Immer noch Probleme mit Bologna

Studienarchitektur. Der Bologna-Prozess ist praktisch abgeschlossen, doch einiges lässt im Alltag sehr zu wünschen übrig: etwa die Durchlässigkeit zwischen Bachelor und Master.

Vergleichbare internationale Studienangebote, wettbewerbsfähige und transparente Hochschulen und Studierende, die grenzenlos mobil durch die europäische Bildungslandschaft „surfen“ – das war und ist die Idee hinter dem von 48 Staaten getragenen Bologna-Prozess. An Österreichs Universitäten absolvieren laut Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (Bmwfw, Stand Jänner 2016) bereits 54 Prozent der Studierenden ein Bachelor-, 17 Prozent ein Master- und knapp acht Prozent ein Doktoratsstudium. Auf Diplomstudien entfallen nur noch 21 Prozent, vor fünf Jahren waren es noch 37 Prozent. An den Fachhochschulen ist die Umstellung praktisch vollkommen vollzogen. 99,8 Prozent der Studierenden sind im Bachelor-/Mastersystem angekommen.

Bachelor wenig gefragt

Punkto Studienarchitektur läuft also alles nach Plan. Massive Kritik an der Entwicklung und ihren Folgen gibt es dennoch. „Bologna, Geschichte einer Enttäuschung“ titelte im Vorjahr in Deutschland etwa „Die Zeit“. Im Visier der Kritiker stehen vor allem die Bachelorprogramme und -absolventen. Eine Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) förderte 2015 zu Tage, dass nicht einmal die Hälfte der Unternehmen der Meinung ist, dass Berufseinsteiger mit einem Bachelorabschluss ihre Erwartungen erfüllen.

Auch in Österreich zweifelt die Wirtschaft an der sogenannten Employability der Jungakademiker der ersten Bologna-Stufe. „Heutige Bewerber sind nicht vergleichbar mit früheren, sie sind jünger und haben weniger praktische Erfahrungen, da der Bologna-Prozess während des sechssemestrigen Bachelors keine Praktika vorsieht“, merkt Markus Reif, Recruiter bei Ernst & Young, dazu an.

Das Problem in Zahlen

Jüngste OECD-Statistiken zu Österreich fassen das Problem in Zahlen. Demnach ist ein Bachelorabschluss auf dem heimischen Jobmarkt vergleichsweise wenig wert. Nur rund 77 Prozent beträgt die Beschäftigungsquote von Bachelors innerhalb eines Jahres nach Studienabschluss, während Master auf eine Jobquote von 89 Prozent kommen. Damit ist in Österreich die Differenz bei den Beschäftigungsaussichten zwischen Bachelor- und Masterabsolventen mit zwölf Prozentpunkten am zweithöchsten im gesamten OECD-Raum.

Ein Master muss also her. In Aussicht stehen bessere Karrierechancen und mehr Verdienst. Kein Wunder, dass die überwiegende Mehrheit der Studierenden hierzulande nicht zögert. Knapp 80 Prozent sind es laut Bmwfw, die ihr Studium sogleich fortsetzen. Bei den Ingenieurwissenschaftlern lassen sogar mehr als 90 Prozent auf den Bachelorstudiengang sofort die Inskription für den Masterstudiengang folgen. Aber nicht jeder, der will, darf auch. Zwar ist laut Universitätsgesetz (UG) „sicherzustellen, dass die Absolvierung eines Bachelorstudiums an der jeweiligen Universität jedenfalls ohne weitere Voraussetzungen zur Zulassung zu mindestens einem facheinschlägigen Masterstudium an dieser Universität berechtigt“. Jedoch sind die Rektorate ebenso berechtigt, in Masterstudien, die ausschließlich in einer Fremdsprache angeboten werden, eine Anzahl von Studienanfängern festzulegen – und den Zugang entweder durch ein Aufnahmeverfahren vor der Zulassung oder durch ein Auswahlverfahren danach zu regeln.

Mit der UG-Novelle 2015 verschärft sich die Situation in Sachen Zugangsbeschränkungen. „Den Universitäten wird das Recht gegeben, auch für alle deutschsprachigen Master qualitative Zulassungsbedingungen im Curriculum festzulegen. Das ist sehr bedenklich“, sagt Heidi Posch, hochschulpolitische Sprecherin des VSStÖ.

Uni-Wechsel oft problematisch

Mühsam kann der Weg zum Master auch werden, wenn der vorangehende Bachelor an einer anderen Hochschule absolviert wurde. Eine Reihe von Zulassungsauflagen, die von Hochschule zu Hochschule differieren können, erschwert das Unterfangen. „Wenn die Zulassung für Absolventen von äquivalenten, aber universitätsfremden Bachelorstudien zu den Masterstudien unterschiedlich gehandhabt wird, widerspricht dies den Zielen des Bologna-Prozesses im Bereich der Durchlässigkeit“, kritisiert Philip Flacke vom Vorsitzteam der Österreichischen Hochschülerschaft die aktuelle Situation. Was aus Sicht der ÖH „gleichheitswidrig“ ist, kommt für Studierende zuweilen einem Spießrutenlauf gleich.

Insbesondere, wenn mit dem anvisierten Masterstudium ein Wechsel von Fachhochschule zu Universität einhergeht. „Es kann tatsächlich dahingehend zu Problemen kommen, dass von Unis manches vorgeschrieben wird, was nicht im Gesetz verankert ist“, bemerkt Kurt Koleznik, Generalsekretär der Fachhochschul-Konferenz. Wünschenswert wäre daher für die Zukunft der weitere Ausbau der Zusammenarbeit von Universitäten und Fachhochschulen.

Wie so etwas im positiven Falle aussehen kann, zeigt sich am Beispiel des Masterstudiums Digital Business Management, des ersten österreichischen FH-/Uni-Kombinationsmasterstudiengang. Bereits 2008 wurde die Idee eines gemeinsamen, berufsbegleitenden Studiengangs der Johannes-Kepler-Universität Linz und der Fachhochschule Steyr geboren. Vier Jahre später wurden die ersten Digital-Business-Management-Studierenden aufgenommen, die seither ein berufsbegleitendes Programm durchlaufen, das abwechselnd an der JKU Linz und der FH OÖ auf dem Campus Steyr abgehalten wird. „Wir kombinieren erfolgreich die Stärken aus beiden Hochschulsystemen“, sagt Studiengangsleiter Andreas Auinger. „Wir haben ein Brückenmodul. Wenn jemand von der Uni kommt, kann er zusätzliche ECTS durch FH-Seminare wie Organisation erwerben. Umgekehrt haben FH-Absolventen die Möglichkeit, Uni-Luft zu schnuppern und aus dem Katalog der Lehrveranstaltungen zusätzliche Kurse auszuwählen, dafür gibt es ebenfalls ECTS.“ Zusätzlicher Vorteil: Durch die JKU-Beteiligung können Absolventen nahtlos ein Doktoratsstudium an der JKU anschließen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.