... von Wolfgang Hübsch, Schauspieler und Regisseur

Ich lese gerade Fritz Lehners Roman "R" (Seifert Verlag, Wien), eine Geschichte von Liebe und Tod, von Ehrsucht und Abenteuer. Aus enttäuschter Liebe verschlägt es den jungen Matrosen Antonio Lazaro, einen Mann anscheinend ohne Talent zu heldenhafter Größe, auf das österreichisch-ungarische Expeditionsschiff Admiral Tegetthoff, das zum Nordpol vorstoßen soll.

Mit einem beschaulichen Blick auf den Horizont hebt die Erzählung an, so als hätten die zwei dutzend Männer an Bord noch eine Chance. Während sich der Leser noch in Sicherheit wiegt, bereitet sich schon das Verhängnis vor: Das Eis greift an, klaftertief öffnet es sich rundherum mit einem donnernden Knall, und die Tegetthoff friert fest.

Lehner erzählt lapidar und teilnahmslos beinahe - und gerade darum voll unterschwelliger Dramatik. Er versagt sich jegliche Koketterie mit der Lesergunst, jedes "wattierte Mitleid", wie Arno Schmidt es einmal genannt hat, das den gängigen Betroffenheitskult so wesentlich prägt. Wer also Erbauliches, Tröstendes oder Ermutigendes von diesem Erzähler erhofft, wird enttäuscht sein. Stattdessen wird er zum Sehen, Hören und Fühlen gebracht werden, er wird das schneeige Leuchten der Arktis schauen, die eisige Stille spüren, wenn sie trügerisch-sanft auf eine Wüste aus Wasser und Eis niedergeht. Und ganz unvermutet wird sich die poetische Verzauberung einstellen, die letztlich aller wahren Schriftstellerkunst zugrunde liegt. [*]

Wolfgang Hübsch, Schauspieler und Regisseur

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