Sünkel: "In Österreich geht es uns zu gut"

Suenkel oesterreich geht
Suenkel oesterreich geht(c) APA/MARKUS LEODOLTER (MARKUS LEODOLTER)
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Der scheidende TU-Graz-Chef und Uniko-Vorsitzende Hans Sünkel spricht über seine geplante Rückkehr in den Hörsaal, die "österreichische Saturiertheit" und nötige Anreize für Private, den Unis Geld zu spenden.

Die Presse: Sie sitzen zwischen einem Berg an gepackten Umzugskartons und wirken dabei überraschend gut gelaunt. Kommt nach acht Jahren als Rektor beim Abschied nicht zumindest ein bisschen Wehmut auf?

Hans Sünkel: Nein, von Wehmut ist nichts zu spüren. Wohl aber denke ich an eine lange Periode zurück, in der ich die Möglichkeit hatte, etwas gänzlich anderes zu tun, als ich es als Wissenschaftler tun konnte. Ich hatte die Chance, etwas zu bewegen. Das erfüllt mich mit Freude.

Sie galten nie nur als Hochschulmanager, sondern auch als exzellenter Wissenschaftler. Haben Sie je an Ihrer Entscheidung, den Fachbereich zu verlassen, gezweifelt?

Im Leben hat man Entscheidungen zu treffen – und nie die Chance, Versuche zu wiederholen. Und daher hat man auch keine Chance, zu urteilen, ob die Entscheidung richtig oder falsch war. Natürlich habe ich mich in den vergangenen Jahren von Lehre und Forschung zu fast hundert Prozent verabschieden müssen. Jetzt steige ich wieder ein.

Finden wir Sie künftig im Hörsaal?

Aber sicher. Darauf freue ich mich wahnsinnig. Ich habe immer gerne mit der Jugend gearbeitet. Ich habe mich bei Vorlesungen auch immer verbal ausgetobt, mit der Materie gespielt.

Ihr früherer Kollege, Uni-Minister Karlheinz Töchterle, hat vor der Pensionierung noch den Schritt in die Politik gewagt. Hätte Sie das nie interessiert?

Sicher. Aber ich war zuletzt nicht nur Rektor, sondern auch Uniko-Vorsitzender. Das war nicht nur ein tag-, sondern auch ein nachtfüllender Job. Diesen Job auf halber Strecke aufzugeben, war nie ein Thema.


Ex-Uni-Wien-Chef Georg Winckler hat angedeutet, dass er es irgendwann leid war, sich zu den immer gleichen Themen – Stichwort Studiengebühren – zu Wort zu melden. Woher haben Sie bis zuletzt die Motivation genommen, sich damit auseinanderzusetzen?

Wenn man gegen mitunter heftigen Widerstand etwas erreichen will,dann braucht es langen Atem. Dieser lange Atem hat mich seit meiner Jugend begleitet. Aufgegeben wird bei mir bestenfalls ein Brief. Das liegt vielleicht auch an meiner geografischen Provenienz. Immerhin komme ich aus dem obersteirischen Bergvolk – und bin daher ziemlich zäh.

In Ihren Wortmeldungen hat man oft Verärgerung darüber gespürt, dass der Regierung der Mut zu Uni-Reformen fehlt. Warum geht so wenig weiter?

Vielleicht geht es uns zu gut. Mein ehemaliger Sporttrainer hat immer gesagt: stay hungry. Und so ist es. Denken Sie etwa an den Fernen Osten. Dort hatten die Menschen jahrhundertelang wenig Zugang zu Bildung oder wurden aus politischen Gründen davon abgehalten. Das hat letztlich dazu geführt, dass das gesamte Volk bildungshungrig geworden ist. In Österreich sind wir aus vielen Gründen saturiert. Saturiert in Bezug auf unser kulturelles Angebot, wir haben Zugang zu jeglicher Literatur, wir werden von den Medien mit Neuigkeiten überhäuft. Das bringt mit sich, dass man oft nicht mehr darüber nachdenkt, ob es nicht da und dort Verbesserungsbedarf gäbe.

Wie kann es den Unis gelingen, besser in die Gesellschaft einzutauchen und auf ihre Probleme und ihre Bedeutung aufmerksam zu machen?

Dieses Thema dringt zusehends in das Bewusstsein der Universitätsleitungen ein. Es gibt gute Ansätze, etwa die „Lange Nacht der Forschung“ oder Vorlesungen in Pubs, wie wir das in Graz hatten. Das dürfen aber keine Eintagsfliegen bleiben. Wir müssen da mehr Interesse und Zeit investieren, um die Bevölkerung zu informieren.

Immer mehr Rektoren versuchen sich im Fundraising, wollen Mäzene für ihre Uni suchen. Kann dieses Konzept in Österreich Zukunft haben?

Wir sehen, dass es etwa in Großbritannien oder den USA funktioniert. Der Unterschied: In den genannten Staaten sind die Einkommensteuern deutlich geringer, bei uns liegt man bald einmal bei 50 Prozent. Und da fragt man sich natürlich, ob man zusätzlich Geld an die Unis zahlen will. Die österreichische Regierung wäre gut beraten, ein Modell zu entwickeln, indem der Staat für jeden Euro, den man privat der Uni spendet, der Uni ebenso einen Euro aus öffentlichen Mitteln gibt. Das wäre ein Anreiz für die Universitätsleitungen, das Fundraising energisch zu betreiben und gleichzeitig ein Anreiz für potenzielle Mäzene, die für ihre Zuwendungen zusätzlich steuerlich belohnt werden sollten.

Sie sind als Rektorenchef in große Fußstapfen getreten. Sind Sie mit Ihrer eigenen Performance zufrieden?

Mein Vorgänger Christoph Badelt hat großartige Arbeit geleistet. Ich selbst war nicht einmal zwei Jahre im Amt. Dass man da nicht alles erledigen kann, was man sich vornimmt, ist klar. Ich habe aber von Anbeginn an versucht, die Nachricht „Die Uni ist wichtig“ zu transportieren. Wenn das nicht alle verstehen, werden wir keine Chance gegen aufstrebende Länder haben.

Gelingt es der Uniko gut genug, sich als einheitliche Interessenvertretung der Unis in der Öffentlichkeit zu präsentieren?

Ich formuliere es so: 21 Rektorinnen und Rektoren haben mindestens 21 unterschiedliche Meinungen. Es gibt Individualinteressen, die wird man nie zu 100 Prozent unter einen Hut bringen. Aber vielleicht muss das auch nicht sein. Wichtig ist, dass man die wesentlichen gemeinsamen Anliegen – den Hochschulzugang, die Uni-Finanzierung und die Abstimmung zwischen den Institutionen – herausschält und gegenüber der Politik vertritt.

Haben Sie sich in Ihrer Funktion von der Politik ernst genommen gefühlt?

Ja, doch. Das nicht sofort der Geldhahn aufgedreht wurde, ist eine andere Sache. Wenn es Töchterle nun aber wirklich gelingt, mehr Geld für die Unis bereitzustellen, dann war meine Arbeit nicht umsonst.

Zur Person

Hans Sünkel (*1948) war von 2003 bis Ende September 2011 Rektor der TU Graz, ab Jänner 2010 war er zudem Vorsitzender der Universitätenkonferenz. Der Steirer ist Professor für Satellitengeodäsie und satellitengestützte Geodynamik und war einer der Bewerber um die Kosmonautenausbildung des Weltraumprojekts Austromir. Sünkel gilt als Verfechter von Zugangsregeln und Studiengebühren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2011)

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