Komplementärmedizin: Ein anderer Blick auf den Menschen

(c) Michaela Bruckberger
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In Österreich wird eine Vielzahl von Weiterbildungs-Möglichkeiten für Ärzte
abseits der Schulmedizin angeboten. Auch öffentliche Universitäten entdecken den Trend.

Homöopathie und Akupunktur, Ayurveda, Tuina – diese und viele andere Behandlungsmethoden werden umgangssprachlich mit den Sammelbegriffen Komplementärmedizin, Alternativmedizin, Alternative Heilmethoden oder Sanfte Medizin bezeichnet. Die Österreichische Ärztekammer (ÖAK) hat sich auf den Terminus Komplementärmedizin festgelegt, um klarzustellen, dass es sich bei diesen Methoden „immer um eine Ergänzung zur konventionellen Medizin handelt, nicht aber um eine Alternative“, so Claus Connert, der seit 17 Jahren bestrebt ist, als ÖAK-Referent für Komplementärmedizin das Bewusstsein für dieses Thema unter den Ärzten zu etablieren. „International wird leider der Begriff CAM (complementary and alternative medicine) verwendet, der alle komplementärmedizinischen ärztlichen Methoden, aber auch etwa Handauflegen oder Reiki enthält. Im Bereich der CAM arbeiten vorwiegend Heilpraktiker, Energetiker, Laienbehandler und andere gewerbliche Berufsgruppen, die teils nur über eine sehr beschränkte oder gar keine medizinische Ausbildung verfügen.“

Vielzahl von Diplomen

Österreich ist weltweit führend, was die Anzahl von offiziellen komplementärmedizinischen Diplomen betrifft, die von einer Ärztekammer ausgestellt werden. ÖAK-Diplome können an dafür akkreditierten Ausbildungsinstitutionen (siehe Kasten) in den Sparten Akupunktur, anthroposophische Medizin, Applied Kinesiology, begleitende Krebsbehandlungen, chinesische Diagnostik und Arzneitherapie, Diagnostik und Therapie nach F. X. Mayr, Homöopathie, manuelle Medizin, Neuraltherapie, orthomolekulare Medizin und Phytotherapie erworben werden. Die entsprechenden zertifizierten Lehrgänge stehen ausschließlich promovierten Ärzten und Zahnärzten, in manchen Sparten aber auch medizinischem Personal oder Menschen mit Praxis in Gesundheitsberufen offen.

Als eine der ersten österreichischen öffentlichen Hochschulen setzt die Medizinische Universität Wien bewusste Akzente im komplementärmedizinischen Bereich. Den Auftakt bildeten im letzten Jahr zwei postgraduelle Universitätslehrgänge für Hypnose und zahnmedizinische Hypnose, die einzigartig im gesamten deutschsprachigen Raum sind.

Zugangsvoraussetzung ist ein abgeschlossenes Studium der Medizin, Zahnmedizin oder Psychologie. „Immerhin werden unter Hypnose bespielsweise auch Punktionen oder Zahnoperationen durchgeführt. Da ist der Hintergrund einer medizinischen Ausbildung natürlich wichtig“, sagt Nina Hoppe, Sprecherin der Medizinischen Universität Wien. Die beiden Lehrgänge sind berufsbegleitend konzipiert und schließen mit dem Titel „Akademisch geprüfter Arzt/Psychologe für Medizinische/Zahnmedizinische Hypnose“ ab. „Weitere Lehrgänge werden folgen, wobei zuerst das Prinzip ,Train the Trainer‘ verfolgt wird, bevor diese angeboten werden können“, so Hoppe.

Boomende TCM

Die größte Nachfrage besteht laut Connert derzeit nach Lehrgän- gen in Traditioneller Chinesischer Medizin (TCM). Die unter diesen günstigen Vorzeichen 2003 in Wien gegründete TCM-Privatuniversität Li Shi Zhen stellt nichtsdestotrotz mit Auslaufen der Akkreditierung im Sommer 2009 ihre Tätigkeit ein. Ein neuer Universitätslehrgang für TCM ist hingegen an der Medizinischen Universität Wien ab 2010 angedacht. ÖAK-Ausbildungen bietet in diesem Bereich (neben drei ärztlichen Fachgesellschaften) auch das Zentrum für TCM und Komplementärmedizin der Donau- Universität Krems. Hier werden Universitätslehrgänge für TCM, interkulturelle interdisziplinäre salutogene Gesprächsführung, Natural Medicine und Osteopathie durchgeführt. Speziell mit dem Osteopathie-Universitätslehrgang sei man Pionier im gesamten deutschsprachigen Raum, sagt Zentrumsleiterin Andrea Zauner-Dungl.

Die Ärztin ist auch Präsidentin des österreichischen Dachverbands für TCM. Dieser Verband habe unter anderem die Einrichtung eines Beirates für asiatische Medizin zur Beratung des Gesundheitsministeriums erwirkt – eine Leistung, die auch angesichts des starken Wildwuchses an Ausbildungen große Bedeutung habe. Woran erkennt man also unseriöse Angebote? „Zum Beispiel, wenn nur Teilgebiete unterrichtet werden und wenn Teilnehmer ohne jegliche Vorausbildung aufgenommen werden“, sagt Zauner-Dungl.

Homöopathischer Wildwuchs

Mit ähnlichen Problemen sieht sich auch Gloria Kozel, Präsidentin der 900 Mitglieder starken Österreichischen Gesellschaft für Homöopathische Medizin (ÖGHM), konfrontiert. „Die Gruppe der Energetiker – Laien mit Ausbildung in Deutschland – drängt zunehmend auf den Markt, und dann versuchen auch immer wieder Kollegen, die dazu nicht autorisiert sind, Ausbildungen anzubieten.“ Kozel, die selbst eine homöopathische Praxis in Graz führt, reformierte die Homöopathie-Ausbildung der ÖGHM und reduzierte deren Dropout- Raten auf ein Minimum. Die Ausbildung dauert drei Jahre und wird mit dem ÖAK-Diplom „Komplementäre Medizin: Homöopathie“ abgeschlossen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.06.2009)

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