Größte Stärke, größte Schwäche: Der Sargnagel der ÖVP liegt in den Bundesländern

Trotzt gestörter Gesprächsbasis sollte sich ÖVP-Chef Michael Spindelegger mit Maria Fekter unterhalten: Noch einmal kann sich die ÖVP solche Regierungsverhandlungen wie 2013 nicht leisten.

Ausgerechnet Maria Fekter, die so gerne mit dem (verbalen) Holzhammer durch die politische Landschaft, jene der EU inklusive, gestolpert ist, offenbarte am Wochenende in einem Interview mit dem „Standard" eine für Politiker ungewöhnliche Selbsterkenntnis: Ihre größte Stärke, eine Sache nämlich direkt anzugehen, sei zugleich ihre größte Schwäche, weil sie sich dadurch angreifbar mache.
Diese Gleichzeitigkeit oder, wenn man so will, Spiegelung von Stärke-Schwäche, ist im normalen Leben häufig anzutreffen. Im Fall der Ministerin für dies (Innen) und das (Finanzen) trifft sie aber auch auf ihre Partei, die ÖVP, zu. Fekter könnte ihren Parteifreunden, sofern sie noch welche hat, einiges von ihrer Selbsterkenntnis abgeben.
Denn die Regierungsverhandlungen mit der SPÖ und alle krampfartigen Nachwehen in der ÖVP haben es wieder deutlich gezeigt: Gesamtpolitisch mag die Stärke der Volkspartei in den Bundesländern liegen, denn sie stellt die Mehrzahl der Landeshauptleute, die bei einigen guten Willen bei Bundeswahlen die Mobilisierungsmaschine anwerfen können.
Rein bundespolitisch aber haben die Koalitionsgespräche zwischen ÖVP und SPÖ und das ÖVP-interne Theater danach die geradezu lebensbedrohende Schwäche der Bundespartei gezeigt: Die ursprüngliche Strategie von Michael Spindelegger, die Ländervertreter so eng wie möglich in die Verhandlungen einzubinden auf dass sie danach nicht murren können, ist eindeutig nicht aufgegangen. Schon nach kurzer Zeit haben sie begonnen, gegen das Ergebnis der Verhandlungen zu protestieren, das sie selbst mitgetragen haben und dem sie im Bundesparteivorstand zugestimmt haben.
Das begann mit der Forderung der Westachse - Vorarlberg, Tirol, Salzburg - zur Errichtung von Modellregionen für die Gesamtschule, ging über die Vermögenssteuer (Salzburg) und landet jetzt bei der Steuerhoheit für die Bundesländer. Diese wäre an und für sich wünschenswert, hätte aber schon lange ausverhandelt werden können. Die Frage bleibt: Warum haben die Länder, „eingebettet" in die Gespräche mit der SPÖ wie sie nun einmal waren, den Vorschlag nicht auf den Koalitionstisch gelegt.
Vielleicht haben sie. Das Problem mit diesen Verhandlungen soll - so ist jetzt nach und nach zu hören - die mangelnde inhaltliche Vorbereitung gewesen sein. Angeblich gab es auf beiden Seiten keine substanziellen Papiere, über deren Inhalt man im Detail hätte sprechen können; keine konkret ausgearbeiteten Pläne - und dann letztlich kein Ergebnis, das von Spindelegger nicht vom Tisch gewischt hätte werden können - Stichwort: Gesamtschule. Was immer der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer an Kompromiss hier zustande gebracht hat, es floss nicht in das Regierungsprogramm ein.
Kein Wunder also, dass Oberösterreichs Josef Pühringer (Verhandler Finanzen) in den letzten Tagen flächendeckend in Interviews den Protest einiger Bundesländer und Verhandlungsteilnehmer ausschließlich auf die Frustration der Länder mit dem Regierungsabkommen zurückgeführt hat. Ein etwas untauglicher Versuch, Parteiobmann Spindelegger aus der ÖVP-internen Schusslinie zu nehmen. Niemand anderer als der Bundeschef hat diesen Frust ja verursacht - zuerst durch Einbindung, dann durch Beiseiteschieben der Ländervertreter. Seine Strategie ist gründlich daneben gegangen, aber im Wesen der ÖVP liegt es, dass er auch bei einer anderen heute kein leichteres Leben hätte.


Die Gesprächsbasis Spindeleggers mit Fekter ist allen Informationen nach sehr gestört. Vielleicht sollten sich die beiden aber doch zusammensetzen und gemeinsam überlegen, wie die ach so "geliebte" Partei aus dem Dilemma von Stärke und Schwäche herauskommt. Damit könnten beide historische Verdienste um die ÖVP erwerben. An dem Dilemma leidet die Partei seit Jahrzehnten, aber noch einmal solche Regierungsverhandlungen wird sie sich nicht leisten können.

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