Impfung bei Hirntumoren: Erste Ergebnisse ermutigend

(c) LKH-Univ.-Klinikum Graz
  • Drucken

Antikörper sollen bösartige Zellen eines bestimmten Gehirntumors gezielt am unkontrollierten Wachstum hindern.

Jährlich erkranken in Österreich rund 600 Personen an einem Gehirntumor. Das Glioblastom (Glioblastoma multiforme) ist die häufigste und aggressivste Form des Gehirntumors bei Erwachsenen. Eine Impfung könnte in naher Zukunft die Überlebenschancen deutlich verbessern.

Das Problem bei Gehirntumoren ist, dass man bei einer Operation nicht – wie zum Beispiel bei Brust- oder Darmkrebs – im gesunden Gewebe schneiden kann, um einen Sicherheitsabstand zu erzielen. Denn im Gehirn haben auch die den Tumor umgebenden Zellen wichtige Funktionen: Je nach Lage der Krebsgeschwulst könnten das Denken, das Sehen, die Fähigkeit zu sprechen etc. beeinträchtigt oder zerstört werden.

Neuer Ansatz verspricht Hoffnung

Daher kann bei der Operation – im besten Fall – der sichtbare Tumor entfernt werden. Die mikroskopisch kleinen Fortsätze des Tumors aber, die bereits das umgebende Gewebe infiltriert haben, können nicht operativ eliminiert werden. So besteht nach wie vor die Gefahr, dass sich nach der – größtmöglichen – Entfernung des Haupttumors die verbliebenen Zellen vermehren und zu einer neuen Geschwulst heranwachsen. Chemo- und Strahlentherapie sollen dies verhindern. Doch leider kann das erneute Tumorwachstum dadurch nicht zu 100 Prozent verhindert werden.

Ein neuer immuntherapeutischer Ansatz verspricht nun Hoffnung bei einer bestimmten, häufig auftretenden Form des Gehirntumors (EGFRvIII Rezeptor positives Glioblastom). Bei dieser Form ist ein Wachstums-Rezeptor der Zelle dahingehend mutiert, dass er die Zelle zu ständigem, unkontrolliertem Wachstum anregt. Und genau hier greift der neue Therapieansatz an: Ähnlich wie bei einer Grippe- oder Polioimpfung wird das körpereigene Immunsystem dazu angeregt, Antikörper zu produzieren. Diese Antikörper sollen die verbliebenen, mikroskopisch kleinen Tumorzellen erkennen und zielgerichtet zerstören.

Univ.-Prof. Dr. Christine Marosi von der Wiener Universitätsklinik für Innere Medizin I: „Der Ansatz dieser Therapieform ist äußerst ,elegant‘ und effektiv: Die auf Grund der Impfung gebildeten Antikörper greifen ausschließlich eine ganz bestimmte Struktur auf der Oberfläche der Tumorzelle an, nämlich den mutierten Wachstums-Rezeptor. Dadurch kann ganz gezielt das unkontrollierte Wachstum der bösartigen Zellen ausgeschaltet werden, die gesunden Zellen aber bleiben unbeschadet.“

Höhere Überlebenschancen

Die Wirksamkeit dieser Impfung wurde und wird nun in weiteren Studien untersucht. Die Patienten erhalten dabei die neue Immuntherapie zusätzlich zu Operation, Chemo- und Strahlentherapie.

Marosi: „Da die weiteren Studien zur Zeit nur in den USA laufen, haben wir in Europa leider noch keine Möglichkeit, diese Therapie zu erproben. Aber die vorliegenden Daten, es handelt sich um so genannte Phase II Studien, sind bezüglich der durchschnittlichen Überlebensdauer beziehungsweise der durchschnittlichen Dauer, bis die Erkrankung wieder fortschreitet, durchaus ermutigend.“ Die Nebenwirkungen sind gering, zumeist handelt es sich um lokale Reaktionen wie Hautschwellungen an der Einstichstelle der Impfung.

„Diese Therapieform wird in Zukunft mit größter Wahrscheinlichkeit die Überlebenschancen jener Menschen, die an dieser speziellen Form des Glioblastoms erkranken, deutlich steigern können“, ist Marosi überzeugt.

AUF EINEN BLICK

Bei der Operation eines Hirntumors können kleinste Krebs-Fortsätze meist nicht entfernt werden.

Eine Impfung soll zur körpereigenen Produktion von Antikörpern führen, die die verbliebenen Krebszellen zerstören sollen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.10.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.