Wenn Revolutionäre älter werden

Vor serbischen Alt-Punkrockern, einem Journalisten mit ungebrochen kritischem Geist und einem einstigen Untergrundsender, der heute Mainstream produziert.

Sie sind ein Urgestein des Punkrock auf dem Balkan. Seit den achtziger Jahren versuchen die Partibrejkers mit ihren subversiven Texten die zu verunsichern, die gerade in Belgrad das Sagen haben: erst die jugoslawischen Kommunisten; dann Slobodan Mil osevic, den exkommunistischen Opportunisten, der - als es modisch geworden war - die Uniform des serbischen Nationalisten übergestreift hatte. Auch heute kommen noch Tausende, wenn die Partibrejkers auftreten - so wie zuletzt beim Exit Festival in Novi Sad. Die mittlerweile alten Herren heizten ihren Fans so richtig ein. Und alle im Publikum, vom Teenager bis zum Fünfzigjährigen, sangen jede Zeile mit. Protestsongs, um seinen Ärger loszuwerden. Protestsongs als (nostalgische) Unterhaltung. Beim ersten Exit Festival, als es galt das Milosevic-Regime zu stürzen, gehörten die Partibrejkers noch zu den Hauptacts. 2011 traten sie nicht mehr auf der Hauptbühne auf.

„Das Exit Festival ist politisch nicht mehr dasselbe, das es einmal war. Es hat heute keine politische Botschaft mehr", meint der serbische Journalist Dejan Anastasijevic. Er gehörte zu den ersten Journalisten in Serbien, die gegen Milosevic, Nationalismus und den Krieg anschrieben. Als einer der wenigen serbischen Reporter berichtete er schon in den neunziger Jahren von den Verbrechen serbischer Einheiten in Bosnien und im Kosovo. Seine Artikel erschienen in Vreme und im Time Magazine. Als 1999 die Nato in den Kosovokrieg eingriff und Luftschläge auf das damalige Jugoslawien (Serbien und Montenegro) startete, verschärfte das Milosevic-Regime die Gangart gegen seine Gegner. Und auch Dejan Anastasijevic geriet ins Visier der Machthaber. Nach mehreren „Informationsbesuchen" des serbischen Geheimdienstes musste er sich nach Österreich absetzen. In seinem Wiener Exil hatten wir einander oft getroffen. Bei unseren Gesprächen bestach er stets mit seiner klaren Analyse der Lage in Südosteuropa. 1999, nur wenige Tage nach Ende der Nato-Luftangriffe, hatte ich nach monatelangem Warten endlich ein Journalistenvisum für Jugoslawien erhalten und reiste nach Belgrad und Nis. Mit im Gepäck hatte ich eine Liste mit Namen und Telefonnummern serbischer Regimegegner - Kontakte, mit denen mich zuvor Dejan in Wien versorgt hatte.
Jetzt sitzen wir wieder beisammen und diskutieren - diesmal aber in einem Belgrader Restaurant. Seinen kritischen Geist hat Dejan über all die Jahre behalten und sich damit auch weiterhin Feinde gemacht. 2007 wurde in Belgrad eine Handgranate vor sein Schlafzimmerfenster geworfen. Wie durch ein Wunder blieben er und seine Frau unverletzt.
Dejan kritisiert, dass Serbiens Regierung nach wie vor zu viel Kontrolle über die Wirtschaft hat; dass viele Serben zu wenig verdienen, um halbwegs über die Runden zu kommen und sich deshalb eine „Kultur des Nichtbezahlens" breit gemacht habe. Auch seine einstigen Mitstreiter nimmt er kritisch unter die Lupe: Der frühere Oppositionssender B92 sei längst nicht mehr das, was er einmal war. Politische Botschaften seien von Shows wie Big Brother abgelöst worden, sagt Dejan.
Dass B92 heute anders ist als in den neunziger Jahren, gesteht auch Sasa Mirkovic ein, der Serbiens ersten unabhängigen Sender mitbegründete und heute Spitzenmanager des Unternehmens ist. „Als wir gegen Milosevic kämpften, waren wir eine Semi-Piratenstation mit Spenden und Hilfe von außen. Heute sind wir ein normaler Sender, der sich auf dem Markt behaupten muss." 

Sasa Mirkovic - B92
Sasa Mirkovic - B92(c) diePresse (Wieland Schneider)

Schon zur Zeit des Widerstandes gegen das Milosevic-Regime hatte Sasa Mirkovic bei B92 organisatorische Aufgaben inne. Ich traf ihn 1999 verschwörerisch in einem Belgrader Café. Er erklärte mir damals, wie Radio B92 ins Internet auswich, weil die Machthaber den Sendebetrieb lahmlegten. Heute empfängt uns Sasa in seinem modernen Büro in Novi Beograd. Viele der einstigen Oppositionsmedien hätten das Milosevic-Regime nicht lange überlebt, weil sie nicht auf dem normalen Medienmarkt bestehen konnten, erzählt er. Nicht aber B92. Es verbreiterte sein Programm, ging Richtung Mainstream. „Wir sind aber trotzdem nach wie vor einer der wenigen Sender in Serbien, die investigativen Journalismus betreiben", sagt Sasa. „Aber heute ist die politische Lage in Serbien völlig anders als bei unserer Gründung in den achtziger Jahren. Und wir sind älter geworden."

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.