(K)eine Frage der Persönlichkeit

Potenzialanalyse
Potenzialanalyse(c) Erwin Wodicka
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Potenzialanalyse: Das Tool zur beruflichen Orientierung erfreut sich großer Beliebtheit. Doch was darf man sich eigentlich davon erwarten? Und wer profitiert wirklich davon?

Ob zum Zweck der persönlichen Karriereplanung, des Recruitings oder der Personalentwicklung – Potenzialanalysen werden zunehmend genutzt. Laut Wifi-Institutsleiter Michael Landertshammer stieg die Nachfrage nach den Programmen im Vergleich zum Vorjahr gar um 30 Prozent. Ein Grund dafür ist die vielfältige Anwendung: Jungen Menschen – sprich, Berufseinsteigern – bietet sie eine Orientierungshilfe bei ihrer Suche nach der richtigen Ausbildung, „älteren Semestern“ kann sie Aufklärung darüber bringen, ob sie für etwaige Karriereschritte auch die nötigen Fähigkeiten und Persönlichkeitsaspekte mitbringen. Unternehmen wiederum können damit die Chancen erheblich erhöhen, die richtigen Mitarbeiter zu beschäftigen beziehungsweise für neue Aufgaben weiterzuentwickeln.

Nutzen für beide Seiten

„Unsere Welt, die Märkte und auch die beruflichen Anforderungen sind so komplex geworden, dass es heute wichtig ist, die Potenziale und Kompetenzen der Menschen näher zu beleuchten“, nennt Sabina Oblak, Director Assessment & Development beim HR-Consulting-Unternehmen Iventa, einen weiteren Grund für den steigenden Bedarf an Potenzialanalysen. Diese seien sehr aussagekräftige Instrumente – auch um als Mensch eingeschätzt zu werden. Denn letztlich gehe es im Recruitment darum, die richtigen personellen Konstellationen für ein Team zu finden. Wie wichtig das ist, umschreibt die Expertin mit dem Zitat eines Personalleiters eines großen Unternehmens: „Wir stellen Leute wegen ihrer Fähigkeiten ein, wir entlassen sie wegen ihrer Persönlichkeit.“

In einem HR-Kontext nutzen Potenzialanalysen letztlich beiden Seiten. Einerseits helfen sie einem Unternehmen, die richtige Personalentscheidung zu treffen. Der Kandidat erfährt wiederum, ob eine Stelle für ihn geeignet ist und wo gegebenenfalls Nachholbedarf herrscht. Letzteres gilt auch für Arbeitstätige, die sich einer Potenzialanalyse vor dem Hintergrund einer beruflichen Veränderung unterziehen. „Der Prozess zwingt den Kandidaten, sich Zeit zu nehmen und über sich selbst zu reflektieren“, bringt es Marie-Luise Lehner, stellvertretende Leiterin der Bildungsberatung und zuständig für Potenzialanalysen am Wifi Wien, auf den Punkt.

Am Wifi werden solche Analysen im Rahmen einer Berufsfindung und -beratung angeboten – also sowohl Jugendlichen als auch Erwachsenen. Die hauseigenen Pakete sind dabei in drei Stufen gegliedert. Auf ein Einführungsgespräch folgt ein individuell zusammengestellter Test. Letzterer orientiere sich daran, wo der Kandidat im Berufsleben steht – etwa, ob er sich weiterentwickeln, verändern möchte oder überhaupt erst einen passenden Beruf sucht. Abgeschlossen wird das Ganze dann mit einem von einem Psychologen abgehaltenen Auswertungsgespräch.

Auswertungsgespräch zentral

Potenzialanalysen gibt es heute wie Sand am Meer. Das erschwert klarerweise auch die Entscheidung für den richtigen Anbieter beziehungsweise das richtige Tool. Ein guter Anhaltspunkt, ob die Qualität letztlich passt, ist für Experten jedenfalls ein entsprechend ausgeprägter persönlicher Teil. Am Wifi dauert etwa das Erstgespräch zwischen 45 Minuten und einer Stunde, das Auswertungsgespräch bis zu eineinhalb Stunden. Auch am Hernstein Institut für Management und Leadership legt man großen Wert auf eine intensive persönliche Auseinandersetzung mit den Testkandidaten. Für Michaela Kreitmayer, Bereichsleiterin Offene Programme am Hernstein Institut für Management und Leadership, ist das Auswertungsgespräch das „Herzstück“ einer jeden Potenzialanalyse. Vorsicht ist für die Expertin angebracht, falls der Ablauf insgesamt zu automatisiert ist. „Der ganze Prozess sollte stimmig sein“, bekräftigt sie. Im Recruitment ist es laut Oblak wiederum wichtig, dass ein Verfahren auf die strategische Ausrichtung des Unternehmens sowie auf die Unternehmenskultur abgestimmt ist.

Das Hernstein Institut bietet Potenzialanalysen sowohl für den offenen – also für alle Interessenten ausgerichteten – Bereich, aber auch speziell für Unternehmen gedachte Pakete an. Die für offene Programme zuständige Kreitmayer hat es nach eigenen Angaben mit sehr „reflektierten“ Leuten mit Führungsambitionen zu tun. „Sie wollen sich verändern, was letztlich auch ein Ausdruck dafür ist, dass das heutige Berufsleben mehr und mehr von Change-Prozessen geprägt ist.“ Dieser Zielgruppe biete man das Master Persönlichkeitsprofil an. Die Kandidaten bekommen zwei Links für Fragebögen zugeschickt – einen für das Persönlichkeitsprofil sowie einen für das Anforderungsprofil. „Beide werden übereinandergelegt“, so Kreitmayer. Die Ergebnisse werden in einem Auswertungsgespräch – das wahlweise telefonisch oder am Hernstein Institut erfolgt – präsentiert.

Im Inhouse-Bereich arbeitet man mit dem Potential Evaluations Program (PEP). Dabei handelt es sich laut Kreitmayer um ein erprobtes Expertensystem, das auf einer internationalen Studie mit 30.000 Teilnehmern basiert. Das PEP geht von konkreten Anforderungen in der praktischen Arbeit aus und betrachtet, wie sich eine Person in Bezug auf kritische Ereignisse verhält. Aus den ermittelten Stärke-Schwächen-Analysen lassen sich dann Entwicklungsmöglichkeiten für entsprechende Trainingsprogramme ableiten.

Sowohl in der Rekrutierung als auch der Personalentwicklung ist die richtige Entscheidung letztlich eine Kostenfrage, denn eine Fehlbesetzung kostet schließlich Geld. Die Kosten einer Potenzialanalyse hingegen halten sich in Grenzen: Die Spanne reicht von rund 180 Euro beim Wifi bis 450 Euro beim Hernstein Institut.

Auf einen Blick

Eine Potenzialanalyse kann mehrere Zwecke erfüllen:

• Dem Arbeitnehmer bietet sie einen Orientierungsleitfaden für seine Karriereplanung.

• Dem Arbeitgeber gilt sie als Instrument, mit dessen Hilfe er die richtige Personalentscheidung treffen kann.

Je nach Umfang, Aufwand und Anbieter muss man mit Kosten zwischen 180 und 450 Euro rechnen.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER

www.wifiwien.at

www.hernstein.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.03.2013)

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