Religionen: Boomende Glaubenslehren

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Symbolbild.(c) APA/GEORG HOCHMUTH
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Nicht nur zu Pfingsten würde ein Verständnis-Wunder gegen Angst, Orientierungslosigkeit und Gewalt helfen. Sich schlau zu machen hilft aber auch – das Studienangebot in Religionswissenschaft und -pädagogik wächst.

Die Bedeutung von Religionen steht heute außer Zweifel, nicht nur wegen der blutigen Konflikte, die sie auslösen, und der dazugehörigen Fluchtbewegungen, nicht nur wegen der auch hierzulande befürchteten Gefahr eines „Clash of religions“, sondern auch wegen der gewandelten Rolle des Glaubens für jeden einzelnen. Wurde Religiosität noch vor zehn Jahren selten offen eingestanden, so ist sie heute in individualisierten Ausprägungen für viele zum Lebenshelfer geworden, den man vor sich her trägt – man denke an den geradezu hip gewordenen Glauben an Engel, den Pilgertourismus und den Yoga-Boom.

Glauben, Gemeinschaft und Geld

Das neue Masterstudium Religious Studies der Universität Salzburg trägt diesen und anderen Entwicklungen mit Inhalten Rechnung wie europäische Islamformen, Christentümer, Spiritualität, ostasiatische Religionen, Buddhismus im Westen von Achtsamkeit bis Yoga, Säkularismen wie Quantenheilung, alternatives Heilen, Ökonomisierung und Branding von Religion. Alleinstellungsmerkmal ist ein Schwerpunkt an der Schnittstelle zwischen Religionswissenschaft und Ökonomie. „Das gibt es sonst höchstens in den USA, weil Kulturwissenschaftler meist wenig Ahnung von Wirtschaft haben“, sagt Leiterin Anne Koch. Wenn es etwa um Konsumidentität, Spendenmärkte, Charity oder gemeinnützige Vereine gehe, sei es relevant, eine ökonomische Beschreibung religiöser Organisationen zu entwickeln. Ein zweiter Schwerpunkt der Wissenschaftlerin ist das Verhältnis zwischen Religion und Alternative Medizin/Körperlichkeit/Spiritualität. Der Master kann durch seinen großen Anteil an Wahlpflichtfächern gut als Doppelstudium mit einem anderen Master kombiniert werden.

Alte Werte, neu aufgelegt

An der Universität Wien wurde im Herbst 2015 der Master Religionspädagogik mit Schwerpunkt Orthodoxe Theologie für die Sekundarstufe eröffnet. Mit diesem Lehramtsstudium wird nicht nur eine Lücke bei der deutschsprachigen Ausbildung orthodoxer Religionspädagogen geschlossen – es gibt auch die Hoffnung, Wien neben München zu einem zweiten mitteleuropäischen Zentrum der Orthodoxen Theologie zu machen. „Durch die gute wissenschaftliche Kooperation der Katholisch-Theologischen Fakultät und theologischen Forschungszentren in Osteuropa baut das Masterstudium auf bestehende Netzwerke auf“, sagt Lehrbeauftragter Ioan Moga.

Was die künftige Praxis des Religionsunterrichts betrifft, so sieht Moga es als entscheidend an, „dass zukünftige orthodoxe Religionspädagogen an der Sekundarstufe eins und zwei in einem wissenschaftlich verpflichteten, universitären Kontext ihre Ausbildung machen. Die universitäre Ausbildung fordert eine komplexe, auch selbstkritische Auseinandersetzung mit der eigenen Tradition – unverzichtbar in der heutigen Zeit!“ Gerade für den Religionsunterricht spiele die Rezeption neuer Forschungsergebnisse im Bereich der Theologie und des interkonfessionellen, interreligiösen Dialogs eine wichtige Rolle. Die Universität sei der richtige Ort dafür, gerade für Studierende, die „herkunftsgemäß aus Ländern mit einer etwas anderen Wissenschaftskultur kommen“, sagt Moga.

Eine Erweiterung des Studienangebots gab es in diesem Jahr auch den Islam betreffend. Seit Herbst gibt es an der Universität Innsbruck einen Bachelor für das Lehramt Islamische Religion der Sekundarstufe allgemeinbildender Schulen. Er ergänzt den Bachelor Islamische Religionspädagogik für den Pflichtschulbereich. Es sei kein Grunderfordernis, Muslim zu sein, um islamische Religionspädagogik studieren zu können, so Zekirija Sejdini, Professor für Islamische Religionspädagogik an der Uni Innsbruck. „Wir haben einige nicht muslimische Studierende, die wir als Bereicherung empfinden.“ In Innsbruck arbeitet man laut Sejdini eng mit der Universität Wien zusammen. Ab 2018/19 soll auch ein Masterstudium für das Lehramt der Sekundarstufe angeboten werden.

Hochaktuell ist auch das neue Studium für Syrische Theologie, das an der Universität Salzburg seit Herbst besteht. Zur Eröffnungsfeier im Oktober 2015 reisten der syrisch-orthodoxe Patriarch Mor Ignatius Aphrem II sowie 200 syrisch-orthodoxe Christen mit sechs Bischöfen und Dutzenden Priestern aus aller Welt nach Salzburg. International auch die Studentenschaft des englischsprachigen Studiums, die aus Österreich, Indien, Iran und Irak, Türkei, Ägypten und Griechenland stammt. Studiengangsleiter Aho Shemunkasho erklärt dieses hohe Interesse durch die Einzigartigkeit. Ziel des Studiums ist, einen Beitrag für die Integration syrischer Christen zu leisten, aber auch „Fachkräfte für die syrischen Kirchen auszubilden, damit sie diesen Glauben weitertradieren und das Syro-Aramäische, die Sprache Jesu, am Leben erhalten.“

Neue Religion-Studienangebote

Master Religious Studies, www.uni-salzburg.at/rs

Master of Arts in Syriac Theology, www.uni-salzburg.at/bwkg/syr.theol

Master Religionspädagogik mit Schwerpunkt Orthodoxe Theologie, www.orthodoxe-kirche.at

Bachelor Islamische Religionspädagogik, www.uibk.ac.at/irp, www.uibk.ac.at/studium/angebot/uf-islamische-religion/

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2016)

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