Pressefoyer nach dem Ministerrat: Höchste Zeit für einen Streik

Stell Dir vor, es ist Pressetermin nach der Regierungssitzung am Dienstag um 10 Uhr und keine(r) geht mehr ins Bundeskanzleramt! Wie eine an sich gute Idee in 30 Jahren ruiniert wurde und warum sich Journalisten das nicht gefallen lassen sollten.

Brillant: Werner Faymann (SPÖ) und Michael Spindelegger (ÖVP) sind die ersten Bundes- und Vizekanzler seit 1983, die begriffen haben, dass ein Pressefoyer nach einer Regierungssitzung als Konfrontation mit Journalisten nur auf eine bestimmte Art funktioniert und sinnvoll ist. Lange hat es gedauert. Ausgerechnet die derzeitige Regierungsspitze ist nach 30 Jahren dahinter gekommen: Wenn man nichts zu sagen hat oder nichts sagen will, sollte man dieses Ritual einstellen. Wer hätte ihnen das zugetraut? Ein Schelm, der jetzt meint, sie würde nur kritische Fragen der Journalisten vermeiden wollen.

APA

Die Sinnentleerung der wöchentlichen Medienübung war eine schleichende. Bruno Kreisky wusste noch - auch in den schwierigsten Phasen seiner Regierungen, etwa bei der Krise um Hannes Androsch - was er sagen wollte. Und er war wenigstens amüsant, wenn er nichts sagte.

Bereits unter seinem Nachfolger Fred Sinowatz wurde das Frage-Antwort-Spiel mit den Journalisten zum reinen Krampf. Noch gut in Erinnerung: Sinowatz hatte absolut nichts zu kommentieren oder zu verkünden und suchte Zuflucht in der Bekanntgabe, der Ministerrat habe eben einen Gesetz zum Bienenschutz (oder so ähnlich) beschlossen. Vielleicht war es auch eines zum Bienensterben, Bienen waren es jedenfalls. Und die waren damals noch nicht so politiktauglich wie unter der „Im Zweifel für die Bienen"- Regierung Faymann I.


Franz Vranitzky absolvierte das Ritual noch halbwegs staatsmännisch, wenn auch oft sehr widerwillig. Schon damals zeichnete sich der Krampf mit dem Vize ab. Mit oder ohne Alois Mock, später ohne Josef Riegler, der eine Zeit lang seinen separaten Medientermin einschob, aber nicht lange. Ab dann war irgendwie klar: Das wird nichts mehr. Und es wurde auch nicht - weder vor noch hinter einer Trennschnur im Vorzimmer zum Ministerratssaal oder im sogenannten Steinzimmer, weder mit noch ohne Stehpult, mit oder ohne Tisch, solo oder im Duett.


Spätestens aber seit den ersten Pressefoyers der Regierung Schüssel im Winter 2000 hätten die Medien aufbegehren müssen. Die Möblage wurde zweitranging. Es ging um das Klima dieser Presseauftritte. Fragen wurden nicht beantwortet und kritische Fragen kaum mehr gestellt. Der Termin im Bundeskanzleramt dienstags ab 10 Uhr wurde von vielen Medien als Jugendtermin eingestuft: Die Jüngsten sollten ein paar Stehsätze abholen. Der Informationsgewinn wurde immer geringer und zahlte sich für erfahrene Journalisten fast nicht mehr aus.


Das ist aber nun auch schon wieder 13 Jahre her, das Pressefoyer in einem Teufelskreis der Belanglosigkeit verkommen. Nachdem sich Faymann und Co. nun zur endgültigen Pervertierung der ursprünglichen Idee dieser Dienstag-Veranstaltung entschlossen haben, sollten sich die Medien (mit Ausnahme des Staatsinstitution ORF natürlich) nun zum Streik entschließen. Das hätten sie schon 2000 tun sollen, als klar war in welche Richtung das Wechselspiel Politik-Medien verschoben werden soll. Es ging ohnehin nur um ein paar Sätze, die Bundes- und Vizekanzler am Abend in den Nachrichtensendungen des ORF sehen wollten, hieß es damals. Daran hat sich offenbar nichts geändert.
Wer es noch nicht begriffen hat, dass dieser Dienstagtermin verschwendete Zeit ist, die besser auf die Recherche wichtiger Themen verwendet werden könnte, der muss es seit dieser Woche wissen: Zwei Minister ohne Chance auf Frage-Antwort sind wohl die ultimative Provokation.

Entweder man streicht die wöchentliche Farce ganz oder gibt dem Termin seinen ursprünglichen Sinn. Stell Dir vor, es ist Pressefoyer und keiner geht mehr hin. Wenn Faymann und Spindelegger dann vor einem ORF-Redakteur und ein paar Kameras stehen, wird man ja erfahren, was sie sich wirklich bei dieser neuen Inszenierung gedacht haben.

>>Koalition: Die rot-schwarzen "Spiegelminister"

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