Geheime Medikamenten-Tests in Österreich

ARCHIV -  Eine Apothekerin nimmt in Hannover am 17. Januar 2006 Medikamente aus der Schublade des Med
ARCHIV - Eine Apothekerin nimmt in Hannover am 17. Januar 2006 Medikamente aus der Schublade des Med(c) AP (Kai-uwe Knoth)
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Der Antikorruptionsverein "Transparency" warnt vor geheimen Medikamentenstudien. Ärzte sollen für die Dokumentation von Nebenwirkungen verordneter Arzneien bezahlt werden.

Sind wir ahnungslose Probanden? Laut einem Bericht im "Ö1 Morgenjournal" vom 1. Februar nehmen österreichische Patienten ohne es zu wissen an medizinischen Studien teil. Ö1 beruft sich auf den Antikorruptionsexperten Bernhard Rupp, er spricht sich dafür aus, dass heimische Ärzte von Pharmakonzernen bezahlt werden, so sie im Rahmen ihrer Arbeit Wirkung und Nebenwirkungen von Medikamenten dokumentieren. Die betroffenen Patienten müssen für die sogenannten "Anwendungsbeobachtungen" aber nicht informiert werden.

Geld für geheime Studien

Laut Rupp verteilen Pharmareferenten regelmäßig anonymisierte Fragebögen an Ärzte, pro Patient – und hier bezieht sich die genannte Quelle auf Zahlen aus Deutschland – werden die Mediziner mit zehn bis 1000 Euro entlohnt.

Gefahr der Manipulation

Problematisch sei, dass es sich in vereinzelten Fällen um Marketingmaßnahmen von Pharmafirmen handeln könnte. Während derartige Tests bei neuen Medikamenten nicht ungewöhnlich und teilweise sogar verpflichtend seien, könnten Tests von erprobten Wirkstoffen das Verhalten von Ärzten beeinflussen. Immer wieder wurde auch der Verdacht geäußert, dass sich die Pharmaindustrie auf diesem Weg nicht bloß Marktanteile zu sichern versucht, sondern auch neue Medikamente schneller in den Markt einführen könnte.

Meldepflicht soll kommen

Das Gesundheitsministerium fordert eine Meldepflicht für derartige Studien, diese soll in den kommenden Monaten eingeführt werden, so Ö1. Dass betroffene Patienten informiert werden müssen, ist aber nicht geplant. Dazu wäre laut Gesundheitsministerium eine Gesetzesänderung nötig.

"Es geht um Transparenz"

"Alles ist noch im Fluss. Im Verlauf der nächsten Woche soll es ein Gespräch mit der Pharmig (Verband der pharmazeutischen Industrie, Anm.) geben. In der Verordnung selbst soll eine Meldepflicht für solche Studien an die AGES-PharmMed verankert werden. Es geht um Transparenz", sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. Zu klären sei jetzt, wer in Zukunft wie viele Daten über solche Studien erhalte. Der Wiener Pflege- und Patienteanwalt Brustbauer tritt ebenfalls für mehr Transparenz bei Studien im Zusammenhang mit zugelassenen Medikamenten ein.

"Patienten sollten informiert werden"

Der Stellvertretende Generaldirektor des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, Christoph Klein, begrüßt die Initiative des Gesundheitsministeriums, forderte aber zwei Ergänzungen: "Tatsache ist, dass wir keine Ahnung haben, wie häufig und in welchem Ausmaß solche Studien erfolgen. Wir wollen für die Krankenkenversicherungen wissen, welche Ärzte daran teilnehmen." Durch die Gegenüberstellung mit der Verschreibpraxis des Arztes könnten dann Marketingeinflüsse durch solche Studien herausgefiltert werden. Die zweite Forderung von Klein: "Die Patienten sollten informiert werden."

118 Studien in einem Halbjahr

Während es für Österreich keine statistischen Daten gibt, sollen in Deutschland beispielsweise im zweiten Halbjahr 2005 rund 118 Studien mit 57.000 beteiligten Ärzten und 355.000 Patienten durchgeführt worden sein. In Deutschland sind sie im Fachjargon genannten "Seeding-Studies" bereits meldepflichtig.

(sh./APA)

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