Transplantationen: "Österreich liegt im Spitzenfeld"

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Warum braucht man in Österreich keinen Organspenderausweis, welches Organ wird am häufigsten übertragen und wann kommt eine Lebendspende infrage? Ein Interview mit Josef Kovarik, dem Tagungspräsidenten der Austrotransplant.

Von 24. bis 29. Oktober findet in Villach die 24. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Transplantation, Transfusion und Genetik statt. Passend zur Austrotransplant hat die DiePresse.com dem Tagungspräsidenten Josef Kovarik ein paar Fragen zum Thema gestellt.

Welchen Stellenwert hat der Standort Österreich in der Transplantationsdisziplin? Welche Behandlungen sind hier besonders aussichtsreich, wo gibt es Aufholbedarf?

Österreich liegt hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung mit Transplantationsleistungen aller Art im internationalen Spitzenfeld. Dieses Statement gilt für die Zahl der Transplantationen/Million Einwohner (günstige Gesetzeslage bezüglich Spenderaufkommen durch Widerspruchslösung) und die Ergebnisse der Transplantationen (Transplantatüberleben), sodass qualitativ kein Aufholbedarf besteht.

Josef Kovarik
Josef KovarikCopyright: privat

Obwohl auch bei der Lebendspende mit etwa 15 Prozent aller Transplantationen der Niere gute Ergebnisse erzielt werden, liegt hier in Österreich noch Aufholbedarf. Zum Vergleich: Die Lebendspende der Niere liegt in Skandinavien und den USA bei ca.50%.

Welches Organ wird in Österreich am häufigsten transplantiert, lässt sich das in einem gesellschaftlichen Kontext erklären?

Am häufigsten wird natürlich die Niere transplantiert. Es ist das einzige Organ, bei dem die Dialysebehandlung als alternativer "Langzeitorganersatz" gilt.

Welche Organe können am derzeitigen Stand der Wissenschaft übertragen werden, welche nicht? Kann ein Augapfel beispielsweise transplantiert werden?

Niere, Leber, Lunge (auch von Lebendspendern, z.B. Split-Leber, also nur ein Teil der Leber, oder eine Niere), weiters Herz, Bauchspeicheldrüse, Darm, Extremitäten (Composite Tissue Allografts), Knochenmark, Stammzellen und Gefäße (Arterien). Im Wesentlichen ist das alles, die Übertragung eines Augapfel ist mir nicht bekannt.

Es gibt natürlich auch kombinierte Transplantationen wie, Niere-Bauchspeicheldrüse, Herz-Niere, Herz-Lunge, Herz-Leber, Leber-Niere, Leber-Darm usw. In Einzelfällen gibt es auch Vielfach-Transplantationen wie z.B Niere-Herz-Leber-Darm-Pancreas in einer Sitzung.

Welche Erfolgsaussichten haben Organübertragungen allgemein?

Die Erfolge werden in Transplantatüberlebenszeiten angegeben, das ist ein Wert in Prozent, der angibt wie viele Organe nach einer gewissen Zeit (1,5,10 Jahren etc. noch funktionieren). Diese Ergebnisse sind von einer Unzahl an Variablen beeinflusst wie dem Alter des Spenders, dem Alter des Empfängers, der Art der Transplantation, die gewählte Immunsuppression, Zentrumserfahrung des Transplantationszentrums, usw., usw.

Insgesamt sind die Ergebnisse gut, werden durch Optimierung der chirurgischen Technik und der Immunsuppression (und andere Faktoren wie Infektionsprophylaxe) laufend verbessert, wobei man nie vergessen darf, dass die Patienten (mit Ausnahme der Dialyse) keine andere Chance als die Transplantation haben. Es handelt sich um eine "Einbahnstrasse", d.h. die Alternative ist der Tod. Es zählt natürlich immer das Einzelschicksal, dennoch ist die Transplantation ein "statistisches" Problem.

Als Vorstand der Abteilung Nephrologie und Dialyse am Wiener Wilheminenspital können Sie auf einen reichen Erfahrungsschatz als Mediziner zurückgreifen. Welche Frage stellen Patienten, die eine Organspende benötigen, am häufigsten? Ihre Antwort?

Persönlich bin ich in meiner ärztlichen Laufbahn vorwiegend mit nierenkranken Patienten in Berührung gekommen. Die Fragen der Patienten (die an der Dialyse sind) betreffen meist die Transplantabilität (ob Sie überhaupt geeignet sind), die Überlebensaussicht bei Transplantation im Vergleich zur Fortsetzung der Dialyse, Vorteile und Risiken einer Transplantation usw.

Mein bester Freund benötigt eine Niere, darf ich sie ihm spenden? Herr Prof. Kovarik, wann kommt eine Lebendspende überhaupt in Frage?

Wenn nachvollziehbar ist, dass es tatsächlich eine hohe emotionale Bindung gibt ("Lebensfreundschaft") kommen Sie als "nicht verwandter Lebendspender" durchaus in Frage. Wenn der Spender gesund ist und Freiwilligkeit besteht und er die Kriterien als Spender erfüllt: immer.

Wie wird die Organspende in Österreich geregelt? Braucht man als geneigter Spender einen Organspenderausweis?

Hier gilt die Widerspruchslösung. Man nimmt an, dass der Spender mit der Organentnahme einverstanden ist, es sei denn er hat zu Lebzeiten seine Ablehnung zur Organspende im Widerspruchsregister dokumentiert. Organspenderausweis ist in Österreich keiner notwendig (im Gegensatz zu Ländern, in denen die "Zustimmungslösung" existiert, z.B. in Deutschland).

Können Angehörige der Organentnahme eines verstorbenen Familienmitglieds, wenn er sich zu Lebzeiten nicht im Widerspruchsregister eingetragen hat, noch entgegenwirken?

Gesetzlich eigentlich nicht, im Regelfall respektieren die Spenderzentren jedoch den Wunsch der Familie und verzichten auf die Organentnahme.

Herr Prof. Kovarik, was wäre für Sie persönlich ein Durchbruch auf dem Gebiet der Organtransplantation?

Eine Toleranzentwicklung des Empfängers gegen das transplantierte Spenderorgan, d.h keine Risiken und Spätfolgen (Toxizität, Malignomrisiko) durch Immunsuppression.

Diepresse.com dankt für das Interview.

Zur Person

Univ.-Prof. Dr. Josef Kovarik ist Vorstand der Abteilung für Nephrologie und Dialyse am Wilhelminenspital in Wien und Tagungspräsident der Austrotransplant 2010, der Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Transplantation, Transfusion und Genetik. Die Austrotransplant findet von 27. bis 29. Oktober in Villach statt. 400 nationale und internationale Experten werden in diesem Rahmen neue klinische und experimentelle Daten vorstellen und diskutieren.

(sh.)

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