Coaching: „Man sollte die Menschen mögen“

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Coaching bdquoMan sollte Menschen(c) GEPA pictures (GEPA pictures/ Hans Oberlaender)
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Je mehr Lebens-, Führungs- und Berufserfahrung, desto besser die Voraussetzung für gutes Coaching – ob als neue Profession oder Zusatzqualifikation genutzt.

Es gibt Berufe, in denen man sich sukzessive Know-how erarbeitet. Und es gibt Berufe, in die man erst einsteigt, wenn man sich in einem anderen Job bereits jede Menge Erfahrung erworben hat. Auch beim Coaching ist das sinnvoll.

Der große Vorteil gesammelter Lebenserfahrung ist für Michael Tomaschek, Präsidiumsvorstand des Österreichischen Dachverbands für Coaching, eindeutig: Einerseits steigt „mit der Graumelierung auch die Akzeptanz“. Andererseits geht mit fortgeschrittenem Alter eine differenziertere Betrachtungsweise von Themen und Aufgabenstellungen einher, wie es beim Coaching notwendig ist.

Qualitative Anbieter von Coachingausbildungen setzen daher formal ein Lebensalter von mindestens 25 Jahren an, sagt Tomaschek. In der Praxis wird ein höheres Alter empfohlen. „Ab frühestens 30 Jahren ist ein guter Zeitpunkt, eine Coaching-Ausbildung zu beginnen“, erläutert Elisabeth Jelinek von der Jelinek-Akademie. Christoph Bedenbecker, Leiter des Universitätskurses Coaching an der Universität Innsbruck hält Personen „über 40“ für geeignet. Ausnahmen seien aber möglich. „Es kommt auf die einzelne Person und ihre bisherigen Erfahrungen und ihre Reflexionsfähigkeit an.“

Erfahrung, die fordert auch Ina Biechl ein, die ihr Know-how als „Coachperson“, wie sie sich nennt, in ihrem „Lehrgang Trainingskompetenz“ weitergibt. „Ich bekomme immer wieder Anfragen von frischgebackenen Akademikern, die eine Coaching-Ausbildung machen wollen, um dieses in bestimmten Berufsbereichen anbieten zu können. Ich empfehle jedes Mal, zuerst im beruflichen Alltag praktische Erfahrungen zu sammeln. Eine zusätzliche Ausbildung schadet zwar nie, aber Coaching-Kunden erwarten unterstützende Begleitung. Wenn ich Strukturen und Arbeitsabläufe nicht selbst erfahren habe, kann ich kaum geeignete Fragen stellen, um eine Entwicklung gut zu begleiten.“

Kompetenz & Persönlichkeit

Welche Professionen eignen sich besonders gut als Quellenberufe, wenn man daran denkt, als Coach tätig zu werden? „Beratende, unterstützende, führende Tätigkeiten eignen sich eher“, meint dazu Thomas Schöller von der Train-Werkstatt. Bedenbecker nennt die Disziplinen Psychologie, Pädagogik, Psychotherapie und Wirtschaftswissenschaften als „traditionelle Quellenberufe“.

Die Grundeignung der Person sei allerdings wichtiger als der gelernte Beruf, so Schöller. Gibt es also Persönlichkeitsmerkmale, die manche Menschen für die Coaching-Tätigkeit geeigneter machen als andere? Es gehe weniger um Merkmale als um Kompetenzen, betont Bedenbecker. Er nennt dabei die Fähigkeit zur Selbstreflexion, eine gute Selbst- und Fremdwahrnehmung, Einfühlungsvermögen, emotionale Stabilität, Frustrationstoleranz, Rollenflexibilität, kommunikative Kompetenz sowie ein Gespür für berufliche Entwicklungen und Problemkonstellationen. Tomaschek bringt es folgendermaßen auf den Punkt: „Als Coach sollte man Menschen mögen. Das ist wohl die entscheidendste Eigenschaft.“

Ansonsten gehe es um Zurückhaltung und Bescheidenheit, da der Coach nicht als Experte für Probleme, sondern „nur als Begleiter für einen lösungsorientierten Umgang mit Problemen fungiert und Kunden dabei unterstützt, ihre eigenen Lösungen zu entwickeln und umzusetzen“.

Ein Coach sollte sich daher nicht so wichtig nehmen, „und egozentrische Personen, die einen hohen Bedarf an Anerkennung und Zuspruch haben, werden daher wenig nützlich sein“. Biechl ergänzt: „Als Berater oder Coach muss ich mich selbst gut kennen und authentisch und kongruent sein, klare Werthaltungen und einen eigenen Standpunkt haben und diesen auch vermitteln können.“ Wobei der Standpunkt natürlich ein anderer sein könne als jener des Kunden. „Ich begleite Personen bei Prozessen. Das können sowohl persönliche als auch berufliche sein,“ so Biechl. Wer daran denkt, den ursprünglichen Beruf völlig für den neuen Traumjob Coaching aufzugeben, den warnen die Experten vor allzu hohen Erwartungen. „Ich kenne niemanden, der ausschließlich durch Coaching im Wirtschaftsbereich seinen Lebensunterhalt verdient“, meint etwa Schöller. „Meistens ist es gekoppelt mit einer anderen Beratungstätigkeit oder einem anderen Teilzeitjob.“

Tools für das Business

Jelinek wiederum hält eine Coaching-Ausbildung auch für Personen für empfehlenswert, die diesen Beruf dann nicht als solchen ausüben, sondern das Know-how in ihrer bisherigen Positionen nutzen wollen, beispielsweise im Management. „Die Führungskraft kann sich damit eine hohe soziale Kompetenz aneignen und in weiterer Folge Coaching-Techniken in abgewandelter Form – etwa in Form von Mitarbeitercoaching – als lösungsorientierten und zielfokussierten Führungsstil einsetzen.“

Biechl empfiehlt eine Coaching-Ausbildung dann, „wenn eine Person spürt, dass sie gerne andere bei der Weiterentwicklung unterstützt. Nach meiner Erfahrung sollten alle Führungspersonen eine entsprechende Ausbildung für fördernden Führungsstil machen“. Doch auch in anderen Bereichen kann eine Coaching-Ausbildung von Vorteil sein. „Man denke zum Beispiel an den gesamten Schulbereich, in dem es bereits entsprechende Ansätze und vor allem einen Riesenbedarf gibt“, meint Bedenbecker.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.12.2010)

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