Österreich

Händler, aber bitte nicht Freihändler

(c) imago/Frank Müller
  • Drucken

Spar tritt als Rächer der Bauern und Lebensmittelhersteller gegen Ceta und TTIP auf. Rewe schlägt verbindlichere Töne an. Wer und wieso vor Chlorhuhn und Hormonfleisch geschützt wird, ist in der österreichischen Diskussion lange untergegangen.

Was kann das Volksbegehren?

„Wollen Sie unsere hohen Lebensmittelstandards schützen? Dann unterschreiben Sie von 23. - 30.1.2017 das Volksbegehren gegen TTIP, Ceta und TiSA!“ Diese Aufforderung wurde in den vergangenen Wochen nicht auf großen Bannern und Plakaten durch die Luft geschwenkt. Die Kampagne gegen gleich drei Handelsabkommen fand auf viel subtilere Art und Weise ihr Publikum: auf den Rechnungsbons des österreichischen Handelsriesen Spar. Denn dessen Miteigentümer und Geschäftsführer Gerhard Drexel mischte an vorderster Front unter den Freihandelsgegnern mit.Die letzte und entscheidende Hürde – und der mögliche Sargnagel für Vertragsbereiche in nationaler Zuständigkeit wie es der umstrittenen Investorenschutz ist – steht erst noch in den 28 nationalen Parlamenten der Mitgliedsstaaten ins Haus. Fast 563.000 Unterschriften haben die Initiatoren der „Nein“-Kampagne sammeln können. Jetzt hoffen sie, dass Ceta dank ihres in Inseraten und auf Spar-Rechnungsbons beworbenen Volksbegehrens im Nationalrat aufgehalten wird. Josef Domschitz, der Vertreter der österreichischen Lebensmittelindustrie, hält das nicht für wahrscheinlich. Spätestens im April werde zumindest der Teil des Vertrags, mit dem 99 Prozent der gegenseitigen Handelsschranken fallen, in Kraft treten.

Er weiß die Regierung in seinem Rücken und verweist auf deren kürzlich veröffentlichtes Programm. Dort steht unter dem Punkt „Österreich in Europa und der Welt“: „Gerade aufgrund der geänderten handelspolitischen Rahmenbedingungen nach der Wahl des US-Präsidenten und dem geplanten Austritt Großbritanniens aus der EU ist der Abschluss solcher Handelsabkommen für die Exportnation Österreich von besonderer Bedeutung.“ Dagegen könnten sich auch die gegnerischen Kräfte von Spar bis hin zu den niederösterreichischen SPÖ-Bürgermeistern nicht verschließen.

Die Aversion gegen TTIP und Co hatte in Österreich einen verblüffend verbindenden Effekt: Plötzlich fanden sich Menschen im Kampf gegen Chlorhuhn, Hormonfleisch und anonyme Schiedsgerichte vereint, die selten bis nie für dieselbe Sache eintreten. Grüne, FPÖ, Kirchenvertreter, Bauernvertreter, Gewerkschafter und niederösterreichische SPÖ-Bürgermeister traten an der Seite von berufsmäßigen Globalisierungskritikern wie Greenpeace, Attac und Global 2000 gegen die Verträge auf.

Aber selbst in dieser bunten Gegnerschaft stach der Lebensmittelhändler Spar heraus. Im monatelangen Zusammenspiel mit der „Kronen Zeitung“, in der zuletzt auch sein Testimonial Mirjam Weichselbraun für das Volksbegehren warb, wird seine Position breitenwirksam an den Mann gebracht: Spar sorgt sich um Österreichs Konsumenten, Landwirte und Lebensmittelproduzenten. Eine gemeinsam mit Umweltschützern von Drexel schon vergangenen Frühling in Auftrag gegebenen IHS-Studie kam zum Ergebnis, dass rund 4700 Arbeitsplätze in der Agrar- und Lebensmittelwirtschaft bis 2025 wegfallen, wenn TTIP in Kraft treten sollte.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Dossier

Handel mit der Welt: Die "Exportnation" Europa

Im Windschatten Deutschlands hat die EU sich zu wichtigen Exporteur entwickelt.
Ceta/TTIP

Oh wie schön ist Kanada?

Das Ceta-Abkommen zum Abbau von Handesschranken zwischen Europa und Kanada ist bisher nur vorläufig abgeschlossen. Das EU-USA-Abkommen liegt überhaupt auf Eis. Das dürfte auch so bleiben.
Drehenrder Globus
Faktencheck

Die Welt ist doch kein Dorf: Faktencheck zur Globalisierung

Was ist an den populären Aussagen über die Globalisierung wirklich dran? Und was ist Mythos?
Nafta

Der amerikanische Pakt

US-Präsident Donald Trump will das Nafta-Abkommen platzen lassen. Oder zumindest "optimieren". Wie? Das ist offen. Das Abkommen dient derweil als Vorbild.
Russland

Warum sich Trump von Putin beraten lassen sollte

Kaum jemand hat so viel Erfahrung mit Handelsbeschränkungen wie der Kremlchef. Die meisten verfehlten ihr Ziel. Aber es gibt auch Ausnahmen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.