Eisberg voraus!

Die Kapelle spielt noch, die Passagiere tanzen. Aber den Eisberg kann man sogar vom Festland aus erkennen.

Die Bedeutung von Zahlen wird in der Ökonomie heute heillos überbewertet - eine ganze Generation von Ökonomen unterliegt der gefährlichen Illusion, dass "Bruttoinlandsprodukt", "Inflationsrate", "Arbeitslosenrate" und ähnliche Kennziffern mehr sind als nur grobe Schätzungen, dass man sie in Formeln packen kann und damit Experimente anstellen. Das kommt daher, dass man unbedingt den Anschein erwecken möchte, Ökonomie sei eine exakte Wissenschaft - wie Physik.

Wer kann sich noch an die große "Debatte" darüber erinnern, ob ein Staat nun höchstens um 90% seiner jährlichen Wirtschaftsleistung verschuldet sein sollte - oder doch viel, viel mehr? Der Hintergrund dessen war natürlich, dass die Politiker weiter Schulden auftürmen wie die Weltmeister und sich nicht von irgendwelchen Ökonomen die Show vermiesen lassen wollten.

Denn wer weiß besser als die Politiker, dass die Zahlen sowieso allesamt auf der kreativen Buchführung der Statistikmeister beruhen. Oder anders gesagt: Mir den Kopf darüber zu zerbrechen, ob ich nun um 85 oder 90 oder 130 Prozent des BIP verschuldet bin, hat nur dann Relevanz, wenn nicht sowohl die BIP-Zahlen als auch die Zahl der Gesamtschulden bis zur Unkenntlichkeit massiert wurden.

Kommen wir zu den Börsen

Aber das ist nur die Einleitung. An den Börsen sieht es heute, was die Lage der Zahlen betrifft, nicht viel besser aus. Die Gründe sind aber andere. Nach mittlerweile sieben Jahren Nullzinspolitik plus Geldspritze um Geldspritze haben sich die Börsenkurse derart von der Realität entkoppelt, dass man schon von einem Wahn sprechen muss. Klar, solange das Geld derart billig bleibt, können sie auch noch weiter klettern. Aber selbst die notorisch unfähigen Prognostiker von IWF und Co. können nicht mehr verschleiern, dass Höchststände an den Börsen irgendwie nicht zur traurigen Lage der echten Wirtschaft passen. Die "kleinen Leute" spüren das auch - instinktiv oder direkt, weil ihre Kaufkraft schwindet während die Politiker ihnen erzählen, dass alles super ist.

Ich kann nur noch lachen, wenn ich von täglichen Allzeithochs an den Börsen im Radio höre. Lassen Sie es mich so klar wie möglich ausdrücken: Diese Party wird ein böses Ende nehmen. Und verglichen mit der nächsten Krise wird Lehman Brothers aussehen wie ein Kindergeburtstag. Das Pulver der Zentralbanken und das der Staaten ist verschossen. Die Realität wird sich zurückmelden. Wann? Das kann keiner genau sagen. Klar, man kann jetzt an den Börsen noch reich werden. Aber wehe dem, der nicht rechtzeitig aussteigt.

Was Gold und Öl uns sagen

In diesem Universum voller von der Realität entkoppelter Zahlen gibt es nur noch eine Möglichkeit, eine ungefähre Standortbestimmung vorzunehmen: Verhältnisse. Und das mit Abstand wichtigste Verhältnis für die Realwirtschaft ist jenes von Öl zu Gold. Öl repräsentiert Energie. Trotz aller lobenswerter Bemühungen hin zu neuen Energiequellen gibt es keine moderne Welt ohne Öl. Dasselbe gilt im Prinzip für Gold, dass die Kaufkraft seiner Besitzer repräsentiert. Trotz aller (weniger lobenswerter) Bemühungen hin zu neuem Geld gibt es weiterhin kein Währungssystem ohne Gold.

Das Verhältnis von Gold zu Öl hat die letzten Krisen ziemlich verlässlich vorausgesagt. Und wenn wir uns diesen Chart ansehen, dann können wir mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass irgendwas massiv nicht in Ordnung ist. Wir wissen noch nicht, was es ist. Wir wissen noch nicht, welche Form die Korrektur dieses Charts annehmen wird. Und vor allem wissen wir nicht, wie weit Gold im Vergleich zu Öl noch klettern kann. Wir wissen nur eines: je höher es klettert, desto dramatischer wird das, was folgt.

Gold/Öl
Gold/Öl

(via @chigrl)

In diesem Sinne bleibt mir nichts weiter übrig, als all den Passagieren auf der Titanic eine gute Fahrt und gute Unterhaltung zu wünschen. Die Musik soll toll sein, die Kapelle gibt ihr bestes. Feiert schön! Aber tut nachher bitte nicht so, als hätte man den Eisberg nicht kommen sehen können. Wir können ihn sogar vom Festland aus erkennen.

PS. Hier finden Sie einen noch länger zurückgehenden Chart. Da sieht man auch schön, dass die Party noch eine Zeit lang weitergehen kann. Ganz links, in den 1970ern, sieht man das Öl-Gold-Verhältnis zur Zeit der letzten "Währungsreform".

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.