Studie: Sogar Alltagsbewegung senkt Sterberisiko

Sogar Alltagsbewegung senkt Sterberisiko
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Durch Bewegung - sei es in Alltag, Beruf oder Freizeit - kann das Sterberisiko um bis zu 40 Prozent gesenkt werden. Dies ergab eine Auswertung von Langzeitstudien.

Mit Bewegung und Sport hält man sich fit, verbessert seine Gesundheit und beugt diversen Erkrankungen wie Diabetes oder Gefäßverkalkungen und somit einem vorzeitigen Tod vor. „Das wissen alle. Aber keiner hat sich bisher angesehen, was mehr körperliche Aktivität am Ende wirklich bringt“, sagt Günther Samitz, Bewegungswissenschaftler am Zentrum für Sportwissenschaft der Universität Wien. „Es gibt kaum aussagekräftige Analysen zum Dosis-Wirkungs-Zusammenhang.“

Samitz hat – gemeinsam mit Präventivmedizinern und Epidemiologen der Universitäten Bern und Bristol – in den letzten fünf Jahren unterschiedlichste körperliche Betätigungen genau unter die Lupe genommen. Was bringt es mir zum Beispiel, zweieinhalb Stunden pro Woche laufen zu gehen? „Sie reduzieren damit Ihr Sterberisiko um etwa 22 Prozent“, berichtet Samitz.

Die Forscher untersuchten dafür den Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität in Beruf, Alltag und Freizeit und dem Gesamtsterberisiko. Dazu durchforsteten sie rund 7000 Einzelstudien, von denen 80 epidemiologische Studien die Kriterien erfüllten. Diese dienten als Grundlage für eine Meta-Analyse: Die Ergebnisse der Einzelstudien wurden mit statistischen Verfahren zu einem Gesamtergebnis kombiniert. Insgesamt flossen also Ergebnisse von 1,3 Millionen Untersuchungspersonen aus Europa, den USA, Asien und Australien ein. Diese durften vor Studienbeginn an keinen chronischen Erkrankungen gelitten haben.


Lange Beobachtungen. „Derartige Studien sind meist Langzeitstudien. Die Personen wurden durchschnittlich elf Jahre nachbeobachtet“, so Samitz. „Die Ergebnisse wurden kombiniert und um wichtige andere Einflussfaktoren wie z.B. Body-Mass-Index, Zigaretten- und Alkoholkonsum, Blutdruck, Ernährungsverhalten, Bildung und Einkommen korrigiert.“ Daraus berechneten die Forscher u.a. den Gesundheitsnutzen in Abhängigkeit von der wöchentlichen körperlichen Aktivität.

Fazit: Jede körperliche Aktivität ist besser als keine. „Selbst banale Alltagsaktivitäten wie Treppensteigen bewirken einen Überlebensvorteil“, so Samitz. Mehr und intensivere Bewegung bringen jedoch einen höheren Gesundheitsnutzen. Als generelle Regel gilt: Körperliche Freizeit- und Alltagsaktivitäten bringen größeren Nutzen als berufsbezogene Bewegung. Jede Stunde, die in der Woche mit leichten bis mäßig intensiven Alltagsaktivitäten zugebracht wird – etwa mit Haushalts- oder Gartenarbeit, den Hund spazieren führen und Besorgungen zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigen –, vermindert im Vergleich zu keiner Bewegung das Sterberisiko um vier Prozent.

Bei mäßig intensiven Freizeitaktivitäten wie Nordic Walking, Tanzen, Radausflügen und Schwimmen sind es sogar sechs Prozent, und bei intensiverem Ausdauertraining wie Laufen, Mountainbiking, Bergwandern oder Aerobic bereits neun Prozent. Die von der WHO empfohlenen zweieinhalb Stunden moderater Alltags- oder Freizeitbewegung pro Woche bringen eine Reduktion der Gesamtsterblichkeit von zehn Prozent. Bei 300 Minuten moderat intensiver Alltags- und Freizeitaktivität kann man sein Sterberisiko um 19 Prozent verringern, mit intensiverem Ausdauertraining sogar um 39 Prozent.

Bei Frauen wirkt es mehr. „Verblüffenderweise haben Frauen bei gleicher Aktivität eine um zehn bis vierzehn Prozent stärkere Risikoreduktion als Männer“, erläutert Samitz. Die Gründe dafür liegen noch im Dunkeln. Die Wissenschaftler vermuten, dass dies mit den Hormonen der Frau zusammenhängt.

Die Studienergebnisse sind Wasser auf die Mühlen der Weltgesundheitsorganisation WHO, die schon seit Jahren predigt, dass bereits 1,5 Prozent der Zeit pro Woche (also 150 Minuten), die in moderate Aktivität und Bewegung investiert werden, Erwachsene vor chronischen Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Erkrankungen der inneren Organe, Krebskrankheiten, Atemwegs-, Haut- und Stoffwechselerkrankungen sowie vielen psychischen Erkrankungen schützen. 63 Prozent aller weltweiten Todesfälle sind laut WHO auf chronische Erkrankungen zurückzuführen.

Davon alarmiert haben sich kürzlich auch die Vereinten Nationen dieses Themas angenommen – übrigens das zweiten Mal, dass sich die UNO mit einem Gesundheitsthema auseinandersetzt. Das erste Mal ging es um Aids: Mitte September verabschiedete die UNO ein Aktionsprogramm zur Bekämpfung von nicht übertragbaren Krankheiten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2011)

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