Diversity als Dienstleistung

Altenpflege
Altenpflegec AP Matthias Rietschel
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Die Gesellschaft altert, Hilfsbedürftige werden mehr. Mit individuellerer Betreuung, stärkerer Spezialisierung und interkulturellen Konzepten soll die große Herausforderung zur großen Jobchance werden.

Wer im Sozialbereich einen Job sucht, hat gute Chancen. Nach wie vor wird hier händeringend nach Arbeitskräften gesucht. Dementsprechend groß ist auch das Bildungsangebot. Doch was ist derzeit im Sozialbereich gefragt? Welche Themen sind wichtig?

Eines ist klar: Wer sich mit Pflege und Betreuung auseinandersetzt, liegt eindeutig im Trend der Zeit. Diese Bereiche sind heutzutage und noch mehr in der Zukunft dominant. „Hier brauchen wir wirklich alles – von der diplomierten Pflegekraft bis zum Manager“, unterstreicht Monika Wild vom Roten Kreuz. „In den letzten zehn bis 15 Jahren sind etwa in der mobilen Betreuung die geleisteten Betreuungsstunden jährlich um drei bis vier Prozent gestiegen“, berichtet sie. Immer mehr zum Thema werden auch die betreuten Wohnformen für Senioren. Um die Bedeutung der sozialen Arbeit im Zusammenhang mit Senioren weiß auch Peter Pantucek Bescheid. „Der Bedarf wird in diesem Bereich stark steigen“, ist sich der Leiter des Studiengangs Soziale Arbeit an der FH St.Pölten sicher. Viele Projekte im Rahmen der Ausbildung würden sich mit dem Seniorenthema auseinandersetzen.

Soziale Fähigkeiten

Wer in der Pflege oder Betreuung tätig ist, braucht vor allem soziale Kompetenzen. „Man muss wissen, wie man auf die Menschen zugeht“, sagt Gernot Ecker vom Wiener Hilfswerk. Neben Kommunikationsfähigkeiten sind vor allem ethische und interkulturelle Kompetenzen gefragt. Das Wiener Hilfswerk schult seine Mitarbeiter daher regelmäßig in die neuesten Entwicklungen in dem Bereich ein. „Diversität ist ein wichtiges Thema, insbesondere wenn man bedenkt, dass bald die erste Generation der Gastarbeiter in Pensionistenhäuser einziehen wird“, unterstreicht Adelheid Gartner, Leiterin des Caritas Ausbildungszentrums für Sozialberufe. Christoph Jungwirth, Geschäftsführer des Berufsförderungsinstituts Oberösterreich (BFI OÖ), schließt sich dem an: „Die kultursensible Pflege wird in Zukunft immer wichtiger. Eine katholische Großmutter ist anders zu behandeln als ein türkischer Großvater.“ Das BFI OÖ bietet daher für Pflegepersonal einen Kurs zu interkultureller Kompetenz und kultursensibler Pflege an, bei dem man lernt, auf die individuellen Wertvorstellungen der Patienten einzugehen. Auch im Weiterbildungsangebot des Campus Rudolfinerhaus findet man Veranstaltungen zum Thema Interkulturalität. An der FH Kärnten stellt Interkulturalität und Internationalität eines von vier Wahlfächern im Bachelorstudium Soziale Arbeit dar. „Interkulturelle Aspekte und Migrationsarbeit sind in der Praxis sehr wichtig“, meint Professor Helmut Arnold von der FH Kärnten. Als weitere Vertiefungsmöglichkeiten stehen den Studierenden Sozialwirtschaft und Sozialmanagement, Gender und Diversity sowie Bildung und Soziale Arbeit zur Auswahl. Ab nächstem Herbst wartet die FH Kärnten laut Arnold mit dem neuen Studiengang Diversity und Disability auf, in dem es um den Umgang mit Menschen mit Behinderung geht. Eine weitere Anforderung, die in Zukunft immer wichtiger wird, ist der kompetente Umgang mit Demenzkranken. Die Relevanz des Themas spiegelt sich auch in der Fülle an Kursen wider. Im Ausbildungszentrum des Wiener Roten Kreuzes oder im BFI OÖ etwa gibt es Weiter- und Fortbildungen, die sich mit den Formen der Erkrankung und dem richtigen Umgang damit beschäftigen. Die Volkshochschulen bieten Kurse zu Kommunikationstechniken an.

Prävention statt früher Pflege

„Man muss schauen, was man tun kann, damit die Menschen nicht in pflegebedürftige Situationen kommen“, bringt Ecker das Thema Prävention auf den Punkt. Das Masterstudium Pflegewissenschaft an der Universität Wien beschäftigt sich laut Institutsvorstand Hanna Mayer genau damit: die Pflegebedürftigkeit durch gezielte Maßnahmen zu verhindern. Seit 2011 gibt es Pflegewissenschaft als reguläres Studium in der Bundeshauptstadt – „das ist international gesehen sehr, sehr spät“, so Mayer. Die Zahl der Studierenden ist leicht steigend. Für die Zukunft prophezeit Mayer jedenfalls starken Bedarf an akademischen Pflegewissenschaftlern in Führungsebenen und in der Lehre. „Man muss in Zukunft vertiefte Kenntnisse haben, um Innovationen voranzutreiben“, beteuert sie.

Ein weiteres Themenfeld ist das Case- und Care-Management. Während es beim Case-Management um den individuellen Versorgungsbedarf von Menschen geht, zielt Care-Management auf die übergeordnete Steuerung des Systems ab. Rotkreuz-Expertin Wild glaubt, dass die Qualifikationen, die man in der Ausbildung erwirbt, in Zukunft noch mehr gefragt sind. Wer Interesse hat, kann sich das Know-how im Case-Management zum Beispiel in einem Diplomlehrgang des Vereins für prophylaktische Gesundheitsarbeit aneignen. An der FH St.Pölten wird Case-Management als Vertiefungsfach im Masterstudium angeboten – der Erwerb eines Zertifikats inklusive. „Besonders im Zusammenhang mit Case-Management legen wir einen starken Schwerpunkt auf die diagnostische Herangehensweise“, sagt Studiengangsleiter Pantucek.

Kinderbetreuung

Auch in der Kinderbetreuung werden immer mehr Arbeitskräfte benötigt. Bisher schließen die Ausbildungen an den Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik mit Matura und Berufsbefähigung ab. Seit einiger Zeit wird über eine neue Ausbildung an den Universitäten verhandelt. Neben den Kindergärten sind immer mehr Tagesmütter und –väter gefragt. „Wir sind in diesem Bereich sehr stark auf der Suche“, sagt Ecker. Auch die Betreuung älterer Kinder wird immer mehr zum Thema, vor allem in der Schule. „Schulsozialarbeit ist gerade im Aufbau. Das bedeutet, dass es für alle und nicht nur für die benachteiligten Kinder einen psychosozialen Ansprechpartner gibt“, erläutert Georg Dimitz, Sprecher des Österreichischen Berufsverbands der Sozialarbeiter.

Während es dieses Angebot in Oberösterreich bereits flächendeckend gebe, sei es etwa in Wien noch spärlich. Die FH Campus Wien hat den Trend jedenfalls erkannt. „In der Praxis haben wir einen großen Bedarf in geschlossenen Einrichtungen im Kinder- und Jugendbereich und in der Schulsozialarbeit“, weiß Barbara Bittner, Studiengangsleiterin des Bachelorstudiums Soziale Arbeit.

Auf diesen Bedarf wird auch in der Ausbildung Rücksicht genommen. „Während Schulsozialarbeit und stationäre Sozialpädagogik früher Wahlfächer im Bachelorstudium waren, muss man heute eines der beiden verpflichtend machen“, so Bittner.

Auf einen Blick

Ausbildungszentrum Wiener Rotes Kreuz: www.roteskreuz.at

BFI OÖ: www.bfi-ooe.at

Bildungsanstalten Kindergartenpädagogik: www.bakip-basop.at

Campus Rudolfinerhaus: www.rudolfinerhaus.at

Caritas Ausbildung Sozialberufe: www.seegasse.caritas-wien.at

FH Campus Wien: www.fh-campuswien.ac.at

FH Kärnten: www.fh-kaernten.at

FH St.Pölten: www.fhstp.ac.at

Institut für Pflegewissenschaft der Universität Wien: http://sowi.univie.ac.at/

Verein für prophylaktische Gesundheitsarbeit: www.pga.at

Wiener Volkshochschulen: www.vhs.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2012)

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