Wie gesund ist Extremsport wirklich?

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RISIKO: Eine Gefahr bei (Extrem-)Sportlern: Wird trotz leichter Infekte weitertrainiert, kann es zu Herzmuskelentzündung und im schlimmsten Fall zu Herzversagen kommen.

Der Steirer Gerfried Göschl zählt mit fünf bestiegenen Achttausendern zu den weltweit erfolgreichsten Höhenbergsteigern. Dass er Strapazen, Sauerstoffmangel und extreme klimatische Bedingungen körperlich und seelisch gut übersteht, schreibt er der gezielten Vorbereitung auf seine Expeditionen zu. „Trainieren heißt für mich aber nicht, meinen Körper dauernd voll zu belasten – ganz im Gegenteil, zwei Drittel meines Trainings absolviere ich mit niedriger Pulsfrequenz, also etwa durch langsames Laufen oder gemächliche Skitouren im Winter.“

25 Liter Flüssigkeit pro Tag

Was Göschl, im Hauptberuf Lehrer, von Hobbysportlern unterscheidet, ist vermutlich seine Konsequenz im Training: „Sicher würde ich mitunter gerne abends vor dem Fernseher sitzen, aber in Anbetracht meiner nächsten Ziele gehe ich dann doch lieber noch zwei Stunden trainieren.“

Genauso wie sich der Bergsteiger Zeit für die Vorbereitung nimmt, genauso wichtig ist die Zeit für die Akklimatisation an die Höhenbedingungen. Die langsame Anpassung an die Höhe soll vor dem unter Höhenbergsteigern gefürchteten Höhenlungenödem schützen. Der niedrige Sauerstoffpartialdruck in hohen Bergen – das Risiko beginnt schon bei längeren Aufenthalten über 2500 Metern – erhöht die Durchlässigkeit der Gefäße und kann zu lebensbedrohlichen Wasseransammlungen in der Lunge führen, wenn der Organismus nicht langsam an die Bedingungen gewöhnt wurde.

Extremste sportliche Leistungen prägen auch das Leben von Wolfgang Fasching: Bereits achtmal nahm er am härtesten Radrennen der Welt, am „Race Across America“ teil, das innerhalb von rund neun Tagen über knapp 5000 Kilometer von der West- an die Ostküste führt. Achtmal stand Fasching auf dem Podest, dreimal als Sieger. Während der Rennen kam Fasching mit nur eineinhalb Stunden Schlaf täglich aus und verbrauchte unter anderem rund 25 Liter Flüssigkeit pro Tag.

„Meinen Körper extrem zu fordern, ist für mich sicher die gesündere Variante ihn zu belasten, als gar keine Bewegung zu machen, ungesund zu essen und zu rauchen“, meint Fasching. Dass er die tagelangen Radrennen, abgesehen von kleineren Blessuren und einem Schlüsselbeinbruch nach einem Sturz, gut überstanden hat, schreibt er auch der engmaschigen medizinischen Betreuung zu.

Um als Extremsportler gesund zu bleiben, braucht es neben dem regelmäßigen Training und den medizinischen Checks aber genauso soziale Unterstützung und eine entsprechende mentale Einstellung, ist Fasching überzeugt. „Wenn ich mit Begeisterung und Freude an die Sache herangehe, dann mache ich sie auch gut. Zudem geben mir meine Frau und meine Freunde viel Kraft.“

Medizinische Überwachung nötig

Dass extremste körperliche Belastungen ein gesundes Herz-Kreislauf-System nicht nachhaltig schädigen dürften, zeigen Untersuchungen, die Univ.-Doz. Dr. Günther Neumayr, Vorstand der Internen Abteilung am Krankenhaus Kitzbühel durchgeführt hat. „Wir haben Teilnehmer von Ultra-Radmarathons, die über zwölf oder 24 Stunden mit bis zu 12.000 Höhenmetern auf dem Rad absolviert haben, genau auf ihre Herzgesundheit untersucht.“

Zwar fand sich bei 30 bis 40 Prozent der Probanden im Blutplasma ein Anstieg jener Eiweißstoffe, die auch bei Patienten nach einem Herzinfarkt oder einer anderen schweren Herzerkrankung zu sehen sind (Troponin I und Troponin T), allerdings war bei den Sportlern dieser Laborwert nach 24 Stunden wieder normal. „Bei Infarktpatienten bleibt dieser Anstieg dagegen bestehen und deutet auf die Schädigung des Herzmuskels hin“, erklärt der Internist und Sportmediziner.

„Bei den Extremsportlern dürfte der vorübergehende Anstieg der Troponine eher eine Anpassungsreaktion sein als ein Hinweis auf einen subklinischen Herzschaden“, meint Neumayr. Auch im EKG oder Herzultraschall wurde bei den Extremsportlern kein Hinweis auf einen dauernden Herzschaden gefunden.

Kommt es bei Hochleistungs- oder Extremsportlern dagegen zu Herzerkrankungen oder zu einem plötzlichen Herztod, dann ist ein solcher nahezu immer auf einen bereits bestehenden Herzschaden zurückzuführen. „Die Gefahr beim Training besteht darin, dass bei leichten Infekten weitertrainiert wird und es zu einer zunächst unbemerkten Herzmuskelentzündung kommt. Kleinste Narben am Herzmuskel führen dann zum Herzversagen“, erklärt Neumayr. „Darum ist auch die engmaschige medizinische Überwachung während des Trainings so wichtig.“

Warnung mit Nachdruck

Extreme Leistungen, so betont auch der niederösterreichische Unfallchirurg und Sportmediziner Erich Altenburger, sind aber nur auf Basis eines entsprechend hohen „Trainingsalters“ möglich. „Extremsportler wie beispielsweise Wolfgang Fasching haben in der Regel schon in der Jugend mit regelmäßigem Training begonnen und ihren Körper sukzessive an die Höchstbelastungen herangeführt – dann sind auch für Gelenke oder Bänder kaum Belastungsschäden zu erwarten.“

Wovor Altenburger jedoch mit Nachdruck warnt, ist der Versuch, sich nach nur wenigen Wochen oder Monaten Vorbereitung im Marathon oder in anderen Extremleistungen zu versuchen. Allein das Risiko für Verletzungen an Sehnen oder Knorpeln sei zu hoch. Extremsportler dagegen, die über Jahre hinweg regelmäßig trainieren, „sind erstaunlich wenig verletzt – das Training scheint für den Organismus durchaus positive Effekte zu haben“, betont Altenburger.

SPORTÄRZTEWOCHE

Beim „Presse“-Kamingespräch „Sport oder Wahnsinn“ am Montag, 8. Dezember, im Rahmen der diesjährigen Sportärztewoche in Zell am See werden unter anderem die beiden Extremsportler Gerfried Göschl und Wolfgang Fasching mit Psychologen und Medizinern über die Herausforderung „Alpin-Xtrem“ diskutieren. Moderatorin ist „Presse“-Mitarbeiterin und Sportpsychologin Mag. Christina Lechner.

Über grenzenlose Herausforderungen und Erfolgsstrategien im Extremsport referieren Göschl und Fasching bereits am späten Nachmittag.

www.aerztekongress.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2008)

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