Demo: ''Zukunftsmord" durch die Regierung

Demo Familienbeihilfe streichen Zukunftsraub
Demo Familienbeihilfe streichen Zukunftsraub(c) Clemens Faby
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Trauerzug gegen Budgetkürzungen: In den großen Städten gingen Tausende wegen Einschnitten bei der Familienbeihilfe auf die Straße. Auch in SPÖ und ÖVP mehren sich die Kritiker.

[Wien] Es war weniger ein Protestmarsch als ein Trauerzug, bei dem mehrere tausend Studenten am Donnerstag von der Universität Wien in Richtung Wirtschaftsministerium zogen. In das ohrenbetäubende Pfeifkonzert mischten sich auch Familien – ein Vater hatte sich seinen kleinen Sohn auf die Schultern gesetzt. Auf einigen Plakaten war ein „Nachruf auf die Familienbeihilfe“ zu lesen, auf anderen wurde der „Zukunftsmord“ durch die Regierung beklagt. Auch in Linz, Graz und Salzburg gab es Proteste.

Tatsächlich ist die Zahl der betroffenen Studenten nicht gering: Das Wirtschaftsministerium zählt 27.500 Personen, die trotz Ausnahmeregelungen – die Bezugsdauer soll sich durch Präsenz- und Zivildienst oder Mutterschutz verlängern – ab Anfang März 2011 Einschnitte hinzunehmen haben. Die ÖH spricht von 35.000 Betroffenen an Unis, FH und Pädagogischen Hochschulen – also mehr als jeder zehnte Student. Die jährlichen Einbußen belaufen sich auf 2680 Euro.

Von der Streichung der 13. Familienbeihilfe sind laut ÖH sogar rund 106.000 Hochschüler betroffen. Insgesamt entgehen den Studierenden mehr als 100 Millionen Euro im Jahr. Kritik gibt es auch an der geplanten Novelle im Studienförderungsgesetz, wonach die Studienbeihilfe einen Wegfall der Familienbeihilfe künftig nicht kompensieren soll. Sogar Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) kritisiert das als „sozialpolitisch unausgewogen“, sie will nicht zustimmen. Wissenschaftsministerin Beatrix Karl (ÖVP) reagierte am Donnerstagabend: Es liefen „gute Gespräche“ mit dem Finanzministerium, was eine „soziale Lösung“ für Studienbeihilfebezieher betreffe.

Widerstand in Landesparteiens

Fabry
Fabry

Betroffen sind auch Jugendliche zwischen 18 und 21 Jahren, die auf Arbeitssuche sind. Sie sollen gar keine Beihilfe mehr erhalten. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) deutete aber bereits Abmilderungen an. Auch in den Landesparteien von SPÖ und ÖVP wächst der Widerstand. Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) etwa geht im „Kurier“ auf Distanz zu seinem Neffen, Finanzminister Josef Pröll: Man müsse sich anschauen, „ob die soziale Symmetrie für Familien gewahrt“ bleibe. Massive Kritik kam auch aus dem Gewerkschaftsbund: Die Kürzungen bei Studenten und Ausgelernten seien „völlig unverhältnismäßig“, so Präsident Erich Foglar.

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) gab sich indes verwundert über die große Zahl an Beziehern, die älter als 24 Jahre sind. Mit der Bologna-Studienarchitektur sei die Mindeststudiendauer für den Bachelor auf sechs Semester festgelegt, für den Master auf vier Semester. „Es sollte möglich sein, das Studium bis zum 24. bzw. 25. Lebensjahr zu beenden.“

Das ist rechnerisch richtig. Der Realität im Uni-Betrieb entspricht es nicht: Mit dem Bachelortitel verlassen nur 17 Prozent die Uni, 83 Prozent schließen direkt ein Masterstudium an. Denn die Jobchancen für Bachelorabsolventen sind gering. Dass die Studenten auch den Master in Mindestdauer abschließen, ist oft nicht möglich: In überfüllten Fächern entstehen lange Wartezeiten. Andere Bereiche – etwa technische Fächer – sind so komplex, dass man sogar im Uni-Ministerium zweifelt, ob es möglich sei, in Mindestzeit zu studieren.

(APA)

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