Notfallmaßnahme: Unis drohen mit autonomen Studiengebühren

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Im März läuft die derzeitige Gebührenregelung aus, und für eine zeitgerechte Neuregelung ist es zu spät. Die Hälfte der Universitäten will ab Herbst autonom Gebühren einheben.

Wien. Rektorenchef Heinrich Schmidinger ist mit seiner Geduld am Ende. Bis zuletzt habe er noch gehofft – am Dienstag war klar: In puncto Studiengebühren ist der Zug vorerst abgefahren. Die aktuelle Regelung läuft mit März aus – für eine zeitgerechte Neuregelung ist es zu spät. Nun drohen die Rektoren mit Notfallmaßnahmen: Ab Herbst werden viele Unis autonom Gebühren einheben.

Zur Vorgeschichte: Schon im Juli kippte der Verfassungsgerichtshof die aktuelle Gebührenregelung. Das Gesetz regle nicht präzise genug, wann Beiträge zu bezahlen sind, und wann nicht. Bis Ende Februar hat die Regierung Zeit für eine neue Regelung oder eine Reparatur der bestehenden – die Debatten darüber erschöpften sich bis dato aber in koalitionärem Hickhack.

„Die Blockadepolitik der Regierung fällt den Unis auf den Kopf“, sagte ein sichtlich frustrierter Schmidinger am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Ohne Gebühren fehlen pro Jahr rund 35Millionen Euro – viel Geld für die Unis, die ohnehin schon äußerst knapp wirtschaften müssen: Einige – etwa die TU und die Med-Uni Wien – bilanzieren bereits jetzt negativ. Fehlen die Einnahmen aus den Studiengebühren, rutschen weitere in die roten Zahlen, warnt Schmidinger – seine Uni Salzburg inklusive: „Wir können auf dieses Geld unter gar keinen Umständen verzichten.“

Sollte es bis Herbst kein neues (oder repariertes) Gesetz geben, wird mindestens die Hälfte der Unis („jene, die wirtschaftlich keine Wahl mehr haben“) Studiengebühren einheben, kündigte Schmidinger an – darunter auch seine Uni. Willkür trete dann aber nicht ein: Die Unis würden die derzeitige Regelung weiterführen, laut der rund 15Prozent der Studierenden (Nicht-EU-Bürger und Langzeitstudenten) Gebühren zahlen müssen – in der Hoffnung, dass das Vorgehen rechtlich hält.

Rechtliche Basis ist wackelig

Denn die Rektoren bewegen sich auf unsicherem Terrain: Es sei „gut möglich“, dass es zu Klagen komme, sagte Schmidinger (in der Tat kündigten die sozialistischen Studierenden bereits eine „gewaltige Klagewelle“ an). Doch wenn die Regierung nicht für Rechtssicherheit sorge, müsse eben auf anderem Weg ein Rechtsspruch her. Auf das Rechtsgutachten, das der Wiener Jus-Dekan Heinz Mayer im Auftrag des Wissenschaftsministeriums verfasst hat, stützen sich die Unis dabei aber explizit nicht: Laut Mayer dürften die Unis ab März autonom Studiengebühren in beliebiger Höhe einheben; andere Juristen sind gegenteiliger Ansicht. „Wir beziehen uns nicht auf das Gutachten“, sagte Schmidinger. Das Vorgehen der Unis sei als „reine Notfallmaßnahme“ zu verstehen.

Nichtsdestotrotz: Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) scheint auf den Beschluss der Rektoren geradezu gewartet zu haben. Seitens des Ministeriums gebe es für eine autonome Einführung von Gebühren „jede Form der Unterstützung“ – zumal mit dem Koalitionspartner „weder eine inhaltliche Diskussion noch ein Beschluss“ möglich gewesen sei, sagte er.

Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ) konterte umgehend: Für eine Reparatur des bestehenden Gesetzes stehe sie jederzeit zur Verfügung, eine generelle Einführung von Gebühren käme aber nicht infrage. Und weiter: Wenn Töchterle die 35Millionen Euro für die Unis retten wolle, „muss er sich mit mir einigen“. Auch in einem zweiten Punkt legt sich die Ministerin quer: Trotz eines gegenteiligen Beschlusses von Rektoren, Studierenden und Uni-Ministerium beharrt sie auf der Einführung der verpflichtenden Studienberatung. Einem anderen Entwurf werde sie „sicher nicht“ zustimmen.

Sommersemester wird gebührenfrei

Übrigens: Zumindest ein Semester lang wird Studieren für alle gratis sein. Wegen der Fristen sei eine Gebühreneinhebung im Sommersemester nämlich nicht möglich, so Rektorenchef Schmidinger. Die rund 17Millionen Euro, die die Unis damit verlieren, will er aus der Notfallreserve des Uni-Ministeriums bekommen. Denn diese sei für genau solche „prekären Situationen“ gewidmet.

Auf einen Blick

Studiengebühren. Im Juli kippte der Verfassungsgerichtshof die derzeitige Regelung: Sie regle nicht präzise genug, wann Gebühren zu bezahlen sind und wann nicht. Mit März läuft die Regelung aus. Eine Einigung der Regierung ist bislang nicht absehbar: Während die SPÖ bloß einer Reparatur der bestehenden Regelung zustimmen will, pocht die ÖVP auf die generelle Wiedereinführung der Gebühren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2011)

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