Stammzellen, die Blutgefäße "warten"

zuckerkrankheit. Viel versprechende Neuigkeiten bei Diabetes: Die Gefahr für Herz-Kreislauf-Leiden und die Rate der Nierenversagen könnten eines Tages gesenkt werden.

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in tödliches Leiden, das man anfangs gar nicht spürt: die Zuckerkrankheit. 70 bis 80 Prozent der Diabetiker sterben an den Folgen einer Herz-Gefäß-Erkrankung. "Da gibt es viele neue, viel versprechende Dinge", meint einer von Österreichs führenden Diabetes-Spezialisten. Univ.-Prof. Dr. Guntram Schernthaner, Vorstand der 1. medizinischen Abteilung des Wiener Krankenhauses Rudolfstiftung. "Es könnte schon in naher Zukunft möglich sein, dass man das kardiovaskuläre Risiko für Diabetiker voraussagen und positiv beeinflussen kann."

Das hängt mit endothelialen Stammzellen aus dem Knochenmark zusammen, also den adulten Vorläuferzellen des Gefäßsystems. "Wenn man viele davon hat, ist das gut für die Gefäßregulation und -regeneration", erklärt Schernthaner.

Denn: Es gibt eine Reihe von Hinweisen, dass bestimmte Stammzellen in der Lage sind, das Endothel der Blutgefäße (= Gefäßoberfläche) zu erneuern, quasi regelmäßig zu "warten", etwaige schadhafte Veränderungen wieder ins Lot zu bringen und dadurch tödliche Ereignisse zu verhindern.

Hingegen haben Patienten mit einem Mangel an zirkulierenden Stammzellen im Blut - und diesen weisen Zuckerkranke viel häufiger auf als Nicht-Diabetiker - ein deutlich erhöhtes Risiko, an einer kardiovaskulären Erkrankung zu sterben.

Das hat unter anderem eine deutsche Studie bewiesen: Man hat 519 Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) untersucht und deren endotheliale Stammzellen gezählt. Nach einem Jahr waren Personen mit wenigen Stammzellen signifikant häufiger einem Herzinfarkt oder einem anderen kardiovaskulären Ereignis erlegen. Die Patienten mit den meisten Stammzellen hatten - nach Berücksichtigung anderer, bekannter Risikofaktoren - ein um 69 Prozent niedrigeres kardiovaskuläres Sterberisiko. Generell erlitten Personen mit vielen Stammzellen viel seltener einen Herzinfarkt als jene mit einer niedrigen Stammzellzahl.

"Nun wird versucht, diese Zellen in ihrer Zahl und Funktion zu beeinflussen", erwähnt Schernthaner. Es hat sich unter anderem gezeigt, dass sich Medikamente, die bei Gefäßkrankheiten gegeben werden - also Statine, Glytazone, Angiotensin-2-Antagonisten - auch deshalb günstig auf die Gefäße auswirken, weil sie in der Lage sind, endotheliale Stammzellen anzuheben, "und zwar sowohl numerisch als auch in ihrer Effektivität." Gelänge es nun, die Zahl und Wirkungskraft dieser Stammzellen in einem therapeutisch wirksamen Ausmaß zu erhöhen, könnte die Gefahr von Herzkreislauf-Leiden für Zuckerkranke vielleicht gesenkt werden.

Gesenkt werden könnte auch die Zahl der Nierenversagen bei Diabetikern (weltweit sind ein Drittel aller Patienten mit Nierenversagen zuckerkrank). "Gibt man die doppelte Menge von ACE-Hemmern oder Angiotensin-2-Hemmern, wird der Blutdruck zwar nur wenig weiter abgesenkt, aber das Fortschreiten der Nierenerkrankung kann dadurch wesentlich reduziert werden", weiß Schernthaner. Inwieweit diese hohen Dosen in der Praxis zu vermehrten Nebenwirkungen führen, könne derzeit noch nicht gesagt werden, "in den Studien jedenfalls kam es zu keinen gröberen Nebenwirkungen."

Vor den Toren steht auch das inhalative Insulin. "Das wird vor allem jenen Patienten sehr willkommen sein, die eine unheimliche Scheu haben, Insulin zu spritzen oder die auf Grund ihres Alters nicht dazu in der Lage sind, und das sind gar nicht so wenige."

Die eventuellen Nachteile des Insulinsprays: Da die Oberfläche der Lunge etwa so groß wie ein Fußballplatz ist, muss man eine zehnfach höhere Dosis nehmen als tatsächlich resorbiert wird. Außerdem kann nur kurz wirksames Insulin eingeatmet werden, "die Gabe von Langzeit-Insulin ist über die Lunge nicht möglich." Zudem kann das Insulin die Lungenfunktion negativ beeinträchtigen, "allerdings nur in geringem Ausmaß, aber immerhin."

Ein weiteres Problem: Inhalierbares Insulin ist wesentlich teurer als injizierbare Produkte. Das neue Insulin wird in den USA im Jahr 2006 eingeführt und vermutlich in Bälde dann auch in Österreich zugelassen werden.

Aber auch der Insulinspray wird das "Drama" um die Zuckerkrankheit nicht lösen können. "Die Zahl der Diabetiker nimmt jährlich um fünf Prozent zu, das heißt sie verdoppelt sich alle 20 Jahre", warnt Schernthaner. Die Hauptgründe dafür seien: zu wenig Bewegung, zu viel und falsches Essen - die "McDonaldisierung" der Welt fordere ihren Tribut. Sie sei mit ein Grund, warum die Rate der Diabetiker in Indien und China nahezu explodiere. In Indien etwa hat sich das Diabetes-Vorkommen in den letzten 15 Jahren verdreifacht.

Auch TV- und Computer-Manie tragen ihren Teil dazu bei. "Die Zunahme der Diabetes-Kranken korreliert mit der Zeit, die man vor Fernseh- und Bildschirmen verbringt, je öfter und länger man am Computer und vor der Flimmerkiste sitzt, desto höher das Risiko für die Zuckerkrankheit", weiß Schernthaner.

www. sat1.at

www.oedg.org

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