Gasteiner Heilstollen: Tropisches Klima Radon gegen Rheuma

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Schmerzlinderung kann eine Behandlung im Gasteiner Heilstollen bewirken. Das weltweit größte Therapiezentrum gegen die rheumatische Erkrankung Morbus Bechterew ist heuer 60. Positive Effekte gibt es auch bei Asthma.

Viele fahren nur des kleinen Abenteuers oder der Neugierde wegen hin. Die meisten aber suchen und finden hier, im tropischen Inneren des Berges, Linderung von allen möglichen Schmerzen und Beschwerden. Und es sind nicht wenige, die das tun: 14.000 Patienten machen jährlich im Gasteiner Heilstollen eine Therapie, die im Fachjargon recht sperrig kombinierte Low-Dose-Radon- und Hyperthermie-Therapie heißt.

Der Stollen in Bad Gastein – er feiert heuer übrigens seinen 60. Geburtstag – kann auch mit zwei bemerkenswerten Superlativen aufwarten: Seine Kombination aus Radon, Wärme und Feuchtigkeit ist weltweit einzigartig, wobei Feuchte und Wärme die Wirkung des Radons verstärken. Zudem ist der Heilstollen das weltweit größte Therapiezentrum für Morbus Bechterew.

Tiefgreifende Schmerzlinderung

M. Bechterew ist eine chronisch-entzündliche rheumatische Erkrankung, die meist zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr beginnt, sehr schmerzhaft ist und zu einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Versteifung der Wirbelsäule führen kann. „Bei dieser Krankheit bewirkt eine Stollenkur im Verein mit anderen Maßnahmen monatelang eine bemerkenswerte und tiefgreifende Schmerzlinderung“, betont Bertram Hölzl, Dozent, Chefarzt des Gasteiner Heilstollens und Leiter der Inneren Medizin in der Landesklinik St. Veit im Pongau. Und der 41-jährige Patient Jens Clausnitzer sekundiert: „Weniger Schmerzen, weniger Medikamente und endlich wieder ein normaler Alltag. Das verdanke ich der Gasteiner Heilstollentherapie, die ich einmal jährlich durchführe.“

Weniger (gefährliche) Arzneien

Die Schmerzlinderung im Berg ist auch mehrfach durch Studien bestätigt. Eine der jüngsten Radonstudien mit Patienten mit chronischen Schmerzen des Bewegungsapparates fand im Gasteiner Radonthermalstollen (knapp 150 Probanden) und in mehreren Zentren in Österreich und Deutschland (rund 500 Probanden) statt. Eine Gruppe wurde mit Radon, eine andere mit Placebo behandelt. Ergebnis: Die mit Radon behandelten Patienten zeigten eine signifikant deutlichere Schmerzreduktion gegenüber den Patienten unter Vergleichsbehandlung ohne Radon. Schmerzlinderung und Medikamentenreduktion bringt die Radonkur im Berg unter anderem aber auch bei rheumatoider Arthritis und degenerativen Gelenkserkrankungen wie Arthrose. Ein Weniger an Medikamenten ist aber gerade im Fall von Rheuma wesentlich, haben doch die NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika) gefährliche Nebenwirkungen, die immer wieder zum Tod führen.

Selbstheilungskräfte anregen

Ist nicht auch das radioaktive Edelgas Radon gefährlich? Bei kurmäßig zehn Sitzungen von je 60 Minuten ist man einer Strahlenbelastung von 1,8 Millisievert ausgesetzt. Die normale jährliche Belastung durch natürliche Strahlenexposition beträgt etwa 2,4 mSv, bei einer CT-Aufnahme des Brustkorbs kommt es zu einer Strahlenbelastung von zehn mSv. „In Japan behandelt man bestimmte Krebsarten mit niedrig dosiertem Radon, weil man davon ausgeht, dass das Immunsystem dadurch gestärkt wird“, weiß Hölzl. Eine Verbesserung der Abwehrkräfte durch Radon sei wissenschaftlich zwar noch nicht 100-prozentig belegt, aber es gebe eine Reihe von seriösen Hinweisen, dass kurze Radonimpulse körpereigene Regulationsmechanismen und Selbstheilungskräfte anregen sowie zur vermehrten Ausschüttung von Glückshormonen führen.

Belegt ist indes, auf welche Weise Radon schmerzlindernd wirken kann – unter anderem durch Studien der Universität Innsbruck, eines Ludwig Boltzmann-Instituts in Wien und des Forschungsinstituts Gastein der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg. Forschungsinstitutsleiter Markus Ritter: „Radon beeinflusst nachweislich das Entzündungs- und Immungeschehen. Heilungsfördernde und entzündungshemmende Botenstoffe wie TGF-beta1 werden aktiviert. TGF-beta1 ist ein funktioneller Gegenspieler von TNF-alpha, einem hormonähnlichen Botenstoff, der wesentlich am entzündlichen Krankheitsgeschehen beteiligt ist.“

Hilfe auch bei Osteoporose?

Dieses TGF-beta1 bringt aber noch andere Vorteile mit sich: Es fördert die Aktivität von knochenaufbauenden Zellen und beeinträchtigt gleichzeitig das schädigende Werk von knochenabbauenden Osteoklasten. Eine Studie mit Bechterew-Patienten mit Osteoporose ergab denn auch eine wesentliche und monatelang anhaltende Schmerzreduktion sowie günstige Effekte auf den Knochenstoffwechsel. Ein Anstieg der Knochendichte ist damit aber noch nicht 100-prozentig nachgewiesen, das soll in weiteren Studien geprüft werden.

Kontrollierte Studien belegten übrigens auch eine deutliche Schmerzsenkung bei Fibromyalgie, also Weichteilrheuma. Gesichert ist zudem eine positive Wirkung bei allergischem Asthma, bei Neurodermitis, Psoriasis und Heuschnupfen, unterstützend wirksam ist eine Radonkur bei der Lungenkrankheit COPD sowie bei Durchblutungsstörungen. Positive Beobachtungen wurden auch bei Polyneuropathie gemacht.

Hinterher schwanger

„Radon bringt aber auch eine hormonelle Stimulation mit sich und regt die Drüsen in ihrer Aktivität an. Ich kenne einige Paare, die wegen unerfüllten Kinderwunsches hierhergekommen sind und wo die Frau hinterher schwanger wurde. Aber bitte, das ist nicht Wissenschaft, sondern langjährige Erfahrung“, betont Martin Mayrhofer, Kurarzt und Hausarzt im Europäischen Hof, das dem Stollen am nächsten gelegene Fünfsternehotel, das freilich auch eigene Heilstollen-Kurpackages mit medizinischer Erstuntersuchung in seinem Programm hat. „Schwer klaustrophobisch darf man halt nicht sein“, meint Hoteldirektor Dietmar Wernitznig. Ein einziges Mal, erinnert sich Wernitznig, hätte ein Gast deswegen auf eine Stolleneinfahrt verzichten müssen.

Nicht jedermanns Sache

Kontraindiziert ist eine Einfahrt auch bei frischer Krebserkrankung, schwerem Herzleiden, akutem Infekt oder Schwangerschaft. Und freilich, wer kein tropisches Klima aushält, wer es also nicht heiß und feucht mag, sollte sich einen Besuch im Berginneren auch überlegen: Immerhin bringen einen hier Temperaturen von 37 bis 41,5 Grad Celsius und eine Luftfeuchtigkeit von 70 bis 100 Prozent ganz schön ins Schwitzen.

Auf einen Blick

Chronischer Schmerz des Bewegungsapparates, chronische Entzündungen sowie Erkrankungen der Atemwege und der Haut sind die wichtigsten Indikationen für eine Radontherapie im Gasteiner Heilstollen.
Schmerzlinderung wird unter anderem bei rheumatoider Arthritis, bei Arthrose, Osteoporose oder Morbus Bechterew erzielt. Auch allergisches Asthma oder Neurodermitis sind Indikationen. Die Gasteiner Heilstollentherapie ist ein anerkanntes Kurmittel und wird in vielen Fällen von den Krankenkassen bezahlt.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER
www.gasteiner-heilstollen.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.08.2012)

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