den Rachen. Ich bin peinlich berührt, wenn ich Kollegen aus dem Ausland mitteile, dass Studierende in Österreich maximal zwei Euro am Tag zahlen, um das gesamte Angebot nutzen zu können. Das ist der Gegenwert eines Mineralwassers. Noch peinlicher ist, wenn ich sagen muss, dass jeder studieren darf, der will.

Wie sehen sinnvolle Studiengebühren aus?

Sünkel: Die Beiträge können durchaus vier- bis fünfmal so hoch sein wie bisher. Und für Ausländer noch einmal doppelt so hoch. Wer jedoch sozial bedürftig, aber befähigt und leistungsbereit ist, soll von einem besseren Stipendienwesen profitieren und keinesfalls am Studium gehindert werden.

Im Uni-Dialog des Ministeriums werden derzeit Grundlagen für den „Österreichischen Hochschulplan" erarbeitet. War es ein Fehler der Rektoren, aus dem Dialog auszusteigen?

Sünkel: Wir bereuen den Ausstieg nicht. Der Hochschulplan lässt seit Langem auf sich warten. Das repräsentiert den Zustand der gesamten Regierung. Ich glaube, dass sie tatsächlich keinen Plan hat. Das führt auch die Leistungsvereinbarungen in eine Sinnkrise. Ohne Abstimmung zwischen den Institutionen mangelt es Einzelvereinbarungen mit dem Ministerium an Sinnhaftigkeit.

(("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.05.2010))

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