"Orange is the New Black": Wenn Frau in den Häfn kommt

(c) Netflix/JOJO WHILDEN
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Mit dem Start von Netflix ist die Comedy über ein Frauengefängnis endlich in Österreich verfügbar. "Orange is the New Black" ist auch ein Kommentar zum Feminismus.

"Orange is the New Black" ist eine Serie wie gemacht für "Binge viewing", das exzessive Schauen ganzer Staffeln am Stück: Die hübsche, sensible und gut ausgebildete Piper Chapman (Taylor Schilling) wird darin wegen eines zehn Jahre zurückliegenden Vergehens, einer Jugendsünde, wenn man so will, zu 15 Monaten Haft verurteilt. Sie hat sich gut auf ihre Strafe vorbereitet: Bücher über das richtige soziale Verhalten im Gefängnis gelesen, ihren Abschied von Freunden und Verlobtem gefeiert – samt lustlosem "Wir müssen jetzt, weil dann können wir nicht mehr"-Sex.

Womit sie nicht gerechnet hat ist, wie schnell ein kleiner harmloser Satz, als simpler Smalltalk gedacht, innerhalb der Gefängnismauern zu Ausgrenzung führen kann – und lebensbedrohlich wird. "Food is awful", sagt sie an ihrem ersten Tag in Litchfield Penitentiary zu der Insassin namens Red, von der sie noch nicht weiß, dass sie die Köchin ist. Als Strafe verweigert ihr Red jegliche Nahrung. Zwei Folgen lang kämpft Piper darum, die Gunst des rothaarigen Racheengels mit Sowjetvergangenheit zu erlangen. Hunger leidend, ein Gefühl, das sie sonst nur im Kontext zum Schönheitsideal kennt. Als Zuseherin leidet, hungert man mit – und verlangt nach mehr, mehr, mehr. Da gerät es fast zur Nebensache, dass die Frau, die Piper hinter Gittern gebracht hat, im selben Gefängnis gelandet ist: Ihre Ex-Freundin Alex Vause, gespielt von "Die wilden Siebziger"-Star Laura Prepon.

Der Cast von ''Orange is the New Black''
Der Cast von ''Orange is the New Black''(c) Netflix

Während Gefängnisserien wie "Oz – Hölle hinter Gittern" (eine frühe HBO-Qualitätsserie) die Gewalt und Brutalität in den Mittelpunkt stellen, oder Dramen wie "Rectify" die Aussichtslosigkeit des Todestrakts in beklemmenden Szenen zeigen, ist "Orange is the New Black" eine Comedy. Mehr noch, eine Comedy im für das Genre ungewöhnlichen Langformat (mehr als 50 Minuten dauern die einzelnen Folgen, das ist Drama-Länge).

Ihr humoristisches Potential schöpft die Serie vor allem aus dem Alltag. Dazu gehören aufregendere Dinge wie eine unwillige "prison wife", ein mythisches (vielleicht mit Heroin gefülltes) Huhn oder Sex-Fotos, die im Internet landen, aber mehr noch die Banalitäten des Gefängnisalltags. Zu einem der besten Momente der Pilotfolge gehört, wie Piper sich Badeschlapfen aus Klopapier und Haargummis bastelt, um sich in den veralteten, überfüllten und schlicht grauslichen Duschen keinen Fußpilz einzufangen.

Die Willkür, der die Insassinnen ausgesetzt sind, wirken zugleich tragisch und komisch. Diese Mischung kennt man ähnlich aus "Girls" oder "Louie", Comedys, die eine deutliche Schlagseite ins Drama haben. "Comedy ist das neue Drama", schreibt Markus Lust in "Vice Alps" in seiner klugen Analyse von "Orange is the New Black".

Kritik am Justizsystem und Kommentar zum Feminismus

Natürlich kann man "Orange is the New Black" auch als Kritik am US-Justizsystem verstehen oder das Thema Rassismus anhand der Serie und ihres Personals diskutieren (wie viele US-Blogs). Oder mann kann die Serie als Statement zum Feminismus verstehen, was ich interessant finde.

Die Männer kommen nicht gut weg in "Orange is the New Black". Die meisten sind tollpatschige Vertreter eines repressiven Systems, von der leichtesten (eine bürgerliche Ehe, in der Piper sich selbst teils unterdrücken würde) bis zur extremsten Form (dem Gefängnis).

Der Gefängnisdirektor Sam Healy hat zwar Räuberinnen und Möderinnen in seiner Anstalt, als bedrohlich empfindet er aber, wenn die Frauen sexuell ohne männlichen Part auskommen. Überall wittert er "lesbische Aktivitäten" und "Lesbianismus". Der Wärter George "Pornstache" Mendez wirkt mit seinen sexuellen Avancen die meiste Zeit lächerlich. Piper selbst empfindet ihren Verlobten ("American Pie"-Star Jason Biggs) im Laufe der ersten Staffel zunehmend als lästige Aufgabe.

Ich kenne keine andere Serie, die einen so diversen weiblichen Cast hat. Zwar ist Piper unbestritten Hauptfigur, doch die Serie stellt nicht nur sie und ihre Selbstfindung ins Zentrum. Folge für Folge werden die Vorgeschichten ihrer Mitinsassinnen erzählt. In diesem Punkt weicht die Serie deutlich von der gleichnamigen, autobiografischen Vorlage von Piper Kerman ab.

Das Großartige an "Crazy Eyes" 

Ich weiß gar nicht, welche Frauen ich hier anführen soll, die mich - nicht sofort, aber Folge für Folge ein wenig mehr - an die Serie gefesselt haben:

  • Die herbe Miss Claudette auf jeden Fall.
  • Die Transgender-Friseurin Sophia (dargestellt von Laverne Cox, das frühere Ich der Figur wurde von Cox' Zwillingsbruder gespielt).
  • Die drogensüchtige Tricia, die mich zu Tränen gerührt hat.
  • Vor allem aber Suzanne Warren, genannt "Crazy Eyes" (fantastisch gespielt von Broadway-Star Uzo Aduba).

In der Pilotfolge sucht sich "Crazy Eyes" Piper als Liebesobjekt aus. Wenn sie Piper auf Schritt und tritt folgt, sie "Dandelion" nennt und ihr selbstgeschriebene Gedichte vorträgt, ist das hochkomisch. Diese Komik bricht jäh, als sie erfährt, was Piper wirklich von ihr hält – wenn "Crazy Eyes" das Herz bricht, diese schräge, für flach gehaltene Figur Tiefe bekommt: Das sind die tollen Momente in "Orange is the New Black".

"Orange is the New Black": Staffel eins wurde 2013 veröffentlicht, Staffel zwei im Frühsommer 2014. Abrufbar via Netflix.

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