TU wird Forschungsbereiche abstoßen

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Sabine Seidler, designierte Rektorin an der TU Wien, über den "schlimmen" Titel Quotenfrau, die Kosten eines Studienplatzes und die Forschungsschwerpunkte ihrer Uni.

Die Presse: Wie oft sind Sie seit Ihrer Wahl schon auf das Thema Quotenfrau angesprochen worden?

Sabine Seidler: Fünfhundert Mal(lacht). Zumindest von jedem Journalisten und dazu noch von ganz vielen anderen Personen.

Sind Sie grundsätzlich für Frauenquoten?

Nein. Ich glaube, es setzt die falschen Signale, weil es die Arbeit von uns Frauen in gewisser Art und Weise herabwürdigt. Schon der Titel „Quotenfrau“ ist schlimm. Aber ich weiß, dass es ein politisch notwendiges Mittel ist.

An der TU Wien gibt es Programme, um speziell Frauen für technische Studien zu begeistern. Werden Sie diese ausbauen?

Wenn es da noch etwas auszubauen gibt, ja. Da habe ich Zweifel, denn wir tun wirklich sehr viel. Ich vertrete die Meinung, dass wir mit unseren Studien insgesamt attraktiver werden müssen. Dann wird es uns auch gelingen, mehr Frauen zu interessieren.

Laut einer Studie spielt das Geschlecht bei der Einstellung von Mitarbeitern an der TU nach wie vor eine Rolle. Wie wollen Sie das ändern?

Die Studie hat uns gezeigt, dass Frauenförderung als solche die Situation nicht ändert, und das entspricht ja auch unserer praktischen Erfahrung. Das bedeutet, wir müssen woanders ansetzen. Eine relativ einfache Maßnahme besteht darin, dass man Lebensläufe im Bewerbungsverfahren neutralisiert. Das wäre ein sehr drastischer Schritt. Welche Schritte tatsächlich in welchem Tempo gesetzt werden, kann ich aber noch nicht sagen.

Was halten Sie vom Konzept der Studienplatzfinanzierung, das derzeit ausgearbeitet wird?

Es wird nur dann sinnvoll umgesetzt werden können, wenn man sich dazu bekennt, dass man auch Kapazitäten hat. Unsere Kapazitäten kann ich definieren. Im Bereich Informatik zum Beispiel können wir unsere Qualitätsansprüche in der Lehre für etwa 500 Anfänger erfüllen. Derzeit sind es doppelt so viele.

Wie viel Geld hätten Sie gerne pro Studienplatz?

Wir haben eruiert, was ein Studienplatz kostet, und die Spanne ist relativ groß: Ein Chemiker kostet etwa 25.000 Euro pro Jahr, ein Informatiker um die 5000 Euro.

Eine Studie des ibw besagt, dass die Absolventen technischer Unis für den Arbeitsmarkt überqualifiziert sind. Ist da was Wahres dran?

Es kommt darauf an, was man als Arbeitsmarkt definiert. Wenn Sie das lokal auf Österreich beziehen und die kleine und mittelständische Industrie als Maßstab nehmen, dann mag das möglicherweise zutreffen. Aber wenn Sie sich ansehen, was global agierende Unternehmen benötigen, dann ist das nicht der Fall. Das wird uns von Unternehmenspartnern bestätigt.

Mit dem Hochschulplan werden die Unis mehr Schwerpunkte setzen müssen. Wo werden die der TU Wien sein?

Wir sind in diesem Prozess schon relativ weit. Wir haben bereits im Entwicklungsplan 2009 fünf Forschungsschwerpunkte definiert, haben diese evaluiert, haben unsere Stärken und Schwächen identifiziert und sind jetzt dabei, uns innerhalb der Schwerpunkte zu entwickeln.

Mit der Programm „TU Austria“ gibt es eine Kooperation zwischen den TU Wien und Graz und der Montan-Uni Leoben. Viele Bereiche gibt es doppelt und dreifach. Wo gäbe es Synergien?

Doppelt und dreifach ist nur richtig, wenn man einfach Bezeichnungen vergleicht. Wenn Sie sich das inhaltlich ansehen, werden Sie feststellen, dass wir schon ohne direkte äußere Zwänge Synergien entwickelt haben. Das plakativste Beispiel ist Fertigungstechnik. Das gibt es in Leoben, in Graz und in Wien, aber die Forschungsschwerpunkte sind jeweils unterschiedliche. Wenn Sie sich das anschauen, sehen Sie, dass das schon passt. Zukünftig werden wir uns bei Berufungen aber auch sehr genau ansehen, wo die Stelle angesiedelt sein soll, um vorhandene Synergien zu entwickeln.

Dass die TU Wien gewisse Forschungsbereiche komplett den anderen Partnern überlässt, wird es also nicht geben.

Auch die TU Wien wird sich in den kommenden Jahren von einzelnen Forschungsbereichen verabschieden. Das hängt damit zusammen, dass wir nicht in allen Bereichen wirklich kritische Größen haben. Solche Entwicklungen sind aber meines Erachtens normal und relativ unabhängig vom Hochschulplan und eigentlich Teil der strategischen Forschungspolitik einer Universität.

Welche Bereiche könnten davon betroffen sein?

Solche Entscheidungen müssen sehr gut begründet und durchdiskutiert sein, denn sie müssen auch mitgetragen werden. Das kann man nicht in der Zeitung ankündigen. Außerdem sind wir im Moment nicht so weit.

Zur Person

Sabine Seidler (49) steht ab Oktober der Technischen Universität Wien als Rektorin vor. Die gebürtige Deutsche ist Werkstoffwissenschaftlerin und war erste ordentliche Professorin und erste Vizerektorin (für den Bereich Forschung) an der Wiener TU.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2011)

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