Die Komödie der Irrungen

Ein heiteres Stück über Geld, Gier und Tauschhandel in zwei Akten.

Ist es nicht überraschend wie nahe Gelddinge und Esoterisches oft beieinander liegen? Dass etwas vom Thema her so "hartes" wie Geld (no pun intended) und etwas "weiches" wie "Glück im Leben" so eng nebeneinander stehen? Sowohl bei den mainstreamigsten aller Lebensentwürfe (think Gordon Gecko in den 80ern) als auch bei den (scheinbar) abwegigen. Letztens bin ich über Heidemarie Schwermer gestolpert (intellektuell, nicht tatsächlich), die "Frau, die seit 10 Jahren ohne Geld lebt".

Nun will ich Frau Schwermer nicht zu nahe treten - aber wenn man sich die Videos und Berichte über ihre "neue Lebensform" so ansieht, kommt man kaum umher sich zu fragen: was soll daran neu sein? Frau Schwermer hat sich freiwillig für einen Rückschritt in die Tauschwirtschaft entschieden. Mit all den Problemen, die damit einhergehen.

OBER�STERREICH: MURE IN HALLSTATT
OBER�STERREICH: MURE IN HALLSTATT(c) APA/NEUMAYR/MMV (NEUMAYR/MMV)

Hallstatt: Die Mure hätte erheblich mehr Schaden angerichtet, wäre nicht vor geraumer Zeit das Geld erfunden worden. All das schöne Tauschzeug!

Setzen wir uns ins Theater. Es hat schon geläutet!

Vorhang auf.

Die Komödie der Irrungen

Heiteres Stück über Geld, Gier und Tauschhandel in zwei Akten.

Erster Akt, Szene 1: Ein Dorf-Marktplatz in grauer Vorzeit. Menschen rufen durcheinander. Es stinkt.

Händler eins:"Ich brauche zwölf Zitronen, biete ein Huhn!"

Händler zwei: "Ich brauche einen Hut, biete zwölf Zitronen."

Händler drei: "Ich brauche einen Hut, biete ein Huhn."

Händler vier: "Ich brauche ein Bier, bin aber pleite!"

Alle drei: "Scheisse, wäre nur das Geld schon erfunden!"

Händler vier: "Ja, und die Banken!"

(pssst!)

Was wir gerade erlebt haben ist das "Problem der Doppelzufälligkeit von Bedürfnissen". Kurz: Wenn er nicht hat was ich brauche oder ich nicht hab was er braucht, dann scheitert das Geschäft - oder aber, wir einigen uns auf ein "Zwischengut". Auf etwas, das idealerweise auch von dritten für deren Produkte akzeptiert wird.

(es geht weiter...)

Erster Akt, Szene 2: Immer noch ein Dorf-Marktplatz in grauer Vorzeit. Es ist weiterhin laut, der Geruch hat sich ebenfalls nicht verbessert.

Bauer: "Ich habe fünf Kühe und der Hutmacher will eine. Er nervt mich schon lange. Mich stresst das nicht, ich bin ja der einzige Bauer mit Kühen hier und das nächste Dorf ist vier Tagesmärsche entfernt (lacht). Hüte interessieren mich nicht, aber ich brauche Zitronen und ein Huhn. Wie schaut's aus?"

Händler zwei und Händler drei: "Super, du bist unser Retter. Also je eine halbe Kuh für unsere Produkte, ja?"

Der Bauer geht in den Stall, schlitzt einer seiner fünf Kühe die Kehle auf, hängt sie an den Beinen auf bis ihr Blut entwichen ist und teilt den Kuhkörper in zwei.

Bauer: "Bitteschön, eure Kuhteile."

Händler drei: "Wenn das klappt, gebe ich allen Händlern ein Bier aus."

Händler vier: "Yay!!"

Erster Akt, Szene 3: Ein Raunen geht durch die Menge, das Dorf hat vor vielen Jahren zuletzt einen erfolgreichen Handel erlebt. Die Stammesältersten horchen auf: eine halbe Kuh als Zahlungsmittel? Klingt nach einer praktischen Sache!

Hutmacher: "Das kann jetzt aber nicht euer Ernst sein, ich wollte eine lebendige, nicht zwei Hälften einer toten Kuh! Was soll ich damit?? Meine Kinder wollen Milch! Der Bauer, dieses Schlitzohr, hat euch ordentlich verarscht!"

Händler zwei und Händler drei: "Scheisse!"

Händler vier: "Na geh..."

Der Ältestenrat zieht sich zurück. Das gerade erlebte sitzt den alten Männern zutiefst in den Knochen. In einer Wolke aus Pfeifenrauch beschließen sie, dass der Handel mit Zwischengütern von nun an verboten sei.

Ende des ersten Aktes.

(Pause.)

Zweiter Akt, Szene eins: Wieder der Dorfplatz (bei den Kulissen musste das Theater sparen). Geruch und Lautstärke: unverändert. Ein fremder Mann mit teuerer Kutsche kommt ins Dorf.

Fremder Mann: "Seid gegrüßt, ich bringe Gold, Silber und Bronze! Wusstet ihr, dass man damit den Handel erleichtern kann?"

Ältestenrat-Ältester: "Ach was! Wir hatten das schon, wir haben unseren Handel für eine halbe Stunde auf einen Kuhstandard gesetzt. Und weißt du was passiert ist? Der Handel kam zum Stillstand und am Ende hatten wir nichts außer zwei verrottende Kuhälften."

Fremder Mann: "Aber würdest du nicht sagen, dass glänzende Metalle sehr beliebt sind?"

ÄÄ: "Ja, klar, bei Pfaffen und Weibern! Aber sonst haben wir für diese Metalle doch keine Verwendung!"

Fremder Mann: "Ganz genau! Es besteht Nachfrage, aber keine Verwendung. Außerdem kann man Gold und Silber teilen - und sie verrotten trotzdem nicht."

ÄÄ: "Wir sind einfache Leute und haben keine Verwendung für Gold - warum sollten wir das horten? Um vielleicht später etwas zu kaufen? Unser nationales Statistikamt geht von einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 16 Jahren aus!"

Fremder Mann: "Gold zu horten, das tun nur die Reichen, die Händler, die es in anderen Weltgegenden benötigen. Wenn ihr Gold in die Hände bekommt, verkauft es für Kühe, für Hüte, Zitronen und Bier! Silber könnt ihr ein bisschen horten, das ist billiger. (Zu Händler 4:) Hier, kauf dir ein Bier.

Der fremde Mann wirft ihm eine kleine Silbermünze zu.

Händler 4: "Endlich!"

(The End)

Das Licht geht an... 

Und die Moral von der Geschicht? Ohne Geld handelt es sich nicht (leicht). Und alles kann Geld sein: eine Kuh beispielsweise eignet sich gut als Verrechnungseinheit: Jeder in der grauen Vorzeit kannte den "Wert" einer Kuh, die laufend Erträge abwirft (Milch) und ultimativ Fleisch, Leder, Fett, etc. Aber als Tauschmittel sind lebende Kühe eher ungeeignet, wie wir gerade gesehen haben.

Im alten Rom wurden weit in die Zeit der Gold- und Silbermünzen auch Bullen aus Metall als Handelsware (Geld) eingesetzt - Bullen, die im "Wert" für einen Bullen standen - man konnte sie jederzeit gegen einen solchen eintauschen, sie waren gedeckt! Nach den Weltkriegen wurden Zigaretten als Geld genutzt - in Gefängnissen dürfte das heute noch so sein. Diese Liste ließe sich fast ohne Ende fortsetzen.

Bottom line: alles kann Geld sein, aber nicht alles ist dafür so gut geeignet wie Gold. Außer Papier und elektronische Blips, die sind noch besser geeignet. :)

Wieder der Disclaimer: Das ist jetzt kein Plädoyer für den Goldstandard! Im Gegenteil. Das Stück, die Episode, zeigt vielmehr, dass Gold zwar "gutes" Geld ist, die Geldrolle aber für dieses eine Metall nicht die beste aller Rollen ist. Gold ist vielmehr "handelbares Vermögen" - überall gerne akzeptiert, aber zu teuer für den täglichen Handel. "Zu teuer" - das kennen wir doch aus der Jetztzeit, oder? Was uns in die Gegenwart bringt.

Geld ist Mittel zum Zweck, kein Selbstzweck

Ist Tauschhandel tatsächlich eine Alternative? Eine "neue Lebensform", wie Frau Schwermer sagt. Diese Frage kann jeder leicht für sich beantworten: was kostet ein Liter Milch? Ein neuer Fernseher? Ein Monat Internet? Ein Zeitungsabo? Setzen Sie sich mal hin und machen Sie eine Liste aller Preise, die sie im Kopf haben. Sie dürften lange sitzen. Der Durchschnittsmensch merkt sich hunderte, wenn nicht tausende Preise. 

Und warum? Weil wir den Tauschhandel nie wirklich hinter uns gelassen haben. Weil wir nur in Relation zu anderen Waren und Dienstleistungen Entscheidungen über unser Handeln treffen können. Was bringt ein besonders günstiger Fernseher, wenn die Milch hundert Euro pro Liter kostet? Was günstiges Benzin, wenn die Autos immer teurer werden - oder die Versicherungen - oder die Parkpickerl?

Das "Geld", sei es Gold, Papier, Muscheln oder Zigaretten, sei es hart oder weich, gut oder schlecht, es hilft uns nur beim reibungslosen Handeln.

Wie wir aus der Bibel wissen, ist nicht das Geld an sich, sondern die "Lust aufs Geld" - also die Gier - die Wurzel allen Übels. Das ist auch die Moral aus der Geschichte von Gordon Gecko. Gier ist bloß eine Übertreibung, genauso wie der komplette "Verzicht" auf "Geld".

Dabei ist Geld nur Mittel zum Zweck, kein Selbstzweck. Der Zweck ist Wohlstand, Glück und eine Verbesserung des Lebens. Das klingt wieder ein bisschen esoterisch, weil es sich schlecht messen lässt - und bleibt deswegen auch eine streng subjektive Angelegenheit.

Vielleicht hat Frau Schwermer ihre Erfüllung trotzdem im Tauschhandel gefunden. Aber warum kann ich ihre Bücher dann für schnöde Euro auf Amazon kaufen?


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