ETH Zürich: Das Erfolgsrezept eines ewigen Vorbilds

Zuerich Erfolgsrezept eines ewigen
Zuerich Erfolgsrezept eines ewigen(c) APA (ETH ZüRICH)
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Die technische Hochschule gilt als eine der besten Universitäten den Kontinents. Ein Blick hinter die Kulissen einer Institution, in der die Qualität von Studenten und Professoren mehr zählt als alles andere.

Sie bauen selbsttätig Türme, spielen Tennis – und an diesem Tag lassen sie sich sogar von einem Minister durch die Halle dirigieren: Die modernen Flugroboter – sogenannte Quadorcopter – sind eine der wissenschaftlichen Attraktionen der ETH Zürich, die der österreichische Uni-Minister Karlheinz Töchterle, ausgerüstet mit einer transparenten Schutzbrille, beim Besuch an der renommierten Eidgenössischen Technischen Hochschule testen darf.

In der zehn mal zehn mal zehn Meter großen, mit Schaumplatten ausgelegten „Flying Maschine Arena“ vollführen die Flugmaschinen präzise Manöver, gesteuert nur durch einen „Pointer“ – für den Laien nicht mehr als ein simpler Zeigestab – und mithilfe einer ausgeklügelten Steuerelektronik. Acht Kameras an der Decke der Arena liefern 200 Bilder pro Sekunde und ermöglichen es, die bis zu 50 Kilometer pro Stunde schnellen Roboter millimetergenau zu orten, erklären die Studierenden, die hier an der Weiterentwicklung der Technologie arbeiten.

Es sind Experimente wie diese, die die ETH Zürich zu einer der führenden Universitäten nicht nur Europas machen. Im Times-Higher-Education-Ranking der weltbesten Universitäten konnte sich die ETH einmal mehr auf Platz 15 einreihen. Sie ist damit die bestgereihte Hochschule aus dem nichtangloamerikanischen Raum.

Exzellenz nicht zur Schau tragen

Das macht die ETH nicht zuletzt zum ewigen Vorbild der österreichischen Universitäten. Kaum eine uni-politische Debatte kommt mittlerweile ohne den fast neiderfüllten Verweis auf die Studien- und Forschungsbedingungen an der ETH aus. Doch worin genau liegt das Erfolgsgeheimnis der im Jahr 1855 gegründeten Universität? „Geld allein spielt nicht Wissenschaft. Genauso, wie es nicht Fußball spielt“, wird Töchterle beim Arbeitstreffen mit Schweizer Bildungspolitikern seinen mittlerweile altbekannten Sager bemühen.

Ganz unrecht scheint der Minister damit dennoch nicht zu haben. Wer das von Gottfried Semper inmitten Zürichs erbaute Hauptgebäude der ETH betritt, merkt rasch: Wiewohl die Uni natürlich mit ihrem Ruf als Elite-Einrichtung kokettiert – offen zur Schau getragen wird das nicht. Das Wort Elite hört man (auch) in der Schweiz ungern. Das Büro der unter anderem für den Lehrbetrieb zuständigen Rektorin Heidi Wunderli-Allenspach ist bestenfalls zweckmäßig eingerichtet. Auch ETH-Präsident Ralph Eichler fehlt das rektorenhafte Gehabe, dem so manche seiner österreichischen Kollegen anheimfallen. Eichler wirkt unprätenziös, Bequemlichkeiten wie einen Dienstwagen besitzt er nicht. („Ich fahre Straßenbahn, das geht schneller.“) In der Sache selbst sind Eichler und Wunderli-Allenspach indes hart – und erfrischend ehrlich: Die ETH stehe nur den Besten offen. Ein Grundsatz, der für Studenten und Lehrende gleichermaßen gilt.

Wie der Studienbetrieb an der ETH, die mit einem Jahresbudget von unglaublichen 1,4 Milliarden Franken (rund 1,1 Mrd. Euro) nur 17.000 Studenten betreut, organisiert ist, klingt wie der Wunschtraum vieler österreichischer Hochschulakteure: Der Zugang zum Studium ist allen Schweizer Maturanten grundsätzlich offen, beschränken dürfen die Schweizer Unis diesen nur bei Ausländern (siehe Interview unten). Wer als Nichtschweizer eine Chance haben will, muss einiges vorweisen. Etwa einen Studienplatz in der Heimat. „Wer woanders abgewiesen wurde, an dem haben auch wir kein Interesse“, formuliert es Wunderli-Allenspach. „Wir sind kein Überlaufbecken. Das ist nicht unser Niveau.“

Fünf Jahre Zeit für den Bachelor

Wer es schafft, dem steht ein intensives Jahr bevor: Nach einem Jahr gibt es eine Basisprüfung. „An diesem Punkt verliert die ETH ein Drittel der Studienanfänger“, sagt die Rektorin. Die Hälfte der Abbrecher erscheine gleich gar nicht zu dem Termin. „Viele merken, dass diese Institution nicht die richtige für sie ist.“ Was hart klingt, ist ein Dienst an der Qualität: „Wir müssen sieben, anders geht es nicht.“ Die Prüfung darf einmal wiederholt werden. Wer nicht besteht, der muss die Uni verlassen. Ebenso wie jene, die ihr Bachelorstudium nicht in fünf Jahren beenden.

Die Erfolgsquote jener, die bestehen, spricht für sich: Rund 90 Prozent schaffen es bis zum Masterabschluss, ein Gutteil findet sich in führenden Managementpositionen wieder. Ein zentraler Bestandteil des Erfolgskonzepts ist der hohe Stellenwert, den die ETH der Lehre beimisst, die anderswo oft als lästige Pflicht neben prestigeträchtiger Forschung gesehen wird.

Nur die besten Professoren und Professorinnen – der Frauenanteil liegt bei nur acht Prozent – seien an der ETH gern gesehen, sagt Eichler. Wie man die guten Professoren anlocke? „Ganz einfach: Gute Professoren gehen dorthin, wo die guten Studierenden sind.“ Die Betreuungsverhältnisse sprechen für sich: Zu den mehr als 400 Professoren (Vollzeitäquivalente) kommen mehr als 4000 wissenschaftliche Mitarbeiter. In den Seminaren sollen maximal 25 Personen sitzen. Im Jahr investiert die ETH mehrere Millionen Franken in Tutoren, die Übungen abhalten. Manche Vorlesung wird doppelt angeboten, um allen den Besuch zu ermöglichen. Denn: „E-Learning ersetzt in keiner Weise den Uni-Betrieb“, sagt Wunderli-Allenspach. Bei Übungen sei der Input der Lehrenden „unheimlich wertvoll“, in Sprechstunden müsse man „persönliche Probleme“ der Studenten lösen.

Konsequenzen für schlechte Lehre

Das strenge Regime gilt übrigens auch für die Lehrenden, die in den Departments sonst große Autonomie haben: Sie werden regelmäßig evaluiert. Das Rektorat befragt die Studierenden etwa nach Motivation und sprachlichen Fähigkeiten des Personals. „Das Wichtigste ist, dass schlechte Beurteilung Konsequenzen hat“, so Wunderli-Allenspach. Wenn Lehrende auf der fünfteiligen Notenskala schlechter als mit einer Drei abschneiden, muss der Departmentsleiter handeln – und Betroffene etwa auf Didaktikkurse schicken. Wer wiederholt auf der Liste schlecht beurteilter Lehrenden aufscheint, werde zum „Gespräch“ ins Rektorat gebeten. An die besten jedoch verleihen die Studenten die „Goldene Eule“.

Der ETH „ist es gelungen, sich als Marke zu etablieren“, sagt Präsident Eichler. Mit all ihren Kanten und Traditionen – wie etwa (ganz nach englischem Vorbild) einem alljährlich Ruderwettstreit mit der Uni Zürich. Übrigens: Zumindest aus diesem ging die ETH zuletzt als Verlierer hervor.

Auf einen Blick

Die ETH Zürich bietet in 16 Departments Bachelor- und Masterstudien in den Bereichen Architektur, Ingenieurswissenschaften, Naturwissenschaft, Mathematik sowie Management und Sozialwissenschaft an. Die ETH wird (anders als die meisten Unis in der Schweiz) vom Bund und nicht primär von den Kantonen betrieben. Sie hat einen Jahresetat von 1,1 Mrd. Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2011)

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